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LATEINAMERIKA/2291: Regime schränkt Pressefreiheit in Honduras ein (SB)


Kontrolle der Medien zentrales Instrument des Staatsstreichs


Für das Putschregime in Honduras zählt die massive Einschränkung der Pressefreiheit zu den wichtigsten Instrumenten im Zuge repressiver Eindämmung des Widerstands in der Bevölkerung. Nun hat die sogenannte Interimsregierung ein Dekret erlassen, das Radio- und Fernsehsendern, welche "die nationale Sicherheit angreifen" und zu "Anarchie" anstiften, mit der Schließung droht. Wie Innenminister Oscar Matute dennoch behauptete, gehe es bei dieser Maßnahme nicht um eine Kontrolle der Medien. [1] Nachdem die Putschisten noch vor wenigen Tagen angekündigt hatten, sie wollten die unter dem Ausnahmezustand eingeschränkten Bürgerrechte wiederherstellen, unterstreicht die Legalisierung der Medienzensur den Charakter dieses Regimes, das Verhandlungs- und Konzessionsbereitschaft lediglich vortäuscht, um Zeit zu gewinnen und seinem erklärten Ziel näherzukommen, Präsident Manuel Zelaya an der Rückkehr ins Amt zu hindern und den von ihm angestoßenen Reformprozeß nachhaltig zu blockieren.

Von der ersten Stunde des Staatsstreichs an versuchten die Putschisten, Kontrolle über die Medien zu erlangen. Nachdem Präsident Zelaya in den frühen Morgenstunden des 28. Juni aus seinem Haus verschleppt und gewaltsam nach Costa Rica geschafft worden war, wurde der staatliche Fernsehsender von Soldaten besetzt und abgeschaltet. Die privaten Fernsehsender, die der Opposition nahestehen, strahlten lediglich Zeichentrickfilme aus und berichteten nicht über die aktuellen Ereignisse. Während die Regierungsmitglieder von den Putschisten inhaftiert wurden, konnte Außenministerin Patricia Rodas Kontakt mit ausländischen Fernsehstationen aufnehmen und ihnen mitteilen, daß ihr Haus von Soldaten und Scharfschützen belagert werde.

Der lateinamerikanische Nachrichtensender TeleSur strahlte erste Berichte von dem Sturm vermummter Soldaten auf den Regierungspalast in Tegucigalpa und der Verschleppung Zelayas aus. Demnach versammelten sich am Regierungspalast Tausende Menschen, die gegen den Staatsstreich protestierten und die Soldaten als Verräter beschimpften. Die venezolanische Agentur ABN berichtete von Demonstranten, die Soldaten in der Umgebung des Regierungssitzes zeitweise zum Rückzug zwangen. Die Putschisten konnten sich in den ersten Tagen des Umsturzes keineswegs sicher sein, daß die Anhänger Zelayas sich nicht gegen sie erheben und ihrem Spuk ein Ende machen würden. Daher war es für das Regime um so wichtiger, die Bevölkerung mit Hilfe einer Nachrichtensperre und gefilterten Informationen im Unklaren zu lassen und zu täuschen wie auch ausländische Medien an ihrer Berichterstattung zu hindern.

Lokale Stationen meldeten zunächst noch, daß mehrere Dutzend Politiker, darunter Außenministerin Patricia Rodas und der Bürgermeister von San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt des Landes, festgenommen worden seien und in Militärstützpunkten gefangengehalten würden. Die Mehrheit der Menschen im Land erfuhr davon jedoch nichts, da am ersten Tag des Staatsstreichs landesweit Strom, Telefonverbindungen und das internationale Kabelfernsehen abgeschaltet wurden, so daß die meisten Menschen im Dunkeln tappten. Unterdessen patrouillierten in der Hauptstadt Tegucigalpa gepanzerte Fahrzeuge mit Maschinengewehren, um Demonstrationen gegen den Umsturz zu verhindern, die Bevölkerung einzuschüchtern und später das von den Putschisten verhängte nächtliche Ausgehverbot durchzusetzen.

Die großen Fernseh- und Rundfunksender übertrugen keine Nachrichten mehr, so daß sich allenfalls die wohlhabenderen Kreise der Bevölkerung, die über Zugang zum Internet oder Kabelfernsehen verfügen, erste Eindrücke verschaffen konnten. Auf diese Weise enthielt man den ärmeren Bevölkerungsschichten, unter denen man zu Recht die Anhängerschaft Zelayas vermutete und fürchtete, Informationen über die Tagesereignisse vor.

