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AFRIKA/2155: Die Panama Papers ziehen Kreise (SB)


"The Plunder Route to Panama"


Montag, 16. Oktober 2017. Die Journalistin Daphne Caruana Galizia (53) ist gerade erst mit ihrem Auto von ihrem Zuhause in Bidnija auf der Mittelmeerinsel Malta losgefahren, als eine Bombe unter dem Fahrzeug explodiert. Die Mutter dreier Kinder stirbt bei dem Anschlag. Galizia war zwar nicht in die Bekanntgabe der sogenannten Panama Papers involviert, hatte aber auf deren Grundlage eigene Recherchen durchgeführt und Korruption bis in höchste Regierungskreise hinein aufgedeckt. Die Enthüllungen hatten zu Neuwahlen geführt.

Als Panama Papers werden vertrauliche, elektronische Unterlagen des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca bezeichnet, deren Existenz am 6. April 2016 bekannt wurde. Das lateinamerikanische Land ist eine riesige Steueroase, in der zahllose Personen und Firmen nicht nur ihre hinterzogenen Steuern parken, sondern Briefkastenfirmen auch zum Transfer von Schmiergeldern und zur Umgehung von UN-Sanktionen nutzen.

Ob das Datenleck der Panama Papers versehentlich entstanden war oder ob ihm von interessierter Stelle nachgeholfen wurde: Sie sind sprichwörtlich Sprengstoff. Daher erfordert es einige Courage, wenn jetzt ein Gruppe afrikanischer Journalistinnen und Journalisten des Zusammenschlusses von African Investigative Publishing Collective, Africa Uncensored und Zam magazine den Report "The Plunder Route to Panama" (Die Plünderungsroute nach Panama, tinyurl.com/y7vp9v7y) veröffentlicht und darin die mutmaßliche Korruption afrikanischer Staats- und Regierungschefs und hochrangiger Politiker sowie deren Verwandten detailreich schildert. Hier wird Klartext geredet und es werden mutmaßlich beteiligte Personen namentlich genannt. Da auch die meisten Namen der beteiligten Journalistinnen und Journalisten aufgeführt werden, setzen sich diese einem kaum kalkulierbaren Risiko für Leib und Leben aus.

Dem veröffentlichten Email-Verkehr der Panama Papers zufolge haben die afrikanischen Führer von ausländischen Unternehmen Bestechungsgelder angenommen, Steuern hinterzogen und ausgedehnte Seilschaften mit Freunden und Familienmitgliedern aufgebaut, die zig Milliarden Dollar auf ihre Privatkonten außer Landes geschleust haben.

Zu den erwähnten Ländern gehören Burundi, Botswana, Demokratische Republik Kongo (DR Kongo), Mosambik, Ruanda, Südafrika und Togo. Im folgenden werden nur einige ausgewählte Beispiele aus dem 37seitigen Report, der sich nicht in allen Fällen unmittelbar mit den Panama Papers, so doch mit "Panama" als Symbol für Steuerflucht und Korruption befaßt hat, aufgegriffen.

Burundi

In Burundi seien nach der Amtsübernahme von Präsident Pierre Nkurunziza im Jahre 2005 zunächst Fortschritte in Sachen Korruptionsbekämpfung verzeichnet worden. Doch mehr und mehr hätten sich Leute wie Olivier Suguru, Ausstatter der burundischen Streitkräfte, Zugriff auf die Steuereinnahmen der Finanzbehörde (OBR) verschafft. Nkurunziza wiederum habe die notorisch knappen ausländischen Devisen verwendet und Treibstoff ausschließlich von dem Unternehmen Interpetrole gekauft, an dem er anscheinend Aktienanteile besitzt, heißt es in dem Bericht.

Im Jahr 2015 haben die Vereinigten Arabischen Emirate Gold im Wert von 160 Millionen Dollar von Burundi erworben. Zur gleichen Zeit hat Burundi offiziell nur Gold im Wert von 13 Millionen Dollar exportiert. Das heißt, große Mengen an Gold werden - wie schon seit Jahren - aus der DR Kongo herausgeschmuggelt und an Burundis Steuerbehörden vorbei auf den Weltmarkt geworfen.

Botswana

Deviseneinnahmen erhält Botswana hauptsächlich vom Diamantenexport und Tourismus. Die jährlichen Einnahmen aus Safaris und anderen touristischen Vergnügungen der Reichen und Superreichen dieser Welt belaufen sich auf rund 650 Mio. Dollar. Mehr als die Hälfte der Einnahmen aus dem Tourismus wandert an Briefkastenfirmen in Luxemburg, auf den Bermuda-Inseln, Mauritius und Seychellen. Botswanas Präsident Ian Khamas Bruder, Tourismusminister Tshekedi Khama, erhält die Tourismuskonzessionen. Präsident Khama selbst besitzt Aktien in mehreren Tourismusorganisationen, die wiederum zur Wilderness Group gehören, dessen Vorstandsvorsitz Khamas Anwalt und Vertrauter Parks Tafa innehat. Des weiteren sitzt Marcus Patrick Khama Ter Haar, der Neffe des Präsidenten, im Vorstand.

