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LATEINAMERIKA/2271: Uribes dritte Amtszeit kaum noch abzuwenden (SB)


Kolumbianischer Kongreß billigt Entwurf einer Verfassungsänderung


In Kolumbien nimmt die drohende dritte Amtszeit Präsident Alvaro Uribes unaufhaltsam Gestalt an. Nach dem Senat hat nun auch das Repräsentantenhaus mehrheitlich dem Entwurf einer Verfassungsänderung zugestimmt, die es dem Staatschef möglich machen soll, sich erneut zur Wahl zu stellen. Nach einer turbulenten zwölfstündigen Marathonsitzung stimmten 85 Abgeordnete dafür und fünf dagegen, womit die erforderliche Mindestzahl von 84 Ja-Stimmen knapp übertroffen wurde. Die Abstimmung fand in Abwesenheit der Opposition statt, die sich zum Zeichen des Protests der Teilnahme enthielt. Nun muß das Verfassungsgericht den Vorgang prüfen, was bis zu drei Monaten dauern kann. Abschließend sind die Wähler aufgerufen, in einem Referendum über die Änderung der Verfassung zu entscheiden. Schon für die erste Wiederwahl Uribes im Jahr 2006 war die Verfassung geändert worden, die bis dahin eine weitere Amtszeit des Präsidenten ausschloß. [1]

Uribe selbst hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im Mai 2010 noch immer nicht definitiv bekanntgegeben und es aus taktischen Gründen vorgezogen, sich von Kabinettsministern dazu auffordern zu lassen. Während die erforderlichen Schritte abgearbeitet werden, vermeidet der Staatschef einen überlangen Wahlkampf und hält sich mögliche Rivalen aus den eigenen Reihen vom Leib. Angesichts guter Umfragewerte des Präsidenten dürfte es ihm gelingen, das Referendum zu seinen Gunsten zu entscheiden. Dessen Ergebnis wäre gültig, wenn 25 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilgenommen haben. Würde die Hälfte der abgegebenen Stimmen eine Verfassungsänderung befürworten, wäre diese angenommen. [2]

Bremsen könnte Uribe allenfalls noch das Verfassungsgericht, welchem dafür eine ganze Reihe stichhaltiger Gründe zur Verfügung stehen. Da die Richter nicht nur über den Inhalt des Referendums, sondern auch dessen Zustandekommen zu befinden haben, müssen sie sich mit diversen erhobenen Vorwürfen befassen. So hat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Finanzierung der Unterschriftensammlung für das Referendum und der Abstimmung darüber im Kongreß Ermittlungen gegen 86 Abgeordnete eingeleitet. Im Parlament wurde der mehrdeutige Wortlaut des Textes dahingehend geändert, daß der Präsident eine dritte Amtszeit in Folge anstreben kann und nicht zuvor vier Jahre pausieren muß. Damit ist der Entwurf für das Referendum nicht mehr identisch mit jenem, für den ursprünglich die Unterschriften gesammelt wurden. Hinzu kommen Vorwürfe oppositioneller Abgeordneter, Regierungsvertreter hätten auch diesmal Kongreßmitgliedern politische Gefälligkeiten in Aussicht gestellt, wenn sie den Entwurf befürworteten.

Am Tag der Abstimmung im Repräsentantenhaus wurde ein Haftbefehl gegen einen Senator ausgestellt, der 2004 von der Regierung bestochen worden sein soll, als das kolumbianische Parlament die Verfassungsänderung auf den Weg brachte, die Uribes erste Wiederwahl möglich machte. Zwei andere Abgeordnete sind bereits wegen desselben Delikts verurteilt worden. [3] Allem Anschein nach hat die Regierung auch hinsichtlich der nun angestrebten dritten Amtszeit Uribes kräftig nachgeholfen, um das von ihr gewünschte Votum herbeizuführen.

Der 57jährige Jurist im Präsidentenamt war 2002 erstmals an die Spitze des Staates gewählt worden und setzte sein Wahlversprechen, er werde mit harter Hand die Sicherheitslage im Land verbessern, aus Sicht der Eliten, des bessergestellten Bürgertums der Metropolen Bogotá und Medellín, der ausländischen Konzerne und nicht zuletzt der Administration in Washington erfolgreich um. Kolumbien gilt als engster Verbündeter der USA in einem von Staatsführern dominierten Lateinamerika, die der Emanzipation von der Hegemonialmacht den Zuschlag geben.

Daß gesicherte Verwertungsbedingungen durch erfolgreiche Unterwerfung und Verelendung zahlloser Opfer erwirtschaftet werden, bekamen Millionen enteigneter und vertriebener kolumbianischer Kleinbauern zu spüren, die im Zuge einer gewaltigen landwirtschaftlichen Gegenreform zu Flüchtlingen wurden, sofern sie nicht sogar zu den rund 14.000 Menschen gehören, die seit Amtsantritt Präsident Uribes eines gewaltsamen Todes starben oder verschwunden sind. Von Drangsalierung jeglicher Art bis hin zur Ermordung bedroht sind all jene Personen und Gruppen, die ihre Stimme gegen die Unterdrückung erheben und sich zu organisieren versuchen.

Der kolumbianische Kleinbauer oder Arbeiter, Gewerkschafter oder kritische Journalist, Verfechter einer gesellschaftlichen Umwälzung oder Sozialreformer sieht sich einer Kumpanei ausbeuterischer und herrschaftssichernder Kräfte ausgesetzt, der von Washington über Bogotá bis in sein unmittelbares Umfeld reicht. Was überstaatliche Allianz und Staatsgewalt nicht vermögen, besorgen in Kolumbien paramilitärische Organisationen, die man im wesentlichen als Auslagerung des staatlichen Gewaltmonopols charakterisieren kann, auch wenn dies systematisch verschleiert und zumeist unzutreffend als Verlust staatlicher Ordnung interpretiert wird. Wenngleich die Akteure des permanenten Kriegszustands auf zumeist niedrigem Niveau in dem südamerikanischen Land außerordentlich vielfältig, schwer zu überblicken und nur mit beträchtlicher Mühe hinreichend zu analysieren sind, liefert schon die Art ihrer bevorzugten Opfer einen wesentlichen Schlüssel zu ihrer Funktion und Interessenlage.

Anmerkungen:

[1] Weg frei dritte Amtszeit von Präsident Uribe (02.09.09)
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/kolumbien-weg-frei- dritte-amtszeit-von-praesident-uribe_aid_431933.html

[2] Parlament billigt Volksabstimmung für Wiederwahl Uribes (02.09.09)
http://derstandard.at/fs/1250691775480/Parlament-billigt- Volksabstimmung-fuer-Wiederwahl-Uribes

[3] Is Colombia's Uribe pulling a Chávez on term limits? (02.09.09)
http://www.csmonitor.com/2009/0902/p06s05-woam.html

3. September 2009