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AFRIKA/2097: Dürre und Nahrungsnot in Angola und Namibia (SB)


Im südlichen Afrika hungern mehrere Millionen Menschen



Im südlichen Afrika herrscht zur Zeit eine der schwersten Dürren seit dreißig Jahren. In Angola gelten 1,5 Millionen Menschen als "ernährungsunsicher", das heißt, sie haben nicht jederzeit ausreichend und gesunde Nahrung zur Verfügung. 778.000 Personen im nördlichen Namibia sind entweder schwer oder mäßig ernährungsunsicher, meldete Mitte August Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. [1]

Die Notlage befände sich noch in einem frühen Stadium, doch sei in den nächsten Monaten mit einer Verschlimmerung und entsprechenden Folgen für die betroffenen Familien, die sich kaum darauf einstellen könnten, zu rechnen. Bereits jetzt ist eine große Zahl von Vieh verendet und sehr viel Getreide verdorrt, zudem haben viele Familien begonnen, ihren Hausstand zu verkaufen und Mahlzeiten einzusparen. Berichten zufolge würden viele Kinder wegen der Dürre nicht mehr zur Schule gehen, hieß es. Die geringen Niederschlagsmengen führten zu einem Absacken des Grundwasserspiegels und Austrocknen der Flüsse. Inzwischen geben 40 bis 50 Prozent aller Wasserstellen in der Dürreregion nichts mehr her.

Was die Dürre für eine einzelne Familie bedeuten kann, berichtete IRIN, das Integrierte Regionale Informations-Netzwerk der Vereinten Nationen, am Beispiel der Chiede-Gemeinschaft in der südangolanischen Provinz Cunene. [2] Im vergangenen Oktober ist der Brunnen außerhalb des Gehöfts, auf dem 20 Personen leben, trocken gefallen. Seitdem müssen Mitglieder der Gemeinschaft zweimal am Tag einen Fußmarsch von jeweils dreieinhalb Stunden zu einem neu gegrabenen Brunnen und zurück absolvieren.

Das Wasser, das sie mitbringen, um zu kochen, zu trinken und zu waschen, ist braun und schlammig. Eigentlich wäre es gar nicht zum Trinken geeignet, da es gefährliche Keime enthalten kann, doch haben die Menschen keine Alternative. Nach Angaben von Unicef waren im Juli dieses Jahres mehr als 1500 Einwohner der angolanischen Provinzen Huila, Cunene und Benguela an Cholera erkrankt; 62 von ihnen haben die Infektion nicht überlebt.

Auch in anderen Ländern des südlichen Afrika müssen Menschen hungern. So berichtete Magret Nyirenda, verantwortlich für Ernährung, Landwirtschaft und natürliche Ressourcen im Sekretariat der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC (Southern African Development Community), daß die 15 Mitgliedsstaaten pro Jahr insgesamt rund 41,8 Millionen Tonnen Getreide benötigen. Doch in den beiden letzten Anbauperioden sei die Ernte drastisch eingebrochen, im vergangenen Jahr habe die Erntemenge nur 35,1 Millionen Tonnen betragen, so daß jetzt 14 Millionen Einwohner Hunger litten. [3]

Die Afrikanische Union hat beschlossen, die Nahrungsnot auf dem Kontinent bis zum Jahr 2025 auszumerzen. [4] Ein hehres Anliegen, doch allein von Versprechungen und Perspektiven werden die Menschen nicht satt. Schon mehrfach in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich die Weltgemeinschaft Fristen gesetzt, bis wann kein Mensch auf der Erde mehr Hunger leiden sollte. Möglicherweise ernüchtert durch das regelmäßige Scheitern solcher Vorhaben wurden im Jahr 2001 die sogenannten Millenniumsziele beschlossen, die bis zum Jahr 2015 unter anderem nur noch eine Halbierung der Zahl der Hungernden vorsehen. Dieses Ziel wird aller Voraussicht nach weit verfehlt.

Prognosen aus der Klimaforschung geben keinen Anlaß zu der Hoffnung, daß sich an der Ernährungsunsicherheit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten etwas ändern wird. Weltweit nimmt die Zahl der Dürren, Überschwemmungen und anderer meteorologischer Extremereignisse zu. Gleichzeitig geht die globale Erwärmung mit regionalen Klimatrends einher, so daß manche Regionen, in denen heute noch Landwirtschaft betrieben werden kann, dauerhaft trocken fallen.

Im Fachmagazin "Climate Change" erschien diese Woche eine Studie, nach der die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel bis 2050 um 20 bis 40 Prozent steigen werden. [5] Diese Einschätzung scheint noch moderat angesichts der seit einigen Jahren auftretenden starken Preisschwankungen für Nahrungsmittel, des zu erwartenden Anstiegs der Energiekosten und der Knappheit an Wasser. Die Studie zeigt aber eine Richtung an, in der sich die Preise und damit selbstverständlich auch die Verfügbarkeit von Nahrung entwickeln werden. Die Nahrungsproduktion wird laut dieser Prognose bis Mitte des Jahrhunderts um 2,3 Prozent abnehmen.

Das wirkt zunächst gering, doch muß man bedenken, daß bislang in den meisten Jahren die globale Nahrungsmittelmenge zumindest leicht gesteigert werden konnte. Die Folgen des Mangels bekommen vor allem die Länder besonders hart zu spüren, in denen die Landwirtschaft einen hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung hat. Dazu gehören fast alle Länder des südlichen Afrika.

Wie so häufig, wenn Dürre- und Hungerkatastrophen entstehen, werden sie durch eine Mischung aus globalen und regionalen Faktoren begünstigt. Den Rahmen der Notlage liefern die ausbleibenden Niederschläge. Wie aber die Gesellschaft damit umgeht, steht auf einem anderen Blatt. So berichtete "angola aktuell" im Juni dieses Jahres, daß "lokale Akteure in der Provinz Cunene schon vor Wochen wegen der lange anhaltenden Dürre und einer drohenden Hungerkatastrophe Alarm geschlagen haben". Doch es würden immer noch über 300.000 Menschen auf Hilfe warten. [6]

Das tun sie anscheinend heute noch, und ihre Zahl ist größer geworden. Damit soll nicht behauptet werden, daß Angolas Regierung gar nichts unternimmt, um die Not zu lindern. Sie tut jedoch sehr viel weniger, als ihr möglich ist. In kaum einem anderen Land Afrikas ist die Diskrepanz zwischen Arm und Reich so groß wie dort.

Das könnte zu der irrigen Vorstellung verleiten, daß das Problem einzig und allein mit einer gerechteren Verteilung zu beheben sei. Dabei würde jedoch übersehen, daß die gesellschaftliche Verteilung eine Voraussetzung des Mangels ist. Für eine grundlegende Veränderung müßten demnach auch die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen auf den Prüfstand.


Fußnoten:

[1] http://allafrica.com/stories/201308160541.html

[2] http://allafrica.com/stories/201308141392.html?viewall=1

[3] http://allafrica.com/stories/201308141116.html

[4] http://allafrica.com/stories/201308122684.html?viewall=1

[5] Calzadilla et al. (2013) Climate change impacts on global agriculture. Climatic Change. DOI: 10.1007/s10584-013-0822-4

[6] tinyurl.com/k82unps

22. August 2013