Vor einiger Zeit hatte Ian Khama per präsidialem Dekret angeordnet, daß die Fluglinie Air Botswana zum Schnäppchenpreis an die Wilderness Group veräußert wird. Der Deal kam allerdings aufgrund öffentlicher Proteste nicht zustande.

DR Kongo

Icokat wird im Unternehmensregister als "Internet-Provider" aufgeführt. Wie aber kann es sein, daß diese Firma im Besitz der in den Panama Papers namentlich genannten Jaynet Kabila, der Zwillingsschwester des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, Aluminiumtüren und -fensterrahmen verkauft? Und warum nur wird der Vertreter Jaynet Kabilas, wenn er die Firma besucht, stets in bar bezahlt?

Das "Kabila-Imperium" (Bloomberg) umfaßt Dutzende Unternehmen, von Telekommunikation über Hotels zu Fluggesellschaften, von Transportfirmen bis zu Banken. Mancher, so wird gesagt, hat mehr Geld zur Seite geschafft, als der komplette Staatshaushalt dieses extrem rohstoffreichen Landes umfaßt. Der beträgt allerdings auch nur fünf Milliarden Dollar ... was sicherlich mit der Bereicherung einzelner zusammenhängt. Ein Großteil der Einwohner der DR Kongo kann sich nicht einmal eine zweite Mahlzeit am Tag leisten.

Als im Jahr 2009 das kanadische Bergbauunternehmen First Quantum seine Steuern in Höhe von 60 Millionen Dollar an Direction Generale des Impots (DGI) bezahlen wollte, wurde ihm von einem der Direktoren vorgeschlagen, sie sollten ihm vier Millionen Dollar zahlen, dem Staat sechs Millionen zukommen lassen und den Rest behalten. Denn: "Niemand hier zahlt Steuern." First Quantum lehnte ab. Einige Monate darauf wurde die Kupfermine des kanadischen Unternehmens beschlagnahmt und an einen engen Freund Präsident Kabilas und Bergbaumanager weiterverkauft, dessen Spitzname "Mr. Grab" (frei übersetzt: Der Abgreifer) lautet.

Das US-amerikanische Dodd-Frank-Act soll zwar Korruption und Steuerflucht unterbinden und sicherstellen, daß mineralische Rohstoffe nicht aus dunklen Quellen stammen, damit mit den Einnahmen keine Bürgerkriege oder repressive Regimes finanziert werden, aber laut Untersuchungen des Think Tanks CSIS (Center for Strategic and International Studies) erzeugt das Gesetz erhebliche "Kollateralschäden", da es nicht die großen Unternehmen (die von korrupten Politikern geleitet werden) trifft, sondern maßgeblich die kleinen Bergleute, die in der DR Kongo auf eigene Faust versuchen, sich ein kleines Einkommen zu erwirtschaften.

Mosambik

In Mosambik haben Politiker und Militärs weitgehend die Kontrolle über den Bergbau übernommen. Ein großer Teil des Landes ist in Lizenzgebiete aufgeteilt, nicht selten, daß ganz Dörfer abgerissen und deren Einwohner vertrieben wurden, um an die begehrten Schätze im Boden zu gelangen. Es geht in diesem Fall um Rubine. Zusagen der beteiligten Unternehmen, beispielsweise daß sie die Elektrifizierung voranbringen, Straßen und Schulen bauen wollen, wurden nicht eingehalten. Mosambik ist mit Rohstoffen reich gesegnet, die Menschen jedoch bleiben arm wie eh und je.

Ruanda

Das zwielichtige Geschäft mit 500 Kühen aus den Niederlanden, die ruandischen Bauern übergeben werden sollten, aber größtenteils gestorben oder erkrankt und sowieso nie bei den Bauern, die sie gebrauchen könnten, angekommen sind, hat mindestens ein Menschenleben gekostet. Dazu die Kurzversion: Die Rwandan Development Bank (RDB), die den Deal finanziert hatte, wurde seitens der Regierungspartei gedrängt, Konkurs anzumelden. Doch deren Leiter, Théogène Turatsinze, weigerte sich und mußte seinen Hut nehmen. Das war rund zehn Jahre her. Man fand seine Leiche, gefesselt, am 15. Oktober 2012 in einem See in Mosambik, nur wenige Tage bevor er von IWF und Weltbank zu der Affäre befragt werden sollte. Der Mord wurde nicht aufgeklärt.

