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JUSTIZ/638: Juristenvereinigung beklagt den Antiterrorkrieg (SB)


Juristenvereinigung beklagt den Antiterrorkrieg

Mary Robinson und Stella Rimington lehnen Bushs Kreuzzug ab


Nach der Ablösung der Regierung George W. Bushs durch die Barack Obamas in den USA gibt es Bemühungen, die zahlreichen Rechtsbrüchen, die sich die amerikanischen Behörden in den letzten acht Jahren geleistet haben, zumindest teilweise rückgängig zu machen. Am 19. Februar haben 18 Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief vom Kongreß die Einrichtung einer unabhängigen, hochrangig besetzten Kommission gefordert, welche die Mißhandlung von Gefangenen in Verbindung mit dem von Bush nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 ausgerufenen "globalen Antiterrorkrieg" untersuchen soll. Zu den Mitunterzeichnern des Briefes gehörten der ehemalige FBI-Chef William Sessions, Thomas Pickering, einer der erfahrensten Diplomaten des State Department, und Ex-General Antonio Taquba, dessen schonungsloser Bericht über die Mißhandlungen 2004 im US-Militärgefängnis im irakischen Abu Ghraib weltweit für Schlagzeile sorgte und Donald Rumsfelds Pentagon schwer in Mißkredit brachte.

Eine solche Kommission könnte schwere innenpolitische Folgen haben (weshalb vermutlich die Demokraten und Republikaner im Repräsentantenhaus und Senat die Forderung der Menschenrechtsorganisationen ignorieren werden). Am 14. Februar berichtete das Nachrichtenmagazin Newsweek von einem internen Untersuchungsbericht des Justizministeriums, demzufolge sich diejenige Anwälte der Bush-Regierung, John Yoo, Jay Bybee und Stephen Bradbury, die 2002 die Folter von mutmaßlichen "Terroristen" für rechtmäßig, wenn vom Präsidenten genehmigt, erklärten, eventuell strafbar gemacht haben. Der Rechtsbruch kam dadurch zustande, daß die drei Bush-Juristen ihre Expertisen den politischen Erfordernissen des "Antiterrorkrieges" angepaßt und dadurch die Gesetze auf unethische Weise gebeugt haben. Das Ergebnis des Berichtes des Office of Professional Responsibility (OPR), der bereits seit dem letzten Jahr vorliegt, soll Michael Mukasey derart verärgert haben, daß sich Bushs letzten Justizminister geweigert hat, sie anzunehmen. Jetzt muß Mukaseys Nachfolger Eric Holder entscheiden, was er mit dem Bericht, in dem Disziplinarverfahren gegen Yoo, Bybee und Bradbury empfohlen wird, macht.

Während dessen hat die in Genf ansässige International Commission of Jurists unter dem Vorsitz der ehemaligen irischen Präsidentin Mary Robinson die Unternimierung nationaler und internationaler Rechtsnormen unter dem Vorwand der "Terrorbekämpfung" beklagt. Nach dreijähriger Arbeit hat die ICJ am 16. Februar einen eigenen Bericht veröffentlicht, in dem sie zu dem Schluß kommt, daß seit 2001 in den westlichen Demokratien zahlreiche bisherige Menschenrechte ausgesetzt oder abgebaut wurden. Vor allem die USA und Großbritannien hätten zahlreiche Gesetze zum Schutz des Bürgers vor staatlicher Willkür - Habeaskorpusakte zum Beispiel - praktisch außer Kraft gesetzt. Nach Meinung der Juristen vom ICJ reichten die Gesetze, wie sie vor dem 11. September existierten, vollkommen aus, um dem Problem des "internationalen Terrorismus" Herr zu werden, weshalb man eine Rückkehr zu den damaligen Normen forderte. Zumal Robinson und Co. die Ansicht vertreten, daß die willkürliche Behandlung von "Terrorverdächtigen" die westlichen Demokratien internationalen diskreditiert und ihre Gegner stärkt.

Ähnlich sieht es Dame Stella Rimington, die von 1992 bis 1996 Chefin des britischen Inlandsgeheimdienst MI5 war. In einem ebenfalls am 16. Februar veröffentlichten Interview mit der spanischen Zeitung La Vanguardia, das weltweit für Schlagzeilen sorgte, beklagte die heute 73jährige Rimington die neuen "Antiterrorgesetze", die Großbritannien zusehends in einen "Polizeistaat" verwandelten. In den letzten Jahren hat sich Rimington als eine der schärfsten Kritiker des Versuchs der Londoner Regierung, die Frist, die man "Terrorverdächtige" ohne Anklage hinter Gitter halten darf, auf 42 Tage zu erhöhen, hervorgetan. Im bereits erwähnte ICJ-Bericht wurde beklagt, daß die derzeitige Frist in Großbritannien, 28 Tage, zu den höchsten der Welt gehört. In La-Guardia-Interview ließ Rimington, die in führender Position jahrelang am Kampf Großbritanniens gegen die Irisch- Republikanische Armee (IRA) teilnahm, an der Haltung der USA kein gutes Haar. Mit "Guantánamo und Folter" hätte die Bush-Regierung den Bogen überspannt; heute gäbe es vielmehr "Selbstmordterroristen" als vor acht Jahren, so Rimington.

21. Februar 2009