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ASIEN/619: Sind die USA in Afghanistan mit Al Kaida im Bunde? (SB)


Sind die USA in Afghanistan mit Al Kaida im Bunde?

Seltsame Hubschrauber-Aktivitäten heizen Verschwörungstheorien an


Mehr als acht Jahre nach dem Einmarsch der USA und ihrer europäischen Verbündeten in Afghanistan herrscht - jedenfalls offiziell - allgemeines Rätselraten über Sinn und Zweck der NATO-Mission am Hindukusch. Ein Grund zum Beispiel, warum die große aktuelle Strategie-Debatte der Regierung Barack Obamas solange dauert, soll angeblich sein, daß sich Politiker und Militärs der USA nicht darüber verständigen können, was das Ziel in Afghanistan ist. Will man die Taliban besiegen? Kann man das überhaupt? Sollte man sie nicht lieber in irgendeine Art von Friedenslösung einbeziehen und sich auf den Kampf gegen Al Kaida beschränken, den man eventuell ohne große Truppenpräsenz, dafür um so effektiver mit Spezialstreitkräften und CIA-Drohenangriffen führen könnte? Das sind einige der Fragen, die seit Wochen im Weißen Haus und in der amerikanischen Presse heiß diskutiert werden.

Unabhängig davon, ob Obama dem NATO-Oberbefehlshaber in Afghanistan, General Stanley McChrystal die von ihm geforderten mindestens 40.000 zusätzliche Soldaten bewilligt oder doch nur 13.000 ins Kriegsgebiet entsendet, gilt die eine Alternative, nämlich der vollständige Rückzug, nach einer entsprechenden Stellungnahme Obamas vor rund eine Woche als ausgeschlossen. Das bedeutet die Fortsetzung eines Krieges, bei dem die Aufständischen in Afghanistan auf dem Vormarsch sind und der gleichzeitig Pakistan immer mehr destabilisiert. Im Nachbarland Afghanistans glauben viele Menschen, daß die Destabilisierung ihres Staates ohnehin von vornherein das Ziel Washingtons gewesen ist, um ihm die Atombombe zu entreißen, ihn als potentiellen Verbündeten der Volksrepublik China unschädlich und endgültig zu einem willfährigen Trabanten der USA zu machen. Die Pakistaner beobachten mit Argwohn die Pläne Washingtons, eine gigantische neu Botschaft in Islamabad und ein fast ebenso großes Konsulat in Peshawar, Hauptstadt der an Afghanistan grenzenden Nordwestfrontierprovinz (NWFP), zu errichten. Da in der bitterarmen NWFP die Nachfrage nach Visen zur Einreise in die USA schwindend gering sein dürfte, vermuten viele Pakistaner, daß das neue Konsulat hauptsächlich der CIA als Spionagestation dienen soll.

In den letzten Wochen drohen die USA, die Raketenangriffe, welche die CIA per Drohnen gegen mutmaßliche Taliban-Stellungen in der NWPF und den Federally Administered Tribal Areas (FATA), den autonomen Stammesgebieten entlang der Grenze zu Afghanistan, durchführt, auf die südwestliche Provinz Belutschistan auszuweiten, sollten die pakistanischen Streitkräfte nicht endlich die Umtriebe der Taliban dort unterbinden. Die Regierung in Islamabad lehnt bisher die Forderung der USA ab und weist die Behauptung Washingtons, die Taliban-Führung um Mullah Muhammed Omar operiere ungehindert von Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, aus, als völlig aus der Luft gegriffen zurück. Der Einladung der Pakistaner, ihnen die Erkenntnisse der US-Geheimdienste über den Aufenthaltsort von Omar und Konsorten zukommen zu lassen, damit sie sie erledigen können, sind die USA bis heute nicht gefolgt - vielleicht, weil es nämliche "Erkenntnisse" nicht gibt?

Zuverlässiger dagegen scheinen Berichte der letzten Jahre zu sein, wonach die Geheimdienste der USA und Indiens sunnitische Aufständische in Belutschistan mit Geld und Waffen unterstützen, um dem Iran respektive Pakistan das Leben schwer zu machen. Die USA werden seit längerem verdächtigt, die Chinesen aus Belutschistan vertreiben zu wollen, um zu verhindern, daß diese den von ihnen gebauten Tiefseehafen in Gwajar in Betrieb nehmen oder die geplante Öl- und Gaspipeline zwischen dem Iran und Pakistan in die Volksrepublik verlängern. Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Meldung der Nachrichtenagentur Agence France Presse vom 9. Oktober, wonach Großbritannien und die USA zusammen einen Stützpunkt in Belutschistan bauen, wo künftig Mitglieder ihrer Streitkräfte Soldaten und Offiziere des pakistanischen Frontier Corps ausbilden sollen - damit diese eventuell die von Washington und London favorisierte Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien-Pipeline (TAPI-Pipeline) beschützen können? Berichten zufolge fliegt die CIA bereits jetzt zumindest einen Teil ihrer Drohnenangriffe im afghanisch- pakistanischen Grenzgebiet von einem geheimen Stützpunkt in Belutschistan namens Shamsi aus.

