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JUSTIZ/702: Washington - Terrorkopfgeburten ... (SB)


Washington - Terrorkopfgeburten ...


Als John Bolton am 11. September bei einer Rede vor der reaktionären Juristenvereinigung Federalist Society in Washington offen allen Personen und Instanzen mit Repressalien drohte, die mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bei dessen Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen der amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan oder der Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten kooperierten, führte der Nationale Sicherheitsberater die ablehnende Haltung der Regierung Donald Trumps gegenüber dem International Criminal Court unter anderem darauf zurück, daß angeblich eine strikte Gewaltenteilung zwischen Politik und Justiz in den USA vorherrsche, beim ICC sowie den meisten anderen Staaten dieser Welt dagegen nicht. Daß die Behauptung Boltons ganz großer Humbug ist, zeigt ein krasses Fehlurteil, das ebenfalls am 11. September vom Bundesgericht in New York gefällt wurde.

Dort hat Richterin Beryl Howell den Iran zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 104,7 Millionen Dollar an 15 Geschädigte des Lastwagenbombenanschlags vor 22 Jahren auf die mehrstöckige Wohnanlage Khobar Towers der US-Streitkräfte auf dem Gelände des König-Abdul-Asis-Luftwaffenstützpunkts im saudischen Dhahran sowie an 24 Angehörige der Todesopfer verurteilt. Bei dem verheerenden Anschlag am 25. Juni 1996 waren 19 US-Soldaten getötet und weitere 370 Personen verletzt worden. Um den blutigen Anschlag ranken sich bis heute die Legenden. Einerseits gilt Khobar Towers offiziell als Kriegserklärung Osama Bin Ladens und dessen sunnitischer Killertruppe Al Kaida an die Adresse Washingtons, andererseits versuchen die Iranophoben in den USA und Israel seit Jahren unablässig Teheran das Massaker anzuhängen.

Seit 1984 führen die USA den Iran ganz oben auf ihrer Liste der "staatlichen Sponsoren des Terrorismus". Im Juni 2001 wurden in Abwesenheit 13 Mitglieder der schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz von einem Bundesgericht in Alexandria, Virginia, wegen Verwicklung in den Khobar-Towers-Anschlag schuldig gesprochen. Im Dezember 2006 hat ein Bundesgericht in Washington den Iran zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 254,4 Millionen Dollar an die Familienmitglieder von 17 der Todesopfer des Anschlags verurteilt. Die Feststellung, daß hier die Beweislage gegen Teheran und die Hisb Allah mehr als dürftig ist, kann nur als Untertreibung verstanden werden. In der Tat beruht die These einer iranischen Urheberschaft lediglich auf Mutmaßungen, Spekulationen, Vorurteilen und Wunschdenken. Ein Blick in die verworrene Geschichte der amerikanischen "Terrorbekämpfung" zeigt die Richtigkeit dieser kategorischen Aussage.

Nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 machte die amtierende Regierung des Republikaners George W. Bush die vermeintlichen Fehler der Vorgängeradministration des Demokraten Bill Clinton für den schlimmsten Angriff auf die USA seit dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbor 1941 verantwortlich. 2005 warf der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh in seinen Memoiren Clinton vor, nach dem Khobar-Towers-Anschlag bei einem Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Abdullah nicht energisch genug auf die Mitarbeit Riads mit US-Ermittlungsbehörden gedrängt, sondern statt dessen um Spenden für die eigene in Planung befindliche Präsidialbibliothek gebeten zu haben. Anläßlich des Erscheinens des umstrittenen Buches Freehs setzte das Clinton-Lager durch, daß nach dem Interview mit dem früheren Chef der US-Bundespolizei in der Fernsehsendung "60 Minutes" von CBS der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Sandy Berger eine Replik auf die schweren Anschuldigungen verlesen durfte.

