Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/892: Südchinesisches Meer - USA auf Konfliktsuche ... (SB)


Südchinesisches Meer - USA auf Konfliktsuche ...


Kaum, daß sich die Korea-Krise etwas entspannt, da flammt der Streit um das Südchinesische Meer wieder auf. Beide Probleme haben ihre Wurzel in der zunehmenden Rivalität zwischen den USA und China. Nordkorea ist seiner Rolle als Puffer zwischen den beiden Großmächten überdrüssig, strebt die Wiedervereinigung mit Südkorea an und ist dafür bereit, auf sein Atomwaffenarsenal zu verzichten. Ob Washington oder Peking der Friedenskurs Pjöngjangs mehr nützt, muß sich noch zeigen. Das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un, das im Mai oder Juni stattfinden soll, dürfte erste Anzeichen liefern, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln werden.

Seit in der November-Dezember-2011-Ausgabe der renommierten diplomatischen Fachzeitschrift Foreign Affairs Hillary Clinton als Außenministerin Barack Obamas das 21. Jahrhundert vollmundig zu "America's Pacific Century" erklärte, befinden sich die USA und China langsam, aber sicher auf Konfrontationskurs. Unter Obama wurden wichtige Komponente der amerikanischen Kriegsmaschinerie in den pazifischen Raum verlegt, um China "einzudämmen". Dazu gehörten die Errichtung eines Stützpunktes der US-Marines nahe der nordaustralischen Stadt Darwin, die Stationierung von Patriot-Raketen samt der dazugehörigen Leitsysteme in Südkorea und Japan, die Vorverlagerung von Langstreckenbombern nach Guam sowie regelmäßige Patrouillenfahrten von US-Kriegsschiffen durch das Südchinesische Meer. Gleichzeitig bemüht sich Washington unablässig, mit Indien, Japan und Australien eine Anti-China-Militärallianz zu schmieden.

Gemäß der eigenen historischen Neun-Strich-Linie erhebt China Anspruch auf fast das gesamte Südchinesische Meer und kollidiert dabei mit Interessen vor allem Vietnams im Westen und der Philippinen im Osten. Washington drängt sowohl Hanoi als auch Manila zu einer konfrontativen Haltung gegenüber Peking - jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Zwar dürfen US-Kriegsschiffe gelegentlich die Seehäfen Vietnams besuchen, doch die Philippinen haben sich aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Volksrepublik für die Zusammenarbeit mit China entschieden. Anfang April gab Jose Santiago Santa Romana, der Botschafter der Philippinen in der Volksrepublik, bekannt, beide Länder würden demnächst ein umfassendes Abkommen über Fischereirechte sowie Öl- und Gasgewinnung im Südchinesischen Meer beschließen. Das sagte Romana bei einem Besuch auf der Insel Hainan, wo Chinas Atom-U-Boote ihren Heimathafen haben. Die chinesischen Streitkräfte bauen deshalb in letzter Zeit zahlreiche Insel und Riffe im Südchinesischen Meer aus, damit im Ernstfall jene in Hainan liegenden U-Boote ausbrechen, es in die Tiefen des pazifischen Ozeans schaffen und so Pekings Zweitschlagskapazität gewährleisten können.

Doch hier verfügen die USA über eine Trumpfkarte, die sie, obwohl sie hochbrisant ist, über kurz oder lang ausspielen werden, solange nicht die Rivalität mit China in eine Partnerschaft verwandelt wird. Diese Trumpfkarte heißt Taiwan, die nördlich der Philippinen etwa 100 Kilometer vor der Küste des chinesischen Festlands auf einer Linie zwischen Hainan im Westen und Okinawa, sprich Südjapan, im Osten liegt. Anfang der siebziger Jahre traf sich Richard Nixon mit Mao Zedong in Peking. Unter Nixons Nachfolger Jimmy Carter haben die USA die Volksrepublik als offizielle Vertreterin Chinas und Taiwans in dem Zusammenhang aberkannt. Damit ging Chinas ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat von Taipeh an Peking über. 1979 haben sich die USA zur Einheit Chinas - der sogenannten "Ein-China-Politik" - bekannt, gleichwohl die friedliche Vereinigung der Volksrepublik mit Taiwan zur Bedingung gemacht und sich für den Notfall zur Schutzmacht der abtrünnigen Insel erklärt.