Die Leitung der RDB hatte Jack Kayonga übernommen. Er strich die Schulden, erklärte Bankrott und erhielt dafür viel Lob aus der (regierungsnahen) Presse. Dem investigativen Report zufolge war Kayonga der eigentlich Kopf hinter dem "Kuhhandel" mit den Niederlanden im Jahr 2012. Heute leitet er Crystal Ventures, das weitverzweigte Unternehmensimperium der Regierungspartei Paul Kagames. In den Panama Papers findet Debden Investments, ein enger Partner von Crystal Ventures, Erwähnung.

Ergänzend zu dem Report sei hier angemerkt, daß auch andere, die sich der Regierungspartei, respektive dem autokratisch regierenden Präsidenten Ruandas, Paul Kagame, widersetzt haben, als Kritiker auftraten oder als dessen Konkurrenten angesehen wurden, ermordet worden sind: Seth Sendashonga (Oppositionspolitiker, 1998 in Kenia), Jean-Léonard Rugambage (Reporter, 2010 in Ruanda), André Kagwa Rwisereka (Oppositionspolitiker, 2010 in Ruanda), Charles Ingabire (Reporter, Uganda 2011). Kayumba Nyamwasa, ehemaliger Geheimdienstchef und Kagames Vertrauter, überlebte 2010 in Südafrika einen Attentatsversuch. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Der- oder diejenige, die im vorliegenden Report den Bericht über Ruanda geschrieben hat, ist eine von zwei Personen, deren Namen nicht bekanntgegeben wird. Verständlich.

Südafrika

Die Korruptionsvorwürfe gegen den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma haben es sogar in die hiesigen Mainstream-Medien geschafft. Zuma habe seine Leute an den wichtigsten staatlichen Stellen positioniert, heißt es nun in dem Report. Darin wird die Einschätzung des im März dieses Jahres geschaßten südafrikanischen Finanzministers Pravin Gordhan wiedergegeben, wonach Zuma und seine Leute alles in allem rund sieben Milliarden Dollar unterschlagen und nach Dubai transferiert haben. Gordhan mußte zurücktreten, nachdem er sich geweigert hatte, dubiose Finanztransaktionen abzusegnen.

Togo

Faure Gnassingbé, Präsident Togos, überläßt das Exportgeschäft mit Phosphat Raphael Edery und seinem Sohn Liron. Fast 90 Prozent dieses wertvollen Rohstoffs wurden 2016/17 von dem indischen Unternehmen Kalyan, das Ashok Gupta und seinem Sohn Amit Gupta gehört, aufgekauft. Im Jahr davor, 2015, hatten sie nur 107 Dollar pro Tonne Phosphat bezahlt. Der Weltmarktpreis bewegte sich jedoch zwischen 115 und 120 Dollar pro Tonne. Getax, eine weitere Firma Ashok Guptas, hat das Phosphat zu noch günstigeren Konditionen erworben. Zur gleichen Zeit, in der die Bodenschätze des Landes billig verhökert werden, sind die Arbeiter, die für einen Hungerlohn von 117 Dollar im Monat in den Bergwerken schuften, nicht medizinisch versorgt und sterben an Krebs oder "plötzlichem Tod".

Fazit

Seilschaften und Vetternwirtschaft sind ebensowenig Phänomene, die in Afrika erfunden wurden, wie die Anhäufung von Reichtum. Allerdings bilden die Länder Afrikas bei diesen Machenschaften auch keine Ausnahme. Ein Teil der am Fiskus vorbei ausgeführten Rohstoffe, nicht selten durch elende Lohnsklavenarbeit erwirtschaftet, landet in verarbeiteter Form in Produkten, die hierzulande gern in Anspruch genommen werden und teilweise als unverzichtbar gelten. Relativ wohlhabende Länder wie Deutschland profitieren von der Armut in Afrika.

Deutschland arbeitet mit den oben genannten Regierungen teils eng zusammen. Die in dem vorliegenden Report geschilderten Fälle von Bereicherung stellen die Kehrseite der Medaille der legalen Bereicherung in Form des Wirtschaftens dar. Die jeweiligen Folgen für die ärmere Bevölkerung unterscheiden sich gar nicht so sehr, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Hunger, Armut und Verelendung würde es auch ohne korrupte Regierungen geben.

Das relativiert nicht die journalistische Arbeit, die sich African Investigative Publishing Collective, Africa Uncensored und Zam magazine mit dem Report "The Plunder Route to Panama" gemacht haben, sondern bestätigt sie: Das Problem ist noch umfänglicher, als daß es durch die Bekämpfung von Korruption und Repression aus der Welt geschafft werden könnte.

19. Oktober 2017


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