Was Sinn und Zweck des "globalen Antiterrorkrieges" betrifft, so scheinen die sogenannten Verschwörungstheorien, die bei den Pakistanern seit langem kursieren, immer mehr auf Afghanistan überzugreifen. In einer Meldung, welche die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am 12. Oktober veröffentlichte, hieß es, am Tag davor habe der afghanische Präsident Hamid Karsai vor Journalisten erklärt, daß "in den letzten fünf Monaten einige nicht-identifizierte Hubschrauber bewaffnete Männer in den nördlichen Provinzen Baghlan, Kundus und Samagan abgesetzt" hätten und daß dieser "verdächtige Prozeß" anhalte. "Eine umfassende Untersuchung findet statt, um festzustellen, welchem Land die Hubschrauber gehören, warum bewaffnete Männer in die Region eingeschleust werden und ob die zunehmende Unsicherheit im Norden damit zusammenhängt", so Karsai. Bereits am 10. Oktober hatte Karsais Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak vor dem Parlament in Kabul die gestiegene Aktivität von Aufständischen in dem lange Zeit im Vergleich zum Süden und Osten Afghanistans friedlichen Norden unter anderem darauf zurückgeführt, daß in den letzten Monaten rund 4000 militante Islamisten aus Tschetschenien, Pakistan und Saudi-Arabien dort eingesickert wären.

In einem aufschlußreichen, gründlich recherchierten Artikel, der am 12. Oktober von dem pro-westlichen, unter anderem von George Soros und der britischen Regierung subventionierten Institute for War & Peace Reporting unter der Überschrift "Insurgents Taking Charge in Kunduz" veröffentlicht wurde, berichtete der IWPR-Korrespondent vor Ort, Gul Rahim Niazmand, über den Vormarsch der Taliban und ihrer Verbündeten im afghanischen Norden und schrieb: "Noch vor einem Jahr galt die Provinz Kundus als stabil; das Geschäft blühte, die Einwohner waren hoffnungsvoll." Heute beurteilt er die Lage ganz anders: "Kundus-Stadt, die Hauptstadt der Provinz, ist von Bezirken umgeben, die praktisch nicht mehr der Regierungkontrolle unterstehen."

Gegenüber Niazmand machte der Ingenieur Muhammed Omar, der Provinzgouverneur von Kunduz, Pakistan für die Verschlechterung der Sicherheitslage verantwortlich. Laut Omar würden die Pakistaner als Reaktion auf die Entscheidung der NATO, einen größeren Teil ihres Nachschubs über Tadschikistan und Kundus nach Afghanistan zu bringen, ausländische Kämpfer und Taliban in den Norden schleusen. Diese sollten dort für Instabilität sorgen, damit die NATO keine echte Alternative zur bisherigen Hauptransportroute über Karatschi und Peshawar habe, an der viele Personen in Pakistan, darunter Spediteure, korrupte Beamte und Militärs, mitverdienten. Sollte dies der Fall sein, dann könnten die Hubschrauber, von denen Afghanistans Präsident Karsai sprach, im Auftrag des Geheimdienstes oder des Militärs Pakistans unterwegs sein.

Doch es gibt noch eine andere brisantere Erklärungsmöglichkeit, die sich im IWPR-Bericht Niazmands verbirgt. Dort heißt es:

Der Politikanalytiker Ghulam Haidar Haidar glaubt, daß Ausländer hinter der Unsicherheit in Kundus stecken. Laut Haidar bilden die Koalitionsstreitkräfte die Aufständischen aus und rüsten sie aus, um Instabilität in Zentralasien zu verbreiten.

"Die Vereinigten Staaten wollen eine Basis, von der aus sie Rußland bedrohen können. Die politischen Interessen der USA in Zentralasien sind kein Geheimnis. Die Vereinigten Staaten können ihre Ziele nur verwirklichen, wenn die Taliban auf die andere Seite des Oxus (des Flusses Amu Darya, der die Grenze zwischen Afghanistan und Tadschikistan und Usbekistan bildet) übersetzen. Dann könnten die amerikanischen Streitkräfte im Namen des Antiterrorkrieges nach Zentralasien ziehen", erklärte er.

Haidars Version scheint bei den Einwohnern des Bezirks Chahr Dara auf Zustimmung zu stoßen. Ein örtlicher Einwohner, der seinen Namen nicht nennen wollte, insistierte darauf, daß die Taliban von den USA unterstützt würden. "Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Eines Abends brachte ich das Vieh nach Hause und habe gesehen, wie Taliban aus den amerikanischen Hubschraubern stiegen. Sie haben auch Motorräder aus diesen Flugzeugen ausgeladen. Später ging ein Mullah, den ich gut kennen, zu den Amerikanern, um sie zu sprechen, und danach flogen die Hubschrauber davon", sagte er.

15. Oktober 2009