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LATEINAMERIKA/2210: Israels Geheimdienst bezichtigt Venezuela und Bolivien (SB)


Ein Schelm, der Böses dabei denkt!


Versorgen Venezuela und Bolivien die Regierung in Teheran mit Uran für deren Atomprogramm? Diesen Verdacht posaunt unter anderen Medien aufgeregt auch die New York Times in ihrer heutigen Ausgabe hinaus, die sich dabei auf Informationen der Associated Press beruft. Die Nachrichtenagentur ist in den Besitz eines angeblich geheimen Berichts der israelischen Regierung nämlichen Inhalts gelangt, was natürlich die Frage aufwirft, wie geheim ein solcher Report sein kann, wenn er ausgerechnet in Israel einer ausländischen Presseagentur in die Hände fällt. Woher die israelische Regierung die überraschende Neuigkeit hat, liegt auf der Hand: Natürlich vom eigenen Geheimdienst, der - wie es nebulös heißt - zu besagtem Schluß gekommen sei.

Wie nicht anders zu erwarten gibt die Agenturmeldung Zweifeln keinen Raum, die sich angesichts einer derart fabriziert anmutenden Bezichtigung geradezu aufdrängen. Vielmehr fährt sie - messerscharf Verbindungen kombinierend - fort, daß die beiden südamerikanischen Staaten bekanntlich enge Beziehungen zum Iran unterhalten. Daß sie aber ins dortige Atomprogramm verstrickt seien, das Israel als strategische Bedrohung auffaßt, höre man zum ersten Mal.

Da die Informationen aus dem israelischen Außenministerium mehr als dürftig sind, wird sodann noch einmal in wörtlicher Rede wiederholt, was man bereits weiß. Immerhin erfährt der Leser noch, daß der Bericht keine Angaben darüber macht, woher genau das Uran stammen soll, und daß sich die Regierungen in Caracas und La Paz noch nicht zu diesem Vorwurf geäußert haben. Ebenso wenig wollte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Yigal Palmor, dazu Stellung nehmen.

Darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, wo das Uranerz gefördert und möglicherweise weiterverarbeitet sein soll, kann man allerdings auch kaum erwarten. Wohl ist allgemein bekannt, daß Bolivien über Uranvorkommen verfügt, doch baut Venezuela gemäß einer Analyse des Carnegie Endowment for International Peace vom Dezember 2008 seine eigenen Vorkommen von geschätzten 50.000 Tonnen derzeit überhaupt nicht ab. Allerdings sei nicht auszuschließen, daß im Rahmen der vereinbarten Zusammenarbeit mit dem Iran auf dem Gebiet des Bergbaus doch Uran gefördert werde, spekuliert man munter weiter.

Da als Quelle der Geheimdienst genannt wird, der seiner Natur nach niemals belegt, woher er seine Informationen bezieht, spielt es ohnehin keine Rolle, was noch hinzugefügt wird oder ungesagt bleibt. Allenfalls könnte man die absurde Frage erörtern, ob man den israelischen Geheimdienst für glaubwürdig hält, als bestünde dessen Aufgabe darin, die Welt objektiv und überprüfbar zu unterrichten.

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez versuche, die Vereinigten Staaten zu untergraben, indem er den Iran unterstützt, kommt der Bericht zu einer Aussage, wie sie platter kaum sein könnte. Venezuela und Bolivien seien enge Verbündete, wobei beide der US-Außenpolitik und Israel gegenüber feindselig eingestellt seien. So habe die venezolanische Regierung während des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen den Botschafter Israels des Landes verwiesen, worauf die israelische Führung sich mit der Ausweisung des venezolanischen Chefdiplomaten revanchiert habe. Unmittelbar darauf habe auch Bolivien die Beziehungen zu Israel abgebrochen. Venezuela und Bolivien verstießen gegen die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Handelssanktionen, indem sie den Iran mit Uran belieferten.

Des weiteren wirft der Report der israelischen Regierung Venezuela vor, Iraner mit Dokumenten auszustatten, die ihnen uneingeschränkte Reisen in Südamerika ermöglichten. Außerdem habe die libanesische Hisbollah Zellen in Lateinamerika eingerichtet. Unter der Präsidentschaft Mahmoud Ahmadinejads habe der Iran seine Beziehungen zu Venezuela und Bolivien vertieft, dabei Bündnispartner gegen die USA gefunden und seine internationale Isolation vermindert. Teheran betreibe eine aggressive Politik und verfolge das Ziel, "Amerika auf die Knie zu zwingen". Ahmadinejad und Chávez hätten einen Fonds mit 200 Milliarden Dollar eingerichtet, der dem Zweck diene, weitere südamerikanische Länder für die "Befreiung vom US-Imperialismus" anzuwerben.

Es werden also die ohnehin bekannten Kontroversen und Vorwürfe noch einmal in Kurzform verrührt und aufgekocht, wobei das neu hinzugefügte scharfe Gewürz der Uran-Bezichtigung darüber hinwegtäuschen soll, daß es sich um einen alten Brei abgestandener Anfeindungen und unbewiesener Vorwurfslagen handelt.

Eine rechtslastige Regierung Israels unter Einschluß von Koalitionspartnern, die man in anderen Ländern als Faschisten bezeichnen würde, und beseelt vom unverhohlenen Wunsch, von Washington zum Angriffskrieg gegen den Iran von der Kette gelassen zu werden, zaubert Geheimdiensterkenntnisse aus dem Ärmel, die internationale Netzwerke des Bösen suggerieren. Passenderweise taucht der angeblich drei Seiten umfassende Bericht im Vorfeld einer Reise auf, die den stellvertretenden israelischen Außenminister Danny Ayalon in der kommenden Woche zum Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten nach Honduras führt. Auch Außenminister Avigdor Lieberman will diese Region in Kürze besuchen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

26. Mai 2009