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ASIEN/706: $511.000.000 für Ausbau der US-Botschaft in Kabul (SB)


$511.000.000 für Ausbau der US-Botschaft in Kabul

Obamas Abzugspläne aus Afghanistan werden zur Fata Morgana


Nach den deutlichen Erfolgen der Republikaner bei den Zwischenwahlen am 2. November zum US-Kongreß, bei denen die Grand 'Ol Party (GOP) die Demokraten als Mehrheitsfraktion im Repräsentantenhaus abgelöst und dasselbe Ziel im Senat nur knapp verfehlt hat, dürfte in den kommenden Wochen und Monaten die Außenpolitik Washingtons wieder von einem aggressiveren Ton gekennzeichnet sein. Sicher ist, daß die Republikaner, die Präsident Barack Obama vorwerfen, gegenüber Israel zu streng, dafür gegenüber dem Iran zu nachgiebig zu sein, die lodernde Konfrontation Washingtons mit dem ihnen verhaßten "Mullah-Regime" in Teheran anfachen werden. Ebenso steht fest, daß sie einen dicken Strich durch Obamas Plan, ab Juli 2011 mit dem Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan zu beginnen, machen wollen. In einer Pressemitteilung vom 3. November hat Buck McKeon, republikanischer Kongreßabgeordneter aus Kalifornien, der aller Voraussicht nach ab kommendem Januar den Vorsitz des Verteidigungsausschusses im Repräsentantenhaus innehaben wird, angekündigt, er und seine Parteikollegen würden dafür sorgen, daß die "mutigen Soldaten" Amerikas, die in Afghanistan, im Irak und anderswo Krieg gegen "Al Kaida und ihre terroristischen Verbündeten" führten, ausreichend Zeit, Ausrüstung und sonstige Ressourcen erhielten, um ihre Mission zu erfüllen.

Auch ohne die patriotische Protzerei der wiedererstarkten Republikaner entwickelt sich der Abzugstermin, auf dessen Einhaltung Obama Ende letzten Jahres seine beiden wichtigsten Militärs, den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs Admiral Michael Mullen und General David Petraeus, damals CENTCOM-Chef, heute NATO-Oberbefehlshaber in Afghanistan, eingeschworen zu haben meinte, immer mehr zur Fata Morgana. Unverhohlen hat Petraeus eine Verringerung der Zahl der in Afghanistan stationierten US-Soldaten, die derzeit bei mehr als 100.000 liegt, von "Bedingungen vor Ort" abhängig gemacht. Obama hat sich nicht getraut, dem Lieblingsgeneral der US-Medien zu widersprechen. Der Präsident hat für Dezember Beratungen der militärischen und zivilen Führung der USA über die Lage in Afghanistan anberaumt. Doch vom großen Powwow im Weißen Haus ist wenig zu erwarten, seit am 28. Oktober der britische Generalmajor Nick Carter, der nach Petraeus ranghöchste NATO-Militär in Afghanistan, erklärt hat, daß man sich vor dem kommenden Sommer über Erfolg oder Mißerfolg der aktuellen und eventuell kriegsentscheidenden Operation zur Vertreibung der Taliban aus ihrer Hochburg Kandahar kein Urteil wird erlauben können.

Während CIA und Pentagon ihre Stützpunkte in Afghanistan kräftig ausbauen, will das State Department, das seit fast zwei Jahren von Hillary Rodham Clinton geleitet wird, dem nicht nachstehen. Nach der Errichtung der größten Botschaft der Welt in der sogenannten Grünen Zone in Bagdad - Ort der einstigen Präsidentenpaläste von Saddam Hussein -, hat am 3. November das US-Außenministerium ein weiteres Großprojekt angekündigt. Für 511 Millionen Dollar soll die US-Botschaft in Kabul kräftig ausgebaut werden. Der Auftrag geht an das amerikanische Bauunternehmen Caddell Construction. Bei der Bekanntgabe der Auftragsvergabe behaupteten Vertreter der U.S. Department of State Overseas Building Operations, die Errichtung neuer Büroräume und Unterkünfte an der Botschaft in der afghanischen Hauptstadt würde dort 1500 Arbeitsplätze schaffen und 200 Millionen Dollar in die örtliche Wirtschaft fließen lassen. In einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters hieß es, das Bauvorhaben des State Departments in Kabul sei ein "Zeichen des Engagements" der USA in Afghanistan.

Dafür fehlt es an Zeichen dafür, daß sich die Amerikaner ernsthaft bei den Friedensgesprächen, die Präsident Hamid Karsai mit den Taliban zu führen versucht, engagieren. Im Gegenteil scheinen die Amerikaner in den Gesprächen lediglich eine Gelegenheit zu sehen, die verschiedenen Gruppen innerhalb des afghanischen Widerstands gegeneinander auszuspielen. In einem Artikel mit der Überschrift "Killing Reconciliation", der in der Printausgabe der US-Politzeitschrift Nation vom 15. November zu lesen ist, jedoch bereits am 27. Oktober ins Internet gestellt wurde, schreibt der Journalist und Buchautor Jeremy Scahill unter Verweis auf die Gespräche von einer "psychologischen Operation", mit der die US-Generalität die Taliban und ihre Verbündeten schwächen wolle. Inwieweit dies gelingen wird, ist natürlich eine andere Frage. In einem Exklusivartikel für die Asia Times Online, der am 30. Oktober unter der Überschrift "Taliban peace talks come to a halt" erschienen ist, berichtete der Pakistankorrespondent Syed Saleem Shahzad, der offenbar über gute Quellen in Aufständischenkreisen beiderseits der afghanisch-pakistanischen Grenze verfügt, die Männer um Mullah Muhammed Omar sowie vom Hakkani-Netzwerk hätten "die Falle" der Amerikaner durchschaut und bereiteten sich auf eine weitere Eskalation des Krieges vor.

4. November 2010