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AFRIKA/2096: Nach dem Moratorium - Südafrika bereitet sich auf Fracking vor (SB)


Der Kapstaat will seine Energieimporte reduzieren und riskiert dafür den Erhalt einer artenreiche Landschaft



Vor zweieinhalb Jahren hatte Südafrika ein Moratorium gegen alle neuen Anträge zur Exploration von unkonventionellem Erdgas verhängt, doch im September 2012, nach nur 17 Monaten, wurde es wieder aufgehoben. Die Regierung von Präsident Jacob Zuma scheint fest entschlossen, allen Bemühungen von Umweltschützern zum Trotz im Karoo-Becken nach Erdgas bohren zu lassen, um die Importabhängigkeit des Landes von diesem Energieträger zu beenden.

Sanft nach hinten ansteigende Ebene, dahinter Berge in verschiedenen Höhen, karge Vegetation - Foto: flowcomm, freigegeben als CC BY 2.0 Unported via flickr

Karoo Nationalpark, 14. April 2013
Foto: flowcomm, freigegeben als CC BY 2.0 Unported via flickr

Auf beinahe der Hälfte der 612.273,19 km² großen Karoo, die fast zwei Drittel der Landfläche Südafrikas einnimmt, werden Erdgasvorkommen vermutet. Es soll dort in unkonventionellen Lagerstätten, also nicht in Form einer zusammenhängenden Blase, sondern verteilt auf Myriaden von kleinen Hohlräumen im Schiefergestein vorkommen. Die Unternehmen Royal Dutch Shell, Joint Ventures Falcon Oil & Gas/Chevron und Sasol/Chesapeake/Statoil sowie Sunset Energy Ltd. aus Australien und Anglo Coal aus Südafrika haben bereits Technical Cooperation Permits (TCP) erhalten. Das sind rechtliche Vorstufen zu Erkundungslizenzen, den Exploration Permits (EP), bei denen bereits erste Probebohrungen ausgebracht, aber noch keine kommerziellen Förderungen vorgenommen werden dürfen.

Mit der Entscheidung zur Aufhebung des Moratoriums wurden die Bemühungen der südafrikanischen Anti-Fracking-Bewegung, die sich eine Zeitlang auf der Siegerstraße wähnen durfte, zunichte gemacht. Im nachhinein wirkt selbst die Auszeichnung des südafrikanischen Umweltschützers Jonathan Deal, der im Jahr 2011 die Anti-Fracking-Initiative "Treasure the Karoo Action Group" (TKAG) gründete und dessen Bemühungen eine wesentliche Rolle bei der ursprünglichen Verhängung des Fracking-Banns zugesprochen wird, mit dem Goldman Environmental Prize 2013 wie eine Beruhigungspille.

Zur Zeit trifft die Regierung Südafrikas Vorbereitungen, weil sie im nächsten Jahr Explorationslizenzen zur Förderung von Schiefergas vergeben will. Die Gesteinsschichten tief unter der Karoo bergen nach Angaben des Ministeriums für Mineralische Ressourcen 485 tcf Erdgas (tcf = trillion cubic feet). Das sind 13,74 Billionen Kubikmeter und somit gut das Zehnfache der für Deutschland geschätzten förderbaren Ressourcen an unkonventionellem Erdgas.

Wenn Südafrika auch nur fünf Prozent dieser Ressource nutzen würde, brächte das der Wirtschaft 80 Milliarden Rand (umgerechnet 5,9 Mrd. Euro) ein, was einer Zunahme des Bruttosozialprodukts um 3,3 Prozent über einen Zeitraum von 25 Jahren bedeutete, schreibt der Finanzblog Platts [1] unter Berufung auf eine Studie der Beratungsfirma Econometrix.

