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ASIEN/825: Führen Gespräche in Katar zum Frieden in Afghanistan? (SB)


Führen Gespräche in Katar zum Frieden in Afghanistan?

Afghanistans Regierung und die Taliban treten in Doha in Kontakt


Ungeachtet des Beginns ihrer Frühjahrsoffensive haben sich Vertreter der afghanischen Taliban am 3. und 4. Mai in Katar mit einer Delegation der Regierung und des Parlaments aus Kabul getroffen. Weil die Planung quasi bis unmittelbar vor dem Treffen streng geheim gehalten wurde, war man bislang davon ausgegangen, daß die Vermittlungsbemühungen, um die der neue afghanische Präsident Aschraf Ghani Ende letzten Jahres Pakistan gebeten hatte, gescheitert wären. Offenbar ist dem nicht so. Auch wenn in Katar nicht der ganze große Durchbruch erzielt worden ist, so sind Kabul und die Taliban immerhin zum ersten Mal seit Jahren wieder in direkten Kontakt getreten, wodurch die Chancen, den seit über 30 Jahren tobenden Krieg in Afghanistan zu beenden, wieder gestiegen sind.

Ausdrücklich galten die Gespräche nicht als Verhandlungen, sondern als Begegnung afghanischer Privatpersonen, die auf verschiedenen Seiten des Konfliktes am Hindukusch stehen und in lockerer Runde mit ihren Gegnern die Möglichkeit einer Friedensregelung ausloten wollten. Zu dem Treffen hatte die Pugwash-Konferenz, die 1995 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, eingeladen. Die Rolle des Gastgebers übernahm das katarische Außenministerium.

An dem zweitägigen Treffen in einem luxuriösen Strandhotel in dem Badeort Al-Khor nördlich von Doha nahm für den afghanischen Staat eine 20köpfige Delegation teil, zu der Attaullah Ludin und Mohammad Ismail Qasimyar, der Vizechef respektive der Leiter der außenpolitischen Abteilung des Afghanistan High Peace Council (HPC)), Präsident Ghanis Onkel, der frühere Diplomat Qayyum Kochai, einige Ex-Taliban die sich schon länger mit der Regierung in Kabul versöhnt haben, Vertreter der Volksgruppen der Tadschiken, Usbeken und Paschtunen sowie mehrere Frauen teil.

Die achtköpfige Delegation der Taliban wurde von deren früherem Stellvertretenden Außenminister Sher Mohammad Abbas Stanekzai, dessen Name auf der UN-Sanktionsliste steht, angeführt. Begleitet wurde Stanekzai unter anderem von Sohail Shaheen, dem früheren Leiter jenes Büros der Taliban in Katar, das 2013 im Rahmen einer früheren Friedensinitiative eingerichtet, jedoch nach nur einem Monat wegen eines Streits um das Hissen der Fahne des Islamischen Emirats Afghanistan wieder geschlossen wurde, und zwei Vertretern der Hisb-i-Islami des früheren afghanischen Premierministers und heutigen "Topterroristen" Gulbuddin Hekmatyar. Anwesend waren auch Diplomaten aus China, Pakistan und den USA, wenngleich Peking, Islamabad und Washington dies nicht offiziell bestätigen wollten.

Bei dem Treffen, das die Taliban als eine "Forschungskonferenz" und die afghanische Regierung als eine "wissenschaftliche Diskussion" verstanden haben wollten, war die ausländische Militärpräsenz in Afghanistan das Hauptstreitthema. Während die Taliban ihre Kernforderung nach dem Abzug aller Besatzungstruppen erneuerten, argumentierten die Regierungsvertreter, das Ziel ließe sich erreichen, wenn die Aufständischen ihren Kampf dauerhaft einstellten. Um den Weg für künftige Friedensverhandlungen freizumachen, haben die Taliban ihre Bedingung, vor Beginn solcher Gespräche müßten sämtliche ausländischen Militärs Afghanistan verlassen haben, fallengelassen. Ihrerseits erklärte sich die Regierungsseite prinzipiell dazu bereit, über von den Taliban verlangte Änderungen der afghanischen Verfassung in Richtung Scharia-Gesetz zu diskutieren. Gleichwohl bekannten sich alle Beteiligten uneingeschränkt zur Schulbildung für Mädchen und Frauen.

Obwohl keiner der Anwesenden während der zweitägigen Konferenz gegenüber den zahlreichen, wartenden Medienvertretern eine Stellungnahme geschweige denn einen Kommentar abgab, nutzten die Teilnehmer die Pausen zwischen den Diskussionsrunden, um in kleineren Gruppen Spaziergänge vor dem Hotelgebäude zu unternehmen und sich dabei von den Pressefotografen ablichten zu lassen. Auf diese Weise sollte der gemeinsame Wille aller Afghanen zur Versöhnung öffentlich demonstriert werden. Immerhin ein konkretes Ergebnis hatten die Vorgespräche von Katar. Das bereits erwähnte politische Büro der Taliban in Doha soll in Kürze wieder geöffnet werden, um als Begegnungs- und Verhandlungsort zu fungieren. Ob über dem Gebäude künftig die weiß-schwarze Fahne des Islamischen Emirats Afghanistan wehen darf, ging aus der Abschlußerklärung der Pugwash-Organisation nicht hervor.

6. Mai 2015


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