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ASIEN/699: Software für CIA-Drohnenangriffe angeblich defekt (SB)


Software für CIA-Drohnenangriffe angeblich defekt

Rechtsstreit in Boston für US-Rüstungindustrie wenig schmeichelhaft


Hochumstritten sind die CIA-Drohnenangriffe, mit denen die US-Regierung Barack Obamas den Taliban die Nutzung der paschtunischen Stammesgebiete auf der pakistanischen Seite der Grenze zu Afghanistan als Rückzugsraum unmöglich machen und damit den Krieg am Hindukusch gewinnen will. Die Pakistaner sehen in den Angriffen wiederholte, schwere Verletzungen der Souveränität ihres Staates und stellen zudem die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in Frage. Einschätzungen pakistanischer Medien und Menschenrechtsorganisationen zufolge waren die über 1700 Menschen, die seit 2004 in Pakistan durch Hellfire-Raketen getötet worden sind, die von CIA-Drohnen aus abgefeuert wurden, zu mehr als 90 Prozent Zivilisten.

Die USA halten dagegen an ihren neuen Wunderwaffen Predator und Reaper fest. Beim Pentagon und in der CIA-Zentrale in Langley, Virginia, rühmt man sich damit, mittels Drohnenangriffe nicht wenige Mitglieder der mittleren und der Führungsebene von Mullah Mohammed Omars Taliban und Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" ins Jenseits befördert zu haben. Man beharrt auf der vermeintlichen Effektivität der umstrittenen Aktionen und behauptet, damit nur geringe "Kollateralschäden" unter der Zivilbevölkerung anzurichten, als wären pakistanische Augenzeugen und Journalisten bei ihren Angaben auf die Propaganda der NATO-Gegner hereingefallen. Bei einem Besuch in Islamabad am 29. September hatte der CIA-Chef Leon Panetta die Kritik des pakistanischen Außenministers Shah Mehmud Qureshi beiseitegewischt, klargestellt, daß die Drohnenangriffe fortgesetzt würden und behauptet, diese lieferten "hundertprozentige Ergebnisse".

Es gibt viele gute Gründe, gegenüber den Beteuerungen von Panetta Skepsis zu bewahren. Der jüngste besteht in Informationen, die darauf hindeuten, daß die Drohenangriffe noch lange nicht so präzise durchgeführt werden können, wie seitens des Pentagons und der CIA behauptet wird, weil die dem Ortungssystem für die Todesdrohnen zugrundeliegende Software nicht richtig funktioniert. Dies geht aus einem Rechtsstreit hervor, den gerade zwei in Boston ansässige Unternehmen aus der US-Informationstechnologiebranche vor Gerichten des Bundesstaates Massachusetts ausfechten und über den als erste Publikation bereits im August die linke Website Narco News berichtet hatte. Erst nachdem die englische Onlinezeitung The Register am 24. September den Bericht von Narco News ohne Angaben von Quellen kolportiert hatte, nahmen größere Presseorgane wie die Washington Post - bei ihr auf dem Blog SpyTalk von Jeff Stein am 4. Oktober - von der spektakulären Geschichte Notiz.

In dem Rechtsstreit geht es um ein Softwareprogramm namens Geospatial, das das Unternehmen Intelligent Integration Systems Inc. (IISI) vor einiger Zeit entwickelte und der Firma Netezza Corp. in Lizenz sowie bezogen auf das jeweilige Produkt nach Absprache in die von dieser gebauten Hochleistungscomputer hat installieren lassen. Als IISI jedoch die Erlaubnis verweigerte, das Programm in Computer der Reihe TwinFin einzubauen, über die die CIA-Drohnen gesteuert und deren Raketen abgefeuert werden sollen, soll Netezza es kopiert, als eigene Version installiert und dann 2009 an den US-Auslandsgeheimdienst verkauft haben. Bei der Erstellung der eigenen Raubversion soll den Softwareentwicklern von Netezza jedoch ein Fehler unterlaufen sein, weswegen nach Angaben von IISI das Programm im Einsatz nicht richtig funktioniert. Konkret bedeutet das, daß die von den über TwinFin gesteuerten Drohnen abgefeuerten Hellfire-Raketen ihre Ziele nicht genau treffen bzw. sie gänzlich verfehlen. Brisant an dem Bostoner Rechtsstreit ist zudem, daß er die geplante Übernahme von Netezza mit seinen rund 500 Mitarbeitern durch den Branchenriesen IBM für 1,7 Milliarden Dollar blockiert.

Die Meldung über die ungenaue Steuerung der CIA-Drohnen, die derzeit viel Leid und Zerstörung über das pakistanische Grenzgebiet bringen, straft die Lobhudeleien des Pentagons bezüglich der modernen Präsizionswaffen Made in the USA Lügen. Darüber hinaus erinnert sie an eine ähnliche Geschichte aus den ersten Wochen des Afghanistankrieges, über die der Schattenblick am 11. Dezember 2001 unter der Überschrift "MILITÄR/390: USA laden ihren Militärschrott über Afghanistan ab" berichtete. Noch während die westliche Presse den gewaltsamen Sturz des Taliban-"Regimes" durch die Truppen der USA und ihrer Verbündeten feierte, griff der Schattenblick eine fast untergegangene Meldung der Nachrichtenabteilung des US-Fernsehsenders CBS vom 6. Dezember auf, in der der Journalist Vincent Gonzales den möglichen Grund für die vielen Fehlschläge der US-Luftwaffe in Afghanistan identifizierte. Laut Gonzales waren die meisten Batterien für die Elektronik der ferngesteuerten Bomben und Raketen defekt - eine Tatsache, die dem Hersteller, der Firma Eagle-Picher Technologies, angeblich bekannt war. Als Quelle führte Gonzales Rick Peoples, einen früheren Mitarbeiter der Eagle-Picher-Fabrik in Joplin, Missouri, in der jedenfalls damals sämtliche Batterien für die US-Lenkwaffen produziert wurden, an.

Laut Peoples hätten viele Batterien nach der Herstellung Oberflächenrisse entwickelt, welche Feuchtigkeit hereinließen und sie defekt machten, weshalb sie vor dem Verkauf ausgetauscht hätten werden müssen. Doch weil das Eagle-Picher große Kosten verursacht hätte, hätten die Mitarbeiter die Anweisung erhalten, die Risse in den Batterien mit Sekundenkleber zu übertünchen. Damit dürften die Batterien zwar die Inspektion überstanden und beim Einbau in das jeweilige Steuerungssystem völlig in Ordnung ausgesehen haben, doch durch die Wirkung von Hitze und Kälte hätte sich der Kleber innerhalb kürzester Zeit zusammengezogen und es wäre wieder der ursprüngliche Riß entstanden, der wiederum die für das Bauteil tödliche Feuchtigkeit hereinließ. "Eagle-Picher hat dies nicht bei Hunderten, nicht bei Hunderttausenden, sondern bei Millionen von verkauften Batterien gemacht", so Peoples, deren Angaben später von weiteren Arbeitskollegen bestätigt wurden. Beim Sturz der Taliban soll die US-Luftwaffe so viele Lenkwaffen wie bei keinem anderen Krieg vorher eingesetzt haben - ohne sich offenbar groß Gedanken darüber zu machen, ob diese ihr eigentliches Ziel treffen oder nicht. Schließlich kommt es auf dem Schlachtfeld - der ganzen Präzisionswaffenmythologie zum Trotz - immer noch auf die Masse der eingesetzten Waffen an.

12. Oktober 2010