Hierbei handelt es sich jedoch nur um grobe Abschätzungen. Im Juni dieses Jahres meldete die U.S. Energy Information Administration (EIA), die dem US-Energieministerium angeschlossen ist, daß sie in ihrem jüngsten Report "World Shale Gas Resources: An Initial Assessment of 14 Regions Outside the United States" aufgrund der geologischen Komplexität des Karoo-Beckens - magmatisches Ergußgestein in drei Schieferformationen - das Potential an förderbaren Erdgas von ursprünglich 485 tcf auf 390 tcf reduziert hat. [2]

Trotz dieser Verringerung gilt Südafrikas Potential an unkonventionellem Erdgas aus der Sicht der Wirtschaft als ausgesprochen attraktiv. Salopp gesagt: Für ein paar seltene Bergzebras, die durch die Förderaktivitäten in der Karoo gestört werden könnten, würde die Politik keine Förderlizenz einbehalten oder gar zurückziehen.

Blühende Karoo, neben der Autobahn N1 zwischen Laingsburg und Prince Albert Road, Zentralkaroo, Westkap, Südafrika, 4. September 2006 - Foto: Winfried Bruenken (Amrum), freigegeben als CC-BY-SA-2.5

Blühende Landschaft - ein besonderes Phänomen in der Karoo
Foto: Winfried Bruenken (Amrum), freigegeben als CC-BY-SA-2.5

Sollten sich die Erwartungen der Regierung und Erdgasgesellschaften hinsichtlich des Schiefergaspotentials der Karoo erfüllen, bliebe noch die Frage, ob sich die aufwendige Förderung überhaupt rentiert. Denn um das unkonventionelle Erdgas in größerem Umfang nutzen zu können, führt kein Weg an der umstrittenen Methode des Hydraulic Fracturing bzw. verkürzt Fracking vorbei. Dabei wird die gashaltige Gesteinsschicht zunächst senkrecht angebohrt. Anschließend wird der Bohrkopf in die Horizontale umgelenkt. Mittels einer Perforationskanone werden nun Löcher in die Wandung der Bohrrohrs und des angrenzenden Gesteins geschossen. Schließlich wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in die Tiefe gepreßt, wodurch die Schicht weiter aufgesprengt wird, so daß das Erdgas zusammenströmen und gefördert werden kann.

Doch woher will man das Wasser nehmen? Der Name Karoo leitet sich von dem Wort kurú aus der Sprache der San, der ursprünglichen Bevölkerung dieses Gebiets, ab und bedeutet "trocken". Und wenn die wüstenerprobten San sagen, daß ein Gebiet trocken ist, dann ist das nicht übertrieben. Die jährlichen Niederschlagsmengen der Karoo bleiben im allgemeinen unter 500 mm, im ariden Nordosten sogar unter 200 mm. Zum Vergleich: Die mittlere Jahresniederschlagsmenge in Deutschland beträgt etwa 830 mm und liegt selbst im relativ trockenen Brandenburg noch über 500 mm.

Beim Fracking werden ungeheure Mengen Wasser benötigt, was bedeuten würde, daß entweder kostbares Grundwasser verbraucht oder Wasser mittels Tankwagen oder über Pipelines in die Fördergebiete gebracht werden müßte. Alle drei Lösungen gingen mit Verlusten und ökologischen Schäden einher: Wird Grundwasser verbraucht, fallen manche Gebiete noch trockener, als sie es ohnehin schon sind. Pipelines würden die Landschaften zerschneiden und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Lebensweise der Tiere, insbesondere der Herdentiere, beeinträchtigen. Ein Lkw-Verkehr wäre allein schon zu dem Zweck, Wasser heranzuführen, eine enorme Beeinträchtigung. Es müßten aber auch tonnenweise Sand und Chemikalien sowie Ausrüstung herangebracht werden.

Die Angaben in der Literatur, wieviel Wasser beim Fracking eingesetzt wird, schwanken stark. Laut Shell werden pro Bohrung bis zu 327.318,50 Liter Wasser verbraucht. [3] Der Wert ist natürlich auch von der Tiefe der angebohrten Gesteinsschicht und der Länge, die das Bohrgerät horizontal weitergetrieben wird, abhängig. Pro Bohrloch werden manchmal bis zu 18 Frack-Vorgänge durchgeführt, so daß sich in dem Fall der Wasserverbrauch auf 5.891.751 Liter summieren würde. In einigen Gebieten der USA, in denen nach unkonventionellem Erdgas gebohrt wird, wurden drei, vier oder sogar fünf Bohrungen pro Quadratkilometer angelegt. Mit ähnlichen Häufungen wäre dann auch in der Karoo zu rechnen.