Berger war für die Aufgabe, Clinton zu entlasten, bestens geeignet, denn im Vergleich zu Freeh hatte er persönlich an der Unterredung mit Prinz Abdullah teilgenommen. Gleichwohl stand Berger zu diesem Zeitpunkt unter einer ganz dunklen Wolke. Wenige Wochen zuvor war er schuldig gesprochen worden, 2002 und 2003 in seiner Funktion als Assistent der früheren Clinton-Regierung bei der "unabhängigen" 9/11-Kommission eine Reihe von Geheimdokumenten zum Thema "Terrorismus" aus dem Nationalarchiv in Washington entwendet und zerstört zu haben. Bis heute hat es keine schlüssige Erklärung für die sonderbare Tat, für die Berger lediglich zwei Jahre auf Kaution und eine geringfügige Geldstrafe bekam, gegeben. Es herrscht zudem Unklarheit darüber, welche Dokumente er vernichtet hat. Doch es gibt Spekulationen, diese könnten unter anderem die Hintergründe des Angriffs auf die Khobar Towers tangieren.

Hochinteressant ist jedenfalls die Tatsache, daß am 5. Oktober 2005 - und damit vier Tage vor der fraglichen "60-Minutes"-Sendung - der ehemalige Iran-Referent in der Nahost-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums Larry Franklin vom Bundesgericht in Alexandria, Virginia, der Spionage für Israel schuldig gesprochen wurde. Nachweislich hatte Franklin 2002 und 2003 zahlreiche strenggeheime US-Regierungsunterlagen an Steven Rosen und Keith Weissman, damals Mitarbeiter der mächtigen Lobbyorganisation American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), weitergeleitet. Bei den betreffenden Unterlagen handelte es sich laut Gerichtsakten unter anderem um einen "strenggeheimen Bericht des FBI" zum Fragenkomplex Khobar Towers.

Die damalige AIPAC-Affäre gewährte erhellende Einblicke in die Machenschaften der Kriegstreiber in Washington und Tel Aviv. 2002, 2003 war Franklin in die Machenschaften des Office of Special Plans (OSP), jener berüchtigten Abteilung im Pentagon, verwickelt, die damals als Schaltstelle zwischen dem Amt des israelischen Premierministers Ariel Scharon und Bushs neokonservativen, likud-freundlichen Befürwortern eines Krieges gegen das "Regime" Saddam Husseins fungierte und aus der die meisten geheimdienstlichen "Erkenntnisse" hinsichtlich der Massenvernichtungswaffen des Iraks und des "finsteren Nexus" zwischen Bagdads und Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" stammten.

Franklin hatte sogar Ende 2001 in Begleitung von Harold Rhodes und Michael Ledeen, zwei notorischen Neokonservativen, sowie dem windigen, iranischen Waffenhändler Manucher Ghorbanifar an einem mysteriösen Treffen in Rom mit dem italienischen Verteidigungsminister Antonio Martino sowie Nicolo Pollari, dem Chef des italienischen Militärgeheimdienstes Servizio Informazioni Sicurezza Militare (SISMI), teilgenommen (Ledeen und Ghorbanifar hatten bereits in den achtziger Jahren bei der Iran-Contra-Affäre prominente wie zugleich dubiose Rollen gespielt). US-Presseberichten zufolge ging es bei dem Treffen in der ewigen Stadt darum, ein Angebot Teherans, fünf nach dem Sturz der afghanischen Taliban im Iran gefangengenommene Al-Kaida-Mitglieder an Washington auszuliefern, zu torpedieren. Auf diese Weise sollte eine Annäherung zwischen der Islamischen Republik und den Vereinigten Staaten vereitelt und somit der noch heute existierende Plan der amerikanischen Neocons und der israelischen Likudniks für einen eventuellen "Regimewechsel" in Teheran am Leben bleiben.

Eine ähnliche Funktion erfüllen Scharaden wie das eingangs erwähnte New Yorker Gerichtsurteil gegen Teheran wegen des Khobar-Towers-Anschlags, bei dem die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden sollte, daß die CIA und der Mossad ihn selbst inszeniert haben, um die hochaggressive Politik der USA und Israels in den Länder der islamischen Welt fortsetzen zu können.

14. September 2018


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