Als der vom Putschparlament als Interimspräsident bestallte Roberto Micheletti am Nachmittag schließlich eine erste Fernsehansprache hielt, lobte er die Streitkräfte für ihre Aktionen und behauptete dreist, daß 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung die Entmachtung Zelayas befürworteten. Dem Regime war gerade in der ungewissen Anfangsphase des Umsturzes daran gelegen, ausländische Kanäle wie TeleSur und Cubavisión Internacional, die ständig über die Lage in Honduras und die internationalen Reaktionen berichteten, abzuschalten. Radio Globo Honduras konnte von unbekanntem Ort aus sein Signal zumindest noch über das Internet verbreiten, bis es am frühen Abend von Soldaten besetzt wurde.

Trotz dieser Nachrichtensperre hielten auch in der Nacht und am folgenden Tag die Protestkundgebungen an, womit die Anhänger Zelayas gezielt gegen das nächtliche Ausgehverbot verstießen und sich von der Präsenz starker Sicherheitskräfte nicht einschüchtern ließen. Dies sei das Haus des legitimen Präsidenten, erklärten Demonstranten vor dem Regierungssitz Reportern des lateinamerikanischen Nachrichtensenders TeleSur. Dieser zeigte Aufnahmen von Demonstranten, die neue Barrikaden errichteten, während in geringer Entfernung Stoßtruppen der Armee zusammengezogen wurden.

Nachdem die Putschisten unter Zuhilfenahme zeitweise völlig aufgehobener und in der Folge eingeschränkter Pressefreiheit ihr Regime gefestigt hatten, kam es drei Monate nach dem Staatsstreich im Kontext der überraschenden Rückkehr Präsident Zelayas nach Tegucigalpa, wo ihm die brasilianische Botschaft seither Schutz gewährt, zu einem erneuten repressiven Schub in Honduras. Das Regime verhängte für 45 Tage den Ausnahmezustand und hob die Bürgerrechte auf. Damit galt nicht länger die Unverletzbarkeit der persönlichen Freiheit, es konnten willkürliche Verhaftungen vorgenommen sowie Versammlungen aufgelöst und Meinungsäußerungen unterdrückt werden. So wurde die Verbreitung von Informationen verboten, die sich gegen "das Gesetz und die Regierungsbeschlüsse" richten. Polizei und Militär werden ermächtigt, "jeden Radiosender, Fernsehkanal und Kabelfernsehbetreiber" abzuschalten, der sein Programm "nicht nach diesen Vorschriften ausrichtet".

Maskierte Soldaten und Polizisten stürmten die Studios des Fernsehsenders Canal 36 und von Radio Globo in der Hauptstadt, die als einzige große Stationen seit dem Staatsstreich das Putschistenregime kritisiert und die Nachrichten der Widerstandsbewegung verbreitet hatten. Radio Globo gelang es noch, den Angriff live zu übertragen, bevor das Signal abbrach. Micheletti begründete die gewaltsame Besetzung und Schließung der beiden oppositionellen Sender damit, daß diese Vandalismus und Aufstände gefördert hätten.

Angesichts der jüngsten Einschränkung der Informationsfreiheit per Dekret kann man Präsident Zelayas Skepsis nur teilen, der offenbar wenig Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr in sein Amt hat. Wie er der Nachrichtenagentur AFP telefonisch übermittelte, zweifle er daran, daß die Putschregierung Roberto Michelettis seinem am Donnerstag ablaufenden Ultimatum für seine Wiedereinsetzung nachkommen werde. Das Regime werde sich seines Erachtens weiterhin weigern, die Vorgaben der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der internationalen Gemeinschaft umzusetzen. [2]

Die in der vergangenen Woche begonnenen Gespräche der Konfliktparteien waren vorübergehend ausgesetzt worden und sollen heute wieder aufgenommen werden. Zelayas Verhandlungsführer Victor Meza zeigte sich zwar zuversichtlich und erklärte, man habe bereits fünf der acht Punkte des vom costaricanischen Präsidenten Oscar Arias vorgelegten Vermittlungsplans abgearbeitet. Ungelöst ist jedoch die entscheidende Frage der Wiedereinsetzung Zelayas, die von der Putschregierung kategorisch abgelehnt wird. Daher deutet alles darauf hin, daß die Putschisten mit ihrer vermeintlichen Verhandlungsbereitschