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AFRIKA/2199: Zwölf Länder - wirtschaftskolonialistisch gesehen ... (SB)



Die Sicherung deutscher Wirtschaftsinteressen in Afrika kommt nicht recht voran. Das wurde beim heutigen Treffen von Vertretern zwölf afrikanischer Staaten zum "Compact with Africa" im Kanzleramt zum wiederholten Mal beklagt. Die Erwartungen, daß aus dem Kontinent eigentlich mehr herauszuholen sein müßte, sind deutlich höher, liegt doch das Handelsvolumen der deutschen Wirtschaft von gut 45 Mrd. Euro (2018) mit afrikanischen Ländern noch unter dem Handelsvolumen mit Ungarn.

Gegründet 2017 zur Zeit der deutschen G20-Ratspräsidentschaft, schließt die Initiative Compact with Africa im Prinzip alle G20-Mitglieder (19 Staaten und die Europäische Union) ein; der gemeinsame Pakt soll die afrikanischen Teilnehmer mit einem G20-Partnerland verbinden. Dennoch erhofft sich natürlich Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allem von der deutschen Industrie mehr Umsatz und Profite.

Im Vorfeld des Treffens forderte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Gespräch mit dem "Handelsblatt" die Industrie zu "mehr Mut" auf, in Afrika zu investieren. Auf der anderen Seite stellte auch die Industrie Forderungen an die Bundesregierung. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, diese benötige bessere staatliche Garantie- und Absicherungsinstrumente für ihre Investitionen. [1]

Die zwölf bislang an der Initiative beteiligten afrikanischen Staaten (Äthiopien, Ägypten, Benin, Burkina Faso, Cote d´Ivoire, Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo und Tunesien) haben mit China, Indien, USA, Japan, Rußland und anderen EU-Mitgliedsländern wirtschaftlich durchaus schwergewichtige Alternativen zu Deutschland. Zwischen diesen Akteuren findet auf dem afrikanischen Kontinent ein Kampf nicht nur um Rohstoffe, sondern in wachsendem Maß auch um Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte statt. Über diese gegenläufigen Interessen kann auch die "gemeinsame" Initiative der G20 nicht hinwegtäuschen.

Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hat der Afrikanist Robert Kappel die Initiative kritisch unter die Lupe genommen. Laut einem Beitrag der Deutschen Welle sagte Kappel, daß die afrikanischen Länder "bei den Rahmenbedingungen für Investitionen (... ) ihre Mission erfüllt haben". Nun seien sie enttäuscht, daß die Direktinvestitionen nicht fließen. [2] Eine Enttäuschung, die nur allzu bekannt ist, hat es doch in der Vergangenheit schon zahlreiche ähnliche Vorstöße gegeben.

Die G20-Initiative "Compact with Africa" ist nicht zu verwechseln mit dem "Marshallplan mit Afrika", der von Entwicklungsminister Gerd Müller angeschoben wurde. Mit beiden Initiativen werden lediglich teils gleichlautende Absichten verfolgt. Offiziell geht es bei Compact with Africa darum, private Investitionen in Afrika zu fördern. Wofür aber die beteiligten, "reformwilligen" Länder die "Rahmenbedingungen" verbessern sollen. Diese unterscheiden sich kaum von den Rahmenbedingungen, die bereits im vergangenen Jahrhundert mit den Strukturanpassungsprogrammen vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Afrika durchgesetzt wurden und schwerwiegende Verarmungsfolgen und Staatsverschuldungen nach sich gezogen hatten.

Immer geht es bei diesen wirtschaftspolitischen Konzepten darum, die Hürden für Investoren abzubauen. Wobei diese unter Hürde auch die Umwelt- und Arbeitsschutzmaßnahmen oder die ach so lästigen Zoll- und Steuerabgaben verstehen. Die Aussichten der kapitalstarken Unternehmen, sich an den vielfältigen Schätzen Afrikas zu bereichern, könnten kaum besser sein. Im Juli dieses Jahres hat die Afrikanische Union (AU) ein panafrikanisches Freihandelsabkommen (AfCFTA) gegründet. Mit einer Bevölkerungszahl von 1,2 Mrd. soll in Afrika der weltweit größte Binnenmarkt entstehen. Von dem grenzenlosen Warenverkehr profitieren dann auch "Leuchtturmprojekte" wie die im Mai 2018 von Volkswagen in Ruanda in Betrieb genommene Autofabrik. Darin werden zuvor in Südafrika gefertigte Bauteile zu Autos zusammengeschraubt, anfangs 1000 pro Jahr, später bis zu 5.000. Zudem hat VW angekündigt, in Ruanda eine Fabrik für Elektroautos zu errichten.

Afrika steht vor gewaltigen demographischen Herausforderungen. Innerhalb der nächsten gut zehn Jahre konkurrieren voraussichtlich rund 440 Millionen Menschen zusätzlich um die viel zu wenigen Jobs auf dem Arbeitsmarkt. Das drückt die Lohnkosten - zum Vorteil der Unternehmen. Und so, wie sich VW langsam, aber sicher in immer mehr afrikanischen Ländern ausbreitet, dabei auch neuartige Mobilitätskonzepte testet, ohne große Risiken einzugehen, sollen auch andere Unternehmen und Branchen Afrika zu einem Wachstumsmarkt nach ihren Wünschen formen.

Hatte die OAU, die Organisation für Afrikanische Einheit (1963 bis 2002), noch die Emanzipation von der Kolonialzeit auf dem Programm, was auch ganz andere Gesellschaftsformen zuließ, beispielsweise einen afrikanischen Sozialismus und befreiungsorientierten Panafrikanismus, so hat sich die Nachfolgeorganisation der OAU, die Afrikanische Union, nach dem Vorbild der EU weitgehend dem neoliberalen Wirtschaftsmodell unterworfen. Staatsführer, die eine andere Richtung bevorzugten, und sei sie auch nur geringfügig abweichend, wurden notfalls gewaltsam beseitigt. Beispielsweise 2001 Laurent-Désiré Kabila, Präsident der Demokratischen Republik Kongo, und 2010 Muammar Gaddafi, Staatsführer Libyens, um nur einige "Entsorgungen" neueren Datums zu nennen.

Mit dem Aufbau der panafrikanischen Freihandelszone und den milliardenschweren Investitionen Chinas in den letzten 15 Jahren vor allem in die Infrastruktur Afrikas ist nun der Boden bereitet, die Menschen und ihren Kontinent der großen Vereinnahmung und Verwertung zuzuführen - selbstverständlich auf Augenhöhe, wie die Regierung zu betonen nicht müde wird.

Näher an Europa gelegen als die Märkte China und Indien soll Afrika zum Hinterhof der EU werden so wie Lateinamerika für die USA. Zugleich sind die in Aussicht gestellten Investitionen in den Wachstumsmarkt Afrika Teil der Antwort von morgen auf die systemimmanente Produktivitätskrise des vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftsmodells.


Fußnoten:

[1] https://www.deutschlandfunk.de/compact-with-africa-kontroverse-um-initiative-fuer.1939.de.html?drn:news_id=1071609

[2] https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/compact-with-africa-wenig-begeisterung-ueber-den-merkel-plan/

19. November 2019


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