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AFRIKA/1877: Gutachten zur Giftmüll-Verklappung in Abidjan (SB)


Elfenbeinküste - postkolonial

Giftmüll illegal "entsorgt" - zahlreiche Tote und Verletzte


Afrika - allein dieser Begriff spiegelt die kolonialistische Sichtweise der westeuropäischen Mächte wieder, die schon zur Römerzeit das Land südlich des Mittelmeeres nach dem Gesichtspunkt der Verfügbarmachung betrachtet haben. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Afrika wird von den metropolitanen Wohlstandsregionen des Nordens als Ressourcenkontinent behandelt. Er liefert keine Sklaven, aber Sklavenarbeit, und was das Elfenbein von einst, ist heute das Coltan. Oder Eisenerz, Gold, Kupfer, Uran, Edelholz. Gern wird der Kontinent auch als ungenutzte landwirtschaftliche Fläche betrachtet, die ihrer Erschließung harrt.

Oder eben als ein Territorium, das billig den Müll der vom Wirtschaftswachstum notgetriebenen Konsumgesellschaft der reichen Länder aufnimmt. Scheinen die Bedingungen günstig, wird gar nicht erst gefragt, ob ein afrikanisches Land den Müll haben will, oder es finden sich vor Ort willige Helfer, die am Müllgeschäft verdienen. So geschehen in Ostafrika vor der somalischen Küste, an der illegal alle möglichen Abfälle versenkt wurden, so geschehen im Hafenbecken, in den Straßen und mehreren Deponien der ivoirischen Metropole Abidjan, in dem im August 2006, insgesamt rund 500 Tonnen Giftmüll angelandet wurden.

Im Anschluß erkrankten zahllose Einwohner der Stadt. Wie Prof. Okechukwu Ibeanu, unabhängiger und unbezahlter Berichterstatter des UN-Menschenrechtsrats, in einem Gutachten erklärte, haben die Untersuchungen ergeben, daß durch den Giftmüll des Schiffs "Probo Koala", das von dem internationalen Handelsunternehmens Trafigura gechartert worden war, 15 Menschen gestorben sind. 69 Personen erkrankten so schwer, daß sie im Krankenhaus behandelt werden mußten, und mehr als 100.000 Einwohner, denen nach dem Einatmen von Giftgasdämpfen übel wurde oder die sich übergaben, wurden ärztlich behandelt. [1]

Der UN-Experte fordert die Untersuchung der Langzeitwirkungen des Vorfalls auf Gesundheit und Umwelt sowie Maßnahmen, um die Einwohner zukünftig zu schützen. Denn bis heute wurde der Giftmüll nicht beseitigt. Noch immer leiden Menschen unter Kopfschmerzen, Hauptläsionen, Verdauungsschwierigkeiten sowie an Hals-, Nase- und Lungenproblemen. Vor zwei Jahren hat Trafigura zugesagt, rund 150 Millionen Euro Entschädigung zu zahlen. Ob das Geld jemals bei den Betroffenen ankommt?

Trafigura hat zu Prof. Ibeanus Bericht kritisch Stellung genommen [2] und ihm mangelnde Ausgewogenheit vorgeworfen. Der Sonderberichterstatter sei zu "vorurteilsbehafteten, ungenauen und potentiell schädigenden Schlußfolgerungen" gelangt, die sich auf keinerlei verifizierbare Beweise stützten. In einem Umweltgutachten von WSP Environment and Energy seien keine chemischen Verbindungen, die spezifisch mit den abgeladenen Schlämmen an den untersuchten Stellen verknüpft werden könnten, nachgewiesen worden, erklärte Trafigura.

Das Unternehmen versucht anscheinend in zwei Richtungen, seinen Ruf zu verbessern. Zum einen werden Entschädigungszahlungen zugesagt, zum anderen wird ein Zusammenhang zwischen Giftmüll der "Probo Koala" und Erkrankungen in Frage gestellt. Wie auch immer der Vorfall ausgeht, ob Entschädigungen gezahlt werden oder nicht, die Bewohner Abidjans haben Schäden davongetragen und Verluste erlitten, die kein Geld der Welt wiedergutmachen kann.


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Anmerkungen:

[1] "Toxic wastes caused deaths, illnesses in Côte d´Ivoire - UN expert", UN News Centre, 16. September 2009
http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=32072&Cr=ivoire&Cr1=

[2] "TRAFIGURA´S RESPONSE TO PROFESSOR IBEANU´S REPORT", 16. September 2009
http://www.trafigura.com/our_news/probo_koala_updates.aspx

18. September 2009