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ASIEN/886: Korea-Konflikt - Mordsambivalenz ... (SB)


Korea-Konflikt - Mordsambivalenz


Nach den 23. Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang, die am 25. Februar zu Ende gingen, scheinen die Chancen auf eine diplomatische Lösung der Koreakrise leicht gestiegen zu sein. Unter einer Fahne traten bei den zweiwöchigen Wettkämpfen die Sportler aus Nord- und Südkorea gemeinsam auf. Zur Eröffnungsfeier am 9. Februar schickte Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un extra seine Schwester Kim Yo Jong, die Südkoreas Präsident Moon Jae-in eine Einladung zu Gesprächen in Pjöngjang persönlich überreichte und sonst durch ihre offene Art die in Südkorea allgemein herrschende Skepsis gegenüber dem kommunistischen Bruderstaat im Norden leicht dämpfen konnte. Doch letztendlich wird die Entscheidung zwischen Krieg oder Frieden auf der koreanischen Halbinsel in Washington getroffen, und die Signale von dort sind nicht gerade beruhigend.

US-Präsident Donald Trump, der im vergangenen September vor der UN-Generalversammlung mit der völligen Vernichtung Nordkoreas drohte, sollte Pjöngjang nicht auf weitere Raketentests verzichten und sein mühsam aufgebautes Atomwaffenarsenal verschrotten, hat die Gelegenheit des Besuchs des australischen Premierministers Malcolm Turnbull im Weißen Haus genutzt, um neue Sanktionen des Finanzministeriums in Washington gegen 28 Schiffe zu verkünden, die unter den Flaggen Chinas, Singapurs, Taiwans, Hongkongs, der Marshall-Inseln, Tansanias, Panamas und der Komoren-Inseln segeln und die im Verdacht stehen, die bestehenden Handelssanktionen der Vereinten Nationen zu umgehen und Nordkorea weiterhin mit lebenswichtigen Gütern wie Treibstoff und Nahrungsmitteln zu versorgen.

Es besteht nun ernsthaft die Gefahr, daß die Trump-Regierung unter Berufung auf die neuen unilateralen Sanktionen das Entern und die Durchsuchung verdächtiger Schiffe im internationalen Gewässern nahe der koreanischen Halbinsel durch US-Marinestreitkräfte anordnen könnte. Eine solche Maßnahme wäre aus der Sicht Pjöngjangs ein eklatanter Akt der Piraterie und eventuell auch ein Kriegsgrund. Wenig überraschend hatte am Tag nach dem Treffen Trumps mit Turnbull das nordkoreanische Außenministerium die neuen US-Sanktionen als "kriegerische Handlung" verurteilt, sich jedoch die Ankündigung irgendwelcher Vergeltungsmaßnahmen erspart. Schließlich befinden sich die USA und Nordkorea seit 1950 ohnehin im Dauerkriegszustand. Der Koreakrieg wurde 1953 lediglich durch einen Waffenstillstand unterbrochen. Also herrscht beiderseits der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad formell bis heute der Kriegszustand.

Zu den Schlußfeierlichkeiten der Winterolympiade kam eine ranghohe Delegation aus Pjöngjang, angeführt von Kim Yong-chol, dem 72jährigen Stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralkomitees der in Nordkorea regierenden Arbeiterpartei. Beim Treffen mit Präsident Moon in dessen Amtssitz, dem Blauen Haus in Seoul, erklärte Kim, Nordkoreas Führung sei in Prinzip zu Verhandlungen über alle strittigen Fragen bereit. Für Pjöngjang sei das Ziel der Abbau von Spannungen und die Annäherung der beiden koreanischen Staaten bis hin zur eventuellen Wiedervereinigung der Halbinsel, sagte er. Zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit Pjöngjangs gehörten der von Kim geführten Delegation führende Mitarbeiter des nordkoreanischen Atomprogramms sowie Vertreter der USA-Abteilung im Außenministerium in Pjöngjang an.

Präsident Moon befindet sich nun in einem Dilemma. Während die Nordkoreaner mit den USA verhandeln wollen, sind letztere ihrerseits nur dazu bereit, wenn Pjöngjang seine Kernwaffen zur Disposition stellt. Kim Jong-un beharrt jedoch darauf, daß die USA Nordkorea den Respekt entgegenbringen, der aus seiner Sicht einer Atommacht gebührt. Ob sich die USA jemals dazu herablassen werden, ist fraglich. Bislang wollten die Amerikaner nicht einmal in bilaterale Verhandlungen mit den Nordkoreanern treten, sondern insistierten stets darauf, diese nur im Rahmen multilateraler Gespräche, das heißt in Anwesenheit von Russen, Chinesen, Japan und Südkorea, abzuhalten.

Von US-Präsident Trump, der den Druck auf Nordkorea aufrechterhalten will, auch wenn sich dieser bisher als vollkommen kontraproduktiv erwiesen hat, gehen beunruhigende Signale aus. In Reaktion auf das Treffen Moon-Kim erklärte er am 26. Februar, die USA wollten ebenfalls mit den Vertretern Nordkoreas sprechen, "jedoch nur unter den richtigen Bedingungen". "Ansonsten werden wir uns an keinen Gesprächen beteiligen", so Trump. Drei Tage zuvor hatte Trump erklärt, daß die USA, sollten die neuen Sanktionen nicht "funktionieren", "zu Phase 2 übergehen werden müssen". "Phase 2 könnte sehr unangenehm ausfallen - könnte für die Welt sehr, sehr unglücklich sein", so Trump.

Die ominösen Worte des windigen Immobilienmagnaten decken sich mit dem, was der republikanische Senator aus Idaho, James Risch, am 17. Februar bei einer Podiumsdiskussion auf der Münchner Sicherheitskonferenz ausgeplaudert hat. Laut Risch, der Mitglied im außenpolitischen Ausschuß des Senats ist und in dieser Funktion mit leitenden Vertretern der Trump-Regierung ausführliche Gespräche geführt hat, ist der amtierende US-Präsident zu einem "sehr, sehr kurzen" Krieg mit Nordkorea bereit, der sich jedoch als "eines der katastrophalsten Ereignisse in der Geschichte unserer Zivilisation" erweisen könnte. Im April findet in Südkorea und der umliegenden Küstenregion das alljährliche Großmanöver Foal Eagle/Key Resolve der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte statt. Womöglich wird es dieses Jahr beim Kriegsspiel nicht bleiben.

28. Februar 2018


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