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ASIEN/585: Machtkampf Zardari-Sharif stürzt Pakistan in die Krise (SB)


Machtkampf Zardari-Sharif stürzt Pakistan in die Krise

Alte Rivalität der PPP- und PML-N-Anführer vollends ausgebrochen


Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Pakistans, den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und dessen Bruder Shahbaz für amtsunfähig zu erklären, hat das Land in eine schwere innenpolitische Krise gestürzt. Der Oppositionsführer Nawaz Sharif ist derzeit der populärste Politiker Pakistans, während Shahbaz Sharif bis zur Verkündung des Urteils des Obersten Gerichtshofs am 25. Februar dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat Punjab als Ministerpräsident vorstand. Dort hat Präsident Ali Asif Zardari unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils den freigewordenen Posten des Ministerpräsidenten nicht - wie es sich eigentlich gehört hätte - durch ein Mitglied der Pakistan Muslim Party (Nawaz), sondern durch Salman Taseer, einem engen Verbündeten von der eigenen Pakistan People's Party (PPP) besetzen lassen. Dieser soll den Bundesstaat für zwei Monate bis zur Ernennung des neuen Ministerpräsidenten provisorisch regieren.

In Punjab haben die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und Zardaris Massenproteste ausgelöst. Auf einer Pressekonferenz bezeichnete Nawaz Sharif das Urteil gegen ihn und seinen Bruder als einen "Erlaß", der politisch motiviert und deshalb ungerecht sei, und rief die pakistanische Nation dazu auf, "sich gegen diese Gesetzlosigkeit, gegen dieses verfassungswidrige Urteil und gegen diese niederträchtige Tat des Präsidenten Zardari zu erheben". Er kündigte an, sich an den für den 12. März geplanten, landesweiten Protestaktionen der pakistanischen Anwälte zu beteiligen.

Die hier erneut ausgebrochene Rivalität zwischen Sharif und Zardari reicht in die neunziger Jahre zurück. Nach dem Tod des früheren Diktators General Zia ul Haq im August 1988 und der Wiedereinführung der Demokratie beherrschten Sharifs eher konservative Pakistanische Moslemliga und Benazir Bhuttos eher linksgerichtete PPP, die vor allem in der Provinz Sindh mit der Hauptstadt Karatschi verwurzelt ist, die politische Landschaft Pakistans. Sowohl Sharif als auch Bhutto wurden während dieser Phase zweimal mit den Regierungsgeschäften beauftragt. Beide haben sich während ihrer Zeit im Amt um das Wohlergeben der eigenen Klientel gekümmert und wurden ihrerseits vom der Gegenseite der Korruption bezichtigt. Zardari erwarb sich während der beiden Regierungszeiten seiner Frau den Spitznamen "Mister 10 Prozent" - eine Anspielung auf die angeblich von ihm geforderten und auch eingestrichenen Provisionen bei Staatsaufträgen. 1996 - Sharif war Premierminister - wurde Zardari unter dem Verdacht der Korruption und der Verwicklung in die Ermordung seines Schwagers Murtaza Bhutto verhaftet und blieb bis 2004 in Untersuchungshaft.

1999 kam es zum Putsch durch General Pervez Musharraf gegen Sharif. Zuvor versuchte dieser per Befehl die Landung des Flugzeugs des von einer Auslandsreise heimkehrenden Generalstabschefs zu verhindern, was ihm nach der Machtergreifung und der eigenen Verhaftung eine Verurteilung wegen versuchter Entführung einbrachte. Auf Vermittlung Saudi-Arabiens wurden 2000 die Sharif-Brüder freigelassen und durften Pakistan verlassen, nachdem sie Musharraf versprochen hatten, das Land für zehn Jahre nicht mehr zu betreten. Musharraf hatte einen Teil der Moslemliga überreden können, ihn zu unterstützen. Die Gruppierung hieß danach PML-Q und stellte mehre Jahre lang die Regierung zusammen mit kleineren anderen Gruppen.

2007 handelte Bhutto mit Musharraf einen Deal aus, der ihr die Rückkehr aus dem Exil nach Pakistan und den Wiedereinstieg in die Politik ermöglichen sollte. Der Deal sah vor, daß auch alle noch anhängigen Anklagen gegen Zardari auf Dekret Musharrafs fallengelassen wurden. Angesichts dieser Situation kehrten im Herbst 2007 die Sharif-Brüder aus ihrem Exil in Saudi-Arabien heim. Die PML-N, derjenige Teil der Pakistanischen Moslem Liga, der nach dem Putsch 1999 Nawaz treu geblieben war, errang bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2008 den zweiten Platz hinter der PPP, die ihrerseits von dem inzwischen verwitweten Zardari angeführt wurde. Obwohl Nawaz Sharif wegen der früheren Verurteilung immer noch kein offizielles Mandat oder Amt hatte, kam es zur Koalitionsbildung zwischen den beiden Gruppierungen.

Im Augugst 2008 brachte die neue Koalition ein Amtsenthebungsverfahren gegen Musharraf auf den Weg, das diesen zum Rücktritt zwang. Im September ließ sich Zardari von der Bundesversammlung zum neuen Präsidenten wählen, nachdem er sich bereits mit Sharif überworfen hatte. Der Abzug der PML-N aus der Koalition ging auf die Weigerung Zardaris und der PPP, im Parlament die nötigen Schritte zur Wiedereinsetzung der von Musharraf Ende 2007 entlassenen Richter zu unternehmen, zurück. Der Grund für die ablehnende Haltung Zardaris in der Richter-Frage ist einfach. Im Falle der Wiedereinsetzung Chaudhrys müßte Pakistans neuer Präsident, der wie kein zweiter von der Ermordung seiner Frau profitiert hatte, befürchten, sich erneut mit den von Musharraf aus der Welt geschaffenen Anklagen herumplagen zu müssen.

In Pakistan genießen Chaudry und die Anwaltsbewegung, die 2007 den Kampf gegen Musharraf und für ein demokratischeres Land anführten, großes Ansehen. Sharifs Einsatz für Chaudhry und rechtstaatliche Prinzipien - auch wenn er aus oppertunistischen Gründen erfolgt sein sollte - sowie seine skeptische Haltung den militärischen Aktivitäten der USA in Afghanistan und in den angrenzenden Stammesgebieten in Pakistan sind die Hauptgründe für seine Popularität. Zardari dagegen wird als williger, weil leicht erpreßbarer Handlanger Washingtons betrachtet. Presseberichten zufolge hat US-Präsident Barack Obamas Sonderbeauftragter Richard Holbrooke bei seiner jüngsten diplomatischen Mission in die Region Mitte Februar Sharif gebeten, sich nicht den Protesten der Anwaltsbewegung im März anzuschließen, weil diese das Land "destabilisieren" könnten. Doch nach dem jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshofs bleibt Pakistans derzeit beliebestem Politiker nichts anderes übrig, als sich der washington-kritischen Demokratiebewegung anzuschließen.

27. Februar 2009