Seit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten in November 2016 steht ein Fragezeichen neben dem Bekenntnis Washingtons zur "Ein-China-Politik". Noch vor der Amtsübernahme im Januar 2017 hat der New York Baulöwe die Volkschinesen durch ein Telefonat mit der Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen, die als Unabhängigkeitsbefürworterin bekannt ist, in Rage versetzt. Beim Besuch Xi Jinpings in Florida im März 2017 hat Trump beim Abendessen den chinesischen Staatspräsidenten mit der Nachricht eines überraschenden Raketenangriffs der US-Streitkräfte gegen einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee brüskiert. Trump wollte Xi demonstrieren, wo der Hammer hängt. Als in vergangenen November das Ehepaar Trump mit Xi und seiner Gattin in Pekings Verbotener Stadt dinierte, erklärte der chinesische Staatschef dem amerikanischen Amtskollegen unmißverständlich, daß Taiwan "das wichtigste, sensibelste Kernthema der amerikanisch-chinesischen Beziehungen" sei und äußerte die Hoffnung, "daß sich die USA weiterhin penibel an die Ein-China-Politik halten" würden.

Derzeit sieht alles danach aus, als würde Trump die Ermahnungen Xis ignorieren und als würden die Hoffnungen des mächtigsten Mannes von China unerfüllt bleiben. In ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie vom Dezember 2017 haben die USA den "Antiterrorkrieg" auf Platz zwei herabgestuft und der Konkurrenz zu den "revisionistischen" Großmächten China und Rußland die höchste Priorität eingeräumt. Mit Strafzöllen und Handelshemmnissen versucht die Trump-Regierung den wirtschaftlichen Vormarsch der Chinesen zu stoppen. Wie schlecht die Dinge bestellt sind, zeigt die Tatsache, daß das Pentagon vor zwei Tagen die Nutzung von Mobiltelefonen Made in China auf US-Militärbasen verboten hat, während Washington mit dem Argument der "nationalen Sicherheit" den Zugang chinesischer Telekommunikationsunternehmen wie Huawei und ZTE zum amerikanischen Elektronikmarkt zu begrenzen gedenkt.

Noch im April hat der US-Kongreß ein Gesetz verabschiedet, das die gegenseitige Besuchstätigkeit amerikanischer und taiwanesischer Politiker und Militärs im verstärkten Maße empfiehlt. Zudem hat Washington den Verkauf von US-Blaupausen zum Bau hochmoderner U-Boote an die Taiwanesen gebilligt. Ebenfalls im April ernannt Trump John Bolton zum neuen Nationalen Sicherheitsberater. Der ehemalige UN-Botschafter George W. Bushs gilt als energischer Verfechter einer Militärallianz zwischen Taiwan und den USA. Für den neokonservativen Ideologen sind die USA moralisch dazu verpflichtet, das demokratische Taiwan vor einer möglichen gewaltsamen Einverleibung durch das kommunistische Festland zu schützen, selbst wenn dies ein Atomkrieg zur Folge haben sollte.

In den vergangenen Wochen haben die chinesischen Streitkräfte im Südchinesischen Meer eine Reihe von Großmanövern durchgeführt, in deren Zusammenhang die Volksmarine die Taiwanstraße durchkreuzt und vor der taiwanesischen Küste Schießübungen mit echter Munition durchgeführt hat. Hinzu kommen immer regelmäßigere Patrouillenflüge der chinesischen Luftwaffe um Taiwan herum. Am 2. Mai meldete die Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders NBC, daß die chinesischen Streitkräfte auf drei der nahe Vietnam liegenden Spratley-Inseln - Fiery Cross Reef, Subi Reef und Mischief Reef - Boden-Luft- sowie Anti-Schiffs-Raketen stationiert haben. Gegen die "Militarisierung" des Südchinesischen Meers hat Washington formell protestiert. Peking hat den Bau und die Bestückung der Raketenstellungen bestätigt und sie als reine Defensivmaßnahme deklariert. Wer nicht die Souveränität Chinas zu verletzen beabsichtige, brauche sich keine Sorgen zu machen, hieß es aus dem chinesischen Außenministerium. Die Frage der Souveränität Chinas im allgemeinen und der Zugehörigkeit Taiwans im besonderen dürfte in den kommenden Wochen und Monaten heiß diskutiert werden.

4. Mai 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang