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LATEINAMERIKA/2233: Vermittlungsprozeß spielt den Putschisten in die Hände (SB)


Präsident Zelaya kann bei diesen Gesprächen nur verlieren


Der costaricanische Präsident und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias gilt als erfahrener Vermittler bei Konflikten in Mittelamerika, seit er in den späten 1980er Jahren im sogenannten Esquipulas-Prozeß seinen Beitrag zur Befriedung des Aufstands der Guerilla in den Ländern der Region wie insbesondere El Salvador geleistet hat. Resultat dieses Verhandlungsprozesses war das Ende des bewaffneten Kampfs, ohne daß dessen Ziel einer gesellschaftlichen Umgestaltung erreicht worden wäre, und somit eine Konsolidierung der Macht in Händen der herrschenden Eliten jener Länder, die von den USA unterstützt werden. Eine international anerkannte und überdies mit dem Friedensnobelpreis honorierte Mediation wird stets den Charakter einer derartigen Herrschaftssicherung haben, da es dabei niemals um die fundamentalen gesellschaftlichen Widersprüche, sondern vielmehr um das Ende der Kämpfe zur Veränderung der herrschenden Ordnung geht. Was als Friedenslösung gefeiert wird, ist also der gesicherte Fortbestand der Ausbeutungs- und Verfügungsverhältnisse mit all ihren Verelendungs- und Vernichtungsfolgen.

Die herrschende Oligarchie von Honduras gehört zu den reaktionärsten in der gesamten Region und ihre ungewöhnlich eng mit der Wirtschaft verflochtene Militärführung ist vom Pentagon ausgebildet worden, das in Soto Cano, nur 65 Kilometer von der Hauptstadt Tegucigalpa entfernt, seinen einzig verbliebenen permanenten Militärstützpunkt in Mittelamerika unterhält, auf dem mehr als 600 US-amerikanische Soldaten stationiert sind. Manuel Zelaya, der ebenso wie die Putschführer das Eingreifen der Obama-Regierung in Washington sucht, um sich die politische Legitimität seiner Präsidentschaft bestätigen zu lassen, steuert mit seiner Bereitschaft zu Verhandlungen unter Vermittlung von Oscar Arias in Costa Rica zwangsläufig einen Kompromiß an, der auf die Preisgabe seiner Position und des damit verbundenen Reformprozesses hinausläuft, der bereits in den Anfängen gewaltsam abgewürgt wird.

Wie nicht anders zu erwarten, ist zum Auftakt der Vermittlungsversuche von Präsident Oscar Arias in der Hauptstadt San José kein Durchbruch hinsichtlich der Krise in Honduras erzielt worden. Der durch einen Staatsstreich abgesetzte honduranische Präsident Manuel Zelaya und der sogenannte Interimspräsident Roberto Micheletti trafen nicht einmal persönlich zusammen, sondern führten Einzelgespräche mit Arias. Danach reisten beide wieder ab und überließen Unterhändlern die weiteren Verhandlungen. [1]

Bei seiner Ankunft in Costa Rica hatte Zelaya seinen Gegenspieler als "kriminellen Putschisten" bezeichnet, der das Volk und die Rechte der honduranischen Demokratie mit Füßen getreten habe. Noch vor Beginn der Vermittlungsgespräche forderte er seine politischen Gegner auf, innerhalb von 24 Stunden ihre Macht aufzugeben. Nach der Unterredung mit Arias äußerte er sich positiv und bekräftigte zugleich seine Haltung in dem Konflikt. Wie er sagte, sei der erste Schritt getan. Arias habe sich seine Position angehört. Ihm gehe es darum, unverzüglich wieder als Präsident seines Landes eingesetzt zu werden, so Zelaya. [2]

Vor seiner Abreise nach Costa Rica hatte Micheletti noch einmal betont, daß Zelaya nicht an die Macht zurückkehren dürfe. Er habe Straftaten begangen, für die er bezahlen müsse. Die Putschisten werfen Zelaya vor, das Land gegen den Willen des Parlaments in das Lager der linken Staaten unter Führung Venezuelas geführt zu haben und eine Alleinherrschaft anzustreben. Er habe mehrmals gegen die Verfassung verstoßen. Nach seinem Treffen mit Arias teilte Micheletti vor seiner Abreise in San José mit, er verlasse Costa Rica "sehr zufrieden": Immerhin hätten die Gespräche begonnen. Er sehe sich als den "verfassungsmäßigen Präsidenten" seines Landes. Auf dem Rückweg nach Tegucigalpa fügte Micheletti hinzu, er werde wieder zu Gesprächen nach Costa Rica reisen, wenn dies erforderlich sei.

