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ASIEN/928: Koreakonflikt - Neurorientierung ... (SB)


Koreakonflikt - Neuorientierung ...


Fast zwei Monate nach dem gescheiterten Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden Kim Jong-un sind die Auswirkungen noch immer spürbar - und das ganz im negativen Sinne. Der Optimismus von 2018, als im Frühjahr Kim und der südkoreanische Präsident Moon Jae-in an der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad zusammentrafen und gemeinsam die Vision eines friedlichen und vereinigten Koreas entwarfen, worauf es im Sommer zum harmonischen ersten Treffen der Geschichte zwischen den Staatsoberhäuptern der USA und Nordkoreas in Singapur kam, ist verflogen. An seine Stelle kehren das alte Mißtrauen und eine Verhärtung der Fronten zurück, die jeden Kompromiß hin zur Beendigung des seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindlichen Koreakriegs unmöglich machen.

Für die enttäuschten Hoffnungen sind allein die Vertreter Washingtons verantwortlich. Im Vorfeld des Gipfeltreffens in Hanoi hatten sich der amerikanische und der nordkoreanische Chefunterhändler, Stephen Biegun und Kim Yong-chol, in monatelanger Arbeit auf einen Fahrplan geeinigt, der die komplette Stillegung der Atomfabrik Yongbyon unter Aufsicht internationaler Experten gegen die Aufhebung einiger der schwersten US-Wirtschaftssanktionen beinhaltete. Die Nordkoreaner sahen sich jedoch düpiert, als die US-Delegation in der vietnamesischen Hauptstadt auf maßgebliches Betreiben von Außenminister Mike Pompeo und Trumps Nationalem Sicherheitsberater John Bolton plötzlich mit neuen Forderungen zum Beispiel nach einer Auflistung aller atomaren, biologischen und chemischen Waffen kamen und erneut die komplette Denuklearisierung Pjöngjangs verlangten, bevor es zu Lockerungen des Sanktionsregimes kommen könne. Kim selbst bekam das wahre Gesicht seines "neuen Freunds" Trump zu sehen, als der windige New Yorker Geschäftsmann den vorzeitigen Abbruch der Verhandlungen als Beweis für die eigene Standfestigkeit inszenierte und die Welt mit der Behauptung belog, die Nordkoreaner hätten völlig illusorisch die Aufhebung aller Sanktionen gegen den Abbau nur eines Teils ihres Atomprogramms verlangt.

Als Reaktion auf das Scheitern von Hanoi - von Verhandlungen im eigentlichen Sinne kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein - hat Kim eine umfassende Regierungsumbildung in Pjöngjang durchgeführt. Unter anderem ging der bisherige Stellvertretende Staatsratsvorsitzende, der 91jährige Kim Yong Nam, in seinen wohlverdienten Ruhestand und wurde durch Choe Ryong Hae, einen engen Vertrauten des 35jährigen Kim Jong-un, ersetzt. Kim Yong-chol gehört weiterhin dem Staatsrat an, seine Stimme dürfte jedoch nach der Absage Trumps an das mit Biegun vereinbarte Maßnahmenpaket künftig weniger Gewicht haben. Ungeachtet des Ausbleibens von US-Sanktionserleichterungen hat Kim Jong-un die Stärkung der nordkoreanischen Wirtschaft zum wichtigsten Staatsziel der nächsten Zeit erklärt. Um die wirtschaftliche "Autonomie" Nordkoreas zu erhöhen, hat Kim eine Einladung nach Wladiwostok angenommen und wird sich in den kommenden Wochen in der ostsibirischen Hafenstadt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen.

In seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation hat Kim am 11. April "mehr Flexibilität" seitens der USA gefordert, sonst hätten weitere Atomverhandlungen keinen Sinn. So in etwa dürfte Südkoreas Präsident Moon, der mit seinen ehrgeizigen Plänen zum Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu Nordkorea nun auf der Stelle tritt, die Dinge auch sehen. Um für neue Bewegung in der festgefahrenen Situation zu sorgen, reiste er am 15. April nach Washington, kehrte jedoch von dort mit leeren Händen zurück. Trump lobte im Beisein Moons sowie vor der internationalen Presse sein "exzellentes" Verhältnis zu Kim Jong-un und gab sich jedenfalls verbal für eine schrittweise "Denuklearisierung" Nordkoreas offen. Außenminister Pompeo dagegen beharrte auf der Politik des "maximalen Drucks". Pjöngjang müsse die Bedingungen der USA nach Beseitigung seines gesamten Atomwaffenarsenals erfüllen, bevor Nordkorea in den Genuß amerikanischer Sanktionserleichterungen komme, so der Ex-CIA-Chef.

Die Antwort Nordkoreas auf die erneute Provokation des West-Point-Absolventen, der sich selbst für einen militärischen Strategen mit Weitblick hält, ließ nicht lange auf sich warten. Am 18. April meldete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA, Kim Jong-un habe am selben Tag dem Test einer "neuen taktischen Lenkwaffe" beigewohnt. Nun rätseln alle, worum es sich dabei handelt. Um eine neuartige Panzerrakete oder vielleicht einen Marschflugkörper? Niemand außer den Nordkoreanern weiß es. So oder so hat Pjöngjang die eigene Kampfbereitschaft erneut unterstrichen, ohne dabei den von Kim Jong-un Ende 2017 verhängten Stopp aller Tests ballistischer Raketen und nuklearer Sprengköpfe aufzuheben. Am selben Tag erklärte Außenamtssprecher Kwon Jong Gun, Pjöngjang wünsche sich künftig anstelle Mike Pompeos einen anderen Gesprächspartner, der über "mehr Vorsicht und Reife" verfüge. Jedesmal wenn Pompeo "seine Nase in die Verhandlungen" stecke, laufe alles schief, so Kwon. Bolton, den die Nordkoreaner, als er unter George W. Bush der für Rüstungskontrolle und Terrorismusbekämpfung zuständige Staatssekretär im State Department war, als "menschlichen Abschaum" und "Made" bezeichnet hatten, blieb in diesem Zusammenhang vorerst unerwähnt.

23. April 2019


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