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AFRIKA/2106: Uran-Abbau in Niger - Der Kuchen wird geteilt (SB)


Regierung Nigers und Nuklearkonzern Areva verhandeln über Lizenzen zum Uran-Abbau

Studierende demonstrieren gegen Kompromißbereitschaft der Volksvertreter



Nachdem die europäischen Kolonialmächte den afrikanischen Kontinent unter sich aufgeteilt hatten, standen der Extraktion von Bodenschätzen, dem Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse und ganz allgemein der Ausbeutung der Arbeitskräfte kaum Hindernisse im Weg. Daran hat sich bis heute, rund ein halbes Jahrhundert nach der Unabhängigkeit der Kolonialstaaten, sehr viel weniger geändert, als man meinen sollte. Häufig unter der erdrückenden Erblast eines Schuldregimes und wie ein Spielball dem von fremdnützigen Interessen gesteuerten Weltmarkt ausgeliefert, wird den afrikanischen Ressourcenstaaten nur ein geringer Anteil an der Ausbeutung ihrer begehrten "Schätze" zugestanden. Daß darüber hinaus die Einnahmen aus der Rohstoffgewinnung nicht der allgemeinen Bevölkerung zugute kommen, sondern in die Taschen der jeweiligen politischen und industriellen Oberschicht wandern, die wiederum mit den Hauptprofiteuren der transnationalen Konzerne paktieren, wird gern als Fluch oder Ressourcenfluch bezeichnet. Ganz so, als wäre von irgendwoher ein böses Wort gegen die Länder gesprochen worden und als könnte die allgemeine Armut der Bevölkerungsmehrheit nicht auf ein gemeinsames Bereicherungsinteresse von Akteuren aus Politik und Wirtschaft zurückgeführt werden.

Auch über Niger liegt der Ressourcenfluch. Derzeit versucht die Regierung des Sahelstaats mit dem französischen Nuklearkonzern Areva bessere Konditionen für den Abbau von Uran in den Minen Somair und Cominak bei Arlit auszuhandeln. Am 31. Dezember ist die zehnjährige Förderlizenz ausgelaufen, wobei die Regierung von Präsident Mahamadou Issofou und Premierminister Brigi Rafini wenige Tage zuvor die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß sie während der Verhandlungszeit weiterbetrieben werden dürfen. Der Konzern hatte jedoch schon Mitte Dezember die Arbeiten in seinen Minen aus "Wartungsgründen" ausgesetzt. Diese Maßnahme könnte man auch so deuten, als wollte Areva damit den Druck auf Niger erhöhen.

Die Bevölkerung befürchtet nun, daß die Volksvertreter einknicken. Am 10. Januar demonstrierten in der nigrischen Hauptstadt Niamey Hunderte Studierende gegen jeden Kompromiß der Regierung mit dem Konzern. [1] Daß der Verdacht aufkommt, Präsident Issofou, der 1980 Direktor für Bergbau im nigrischen Ministerium für Industrie und Bergbau war und später als technischer Direktor der Uranmine Somair arbeitete, sei von seiner beruflichen Herkunft her so eng mit der Uranbergbau verbunden, daß er keine harte Haltung gegenüber Areva einnehmen wird, ist nicht verwunderlich.

Die Studierenden sind jedenfalls aus gutem Grund auf die Straße gegangen, denn die Erfahrung lehrt, daß die Politiker zwei Gesichter haben, eines fürs Volk - vorgeblich wild entschlossen, kompromißlos die nigrischen Interessen durchzusetzen - und eines bei den Verhandlungen mit den Wirtschaftsvertretern - konziliant und auf die Wahrung eigener Interessen bedacht.

Frankreich produziert etwa 75 Prozent seiner elektrischen Energie mittels Atomreaktoren und bezieht 40 Prozent seines Urans aus Niger. Diese Abhängigkeit von der Versorgung mit dem Rohstoff sollte der nigrischen Regierung eigentlich eine recht komfortable Verhandlungsposition verschaffen. Allerdings ist auch Niger auf die Einnahmen aus dem Uranbergbau, der rund 70 Prozent der Staatseinnahmen ausmacht, angewiesen.

Die Regierung möchte die Abgaben Arevas von 5,5 auf 12 Prozent der Einnahmen erhöhen, wie bereits 2006 in einem neuen Bergbaugesetz festgelegt. Das französische Staatsunternehmen hält dagegen, daß eine so hohe Abgabe den Betrieb der Minen unrentabel machen würde. Nach Berechnungen von Oxfam France und dem nigrischen Arm der Initiative Publish What You Pay haben Arevas Minen in Niger im Jahr 2010 mehr als 3,5 Milliarden Euro eingebracht, der nigrische Staat habe jedoch nur 459 Millionen Euro erhalten; und im Jahr 2012 umfaßten die Steuereinsparungen des Konzerns einen Wert von 320 Mio. Euro, so Oxfam. [2] Areva weist die Oxfam-Zahlen zurück und behauptet, daß die nigrische Regierung seit Beginn des Minenbetriebs vor 40 Jahren 80 Prozent der Einnahmen bzw. 871 Mio. Euro erhalten habe. [3]

Zu welchem Ergebnis auch immer die Verhandlungen gelangen, einen Verlierer wird es auf jeden Fall geben: die Einwohner von Arlit und Umgebung. Dort lagern unter freiem Himmel mehrere Dutzend Millionen Tonnen Abraum aus der Tagebaumine Somair, ungeschützt dem Wind und Wetter ausgesetzt. Das Material enthält noch 80 Prozent seiner ursprünglichen Strahlenbelastung.

Untersuchungen der französischen "Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität" (CRIIRAD) aus dem Jahr 2003 und sechs Jahre darauf durch die Umweltorganisation Greenpeace haben gezeigt, daß es in der Region fast keinen Ort gibt, an dem der uranhaltige Staub nicht nachzuweisen ist, und daß der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Grenzwert zur radioaktiven Belastung von Trinkwasser teils deutlich überschritten wird. Die Einwohner von Arlit leben mit einem hohen Risiko, an Krebs zu erkranken.

Mehr als 45 Jahre Uranabbau im Norden Nigers haben die Region stark verändert. In einem unscheinbaren Wüstengebiet wurde eine Siedlung für die Minenarbeiter aus dem Boden gestampft: Arlit. Inzwischen wohnen dort über hunderttausend Einwohner. Über deren Häuptern hängt ebenso ein Damokles-Schwert wie am anderen Ende der Uranwirtschaft über den Häuptern der Anwohner von Kernkraftwerken. Strahlung sieht, hört, riecht, schmeckt und spürt man nicht, und doch entfaltet sie eine destruktive Wirkung, ob beim Abbau von Uran oder seiner Verbrennung in den Meilern der Industriestaaten.

Auch wenn der von den Demonstrierenden geforderte höhere Anteil Nigers an den Einnahmen aus der Rohstoffgewinnung nicht zuletzt aufgrund der gesundheitlichen und ökologischen Schäden mehr als angemessen erscheint, sähe eine Forderung nach vollständiger Beendigung der Strahlengefahr anders aus und dürfte auf nicht weniger als einen kompletten Ausstieg aus der zivilen und militärischen Nutzung der Atomkraft hinauslaufen.


Fußnoten:

[1] http://www.wise-uranium.org/umopafr.html#AKOUTA

[2] http://nuclear-news.net/category/africa/niger/

[3] http://www.theguardian.com/global-development/poverty-matters/2014/jan/10/niger-uranium-mining-dispute-african-natural-resources

17. Januar 2014