Oscar Arias äußerte sich zufrieden, da ein "aufrichtiger, klarer Dialog" begonnen habe. Allerdings verträten beide Seiten nach wie vor sehr unterschiedliche Sichtweisen, weshalb nun Geduld gefragt sei: "Dies hier dauert womöglich länger als wir es uns vorgestellt hatten." Zeit spielt jedoch den Putschisten in die Hände, da mit zunehmender Dauer der Verhandlungen die verbliebene Spanne Zelayas schrumpft, womöglich in den Präsidentenpalast zurückzukehren und bis zum Ende seiner Amtszeit am 27. Januar 2010 sein begonnenes Werk fortsetzen zu können.

Diese Entwicklung ist Wasser auf die Mühlen all jener Fraktionen, welche die Annäherung des honduranischen Präsidenten an seinen venezolanischen Amtskollegen Hugo Chávez und den Beitritt zur Bolivarianischen Alternative für die Völker unseres Amerika (ALBA) mit Argwohn verfolgt haben. Das gilt in Deutschland unter anderem für die Konrad-Adenauer-Stiftung, die in ihrem heutigen Kommentar zur Lage in Honduras und den ersten Gesprächen in Costa Rica bereits die Zeit nach Zelaya erörtert. [3] Natürlich trügt der politische Instinkt nicht, der in der Anrufung Washingtons und den daraus resultierenden Vermittlungsbemühungen von Oscar Arias eine tendentielle Abkehr von der zuvor gestärkten Initiative der ALBA-Regierungen wittert, die der Autor als "Drehbuch dieser Krise" diffamiert. Unter vollständiger Ausklammerung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Honduras und Verschleierung des Putschregimes feiert er den Schritt an den Verhandlungstisch, da nun Tempo und Inhalt des Drehbuchs nicht mehr bei Zelaya und Chávez lägen. Damit werde deutlich, daß die ALBA-Gruppe diesen Kampf kaum mehr gewinnen könne und die öffentliche Umarmung von Hugo Chávez dem gestürzten honduranischen Präsidenten mehr geschadet als ihm die Rückkehr in den Präsidentenpalast geebnet habe.

Was weiter folgt, ist eine Debatte um die möglichen Ergebnisse der Gespräche in San José, in der bezeichnenderweise eine Rückkehr Zelayas ins Präsidentenamt ausgeschlossen wird, da diese die politische Krise lediglich weiter verschärfen würde. Das Problem ist aus Sicht der Konrad-Adenauer-Stiftung nicht der verheerende Zustand der honduranischen Gesellschaft, sondern ein Staatschef wie Zelaya, der den Fortbestand der Widersprüche und die Sicherung der Herrschaftsverhältnisse nicht auf die bislang übliche Weise bewerkstelligen will.

Wie es durchaus zutreffend heißt, habe Präsident Chávez vor dem Hintergrund der beiden zur Wahl stehenden Präsidentschaftskandidaten Pepe Lobo (Partido Nacional) und Elvyn Santos (Partido Liberal) in Honduras keinen Grund anzunehmen, daß eine enge Partnerschaft mit dem mittelamerikanischen Land in absehbarer Zeit auf fruchtbaren Boden fallen könnte. Damit habe die Gruppe der ALBA-Länder unter der Führung von Venezuela einen herben Rückschlag erlitten und Honduras als Bastion in der Region verloren.

Nun komme es darauf an, so schnell und transparent wie möglich Wahlen abzuhalten und eine neue Regierung zu bestellen, wobei die internationale Gemeinschaft dem mittelamerikanischen Land tatkräftig unter die Arme greifen müsse. Dabei ist sich der Autor durchaus bewußt, welches Problem die neue Führung unvermeidlich zu bewältigen hat: Sie dürfe nicht der Frage ausweichen, "wie man die politische Partizipation der Bürger erhöhen und besser kanalisieren sollte. Die Unzufriedenheit der Bürger richtet sich angesichts der mageren Resultate in der Bekämpfung der Armut und der Ausweitung sozialer Kompensationsmechanismen gegen das politische System als solches. Hier muss ein politischer Kompromiss her, der über Parteigrenzen hinweg eine glaubhafte Erneuerung sucht."

Deutlicher könnte man es kaum ausdrücken, daß der Putsch in Honduras ärgerlich, aber notwendig war, um eine neue Regierung zu installieren, die das drohende Aufbegehren der Menschen gegen ihre elenden Lebensverhältnisse besser in den Griff bekommt, indem sie auf stärkere Beteiligung der Bürger und deren Lenkung in die gewünschten Bahnen setzt. Richtet sich der Unmut gegen das System als solches, muß politische Erneuerung überzeugend vorgetäuscht werden.

Anmerkungen:

[1] http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jY5hdPmipJS0lAqcVlEj6FSGRi2g

[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,635370,00.html

[3] http://www.kas.de/proj/home/pub/55/1/-/dokument_id-17051.html

10. Juli 2009