Dornen und Blätter einer Sukkulentenart in Nahaufnahme - Foto: flowcomm, freigegeben als CC-BY-2.0 Unported via flickr

Sukkulente, Karoo, 30. März 2010
Foto: flowcomm, freigegeben als CC-BY-2.0 Unported via flickr

So groß der Wasserbrauch, so groß wäre das Problem der Entsorgung des sogenannten Produktionswassers. Das ist der Teil des beim Hydraulic Fracturing in den Untergrund gepreßten Wassers, der vor der eigentlichen Gasförderung wieder emporgepumpt wird. Das Produktionswasser enthält nicht nur die teils hochtoxischen Chemikalien, mit denen das Wasser angereichert war, sondern möglicherweise auch sogenannte NORM-Teilchen (NORM steht für "naturally occurring radioactive material", zu deutsch: natürlich auftretendes radioaktives Material), die aus der angebohrten Gesteinsschicht herausgelöst wurden und eine besondere Gesundheitsgefahr darstellen.

Weil der Transport und die umweltgerechte Entsorgung des Produktionswassers teuer ist, wäre zu befürchten, daß die Erdgasunternehmen vor Ort Becken anlegen, in denen sie das chemikaliendurchsetzte Abwasser "entsorgen".

Angesichts des "komplizierten" geologischen Aufbaus des Karoo-Beckens besteht der begründete Verdacht, daß das Aufsprengen des Untergrunds dem Erdgas überraschende Wege nach oben öffnen könnte, so daß es die Grundwasserschichten erreicht und das Wasser kontaminiert. Der Film "Gasland" von Josh Fox hat vor Augen geführt, welche Konsequenzen Fracking haben kann: Die Brunnen der Einwohner mancher Regionen der USA wurden vom Gas verseucht, so daß das Wasser aus dem Hahn entflammbar ist.

Auch das Oberflächenwasser kann durch Erdgas kontaminiert werden, was dem Film zufolge zu Erkrankungen bei Menschen und Tieren, die das Wasser getrunken haben, führte. Wenngleich solche Gasverunreinigungen von Brunnen- und Oberflächenwasser auch ohne Fracking auftreten können, erhöht das Aufsprengen und Zerrütten des Gesteins in bis zu mehreren tausend Metern Tiefe das Risiko, daß das Erdgas den langen Weg bis in die oberen Schichten, aus denen das Grundwasser gewonnen wird, zurücklegt.

Die Karoo birgt die weltweit meisten Sukkulenten-, verschiedenste Echsen- und Schildkröten- sowie zahlreiche vom Aussterben bedrohte Säugetierarten, darunter die Buschmannhasen (Bunolagus monticularis), von denen weltweit nur noch etwa 250 Exemplare existieren. Eine "gefrackte" Karoo, wie die Kritiker sagen, würde ihren Charakter als stiller, karger, aber besonders artenreicher Landschafttyp verlieren. Damit gingen auch Verluste für den Tourismus und nicht zuletzt für die örtliche Bevölkerung einher.

Drei Bergzebras beim Grasen; eines hat aufgeschaut - Foto: flowcomm, freigegeben als CC BY 2.0 Unported via flickr

Seltene Bergzebras im Karoo Nationalpark, 14. März 2013
Foto: flowcomm, freigegeben als CC BY 2.0 Unported via flickr


Fußnoten:

[1] http://blogs.platts.com/2013/08/15/safrica-shale/

[2] http://www.eia.gov/analysis/studies/worldshalegas/ oder

[3] http://mg.co.za/article/2013-06-28-00-new-us-study-inflames-sas-fracking-feud


20. August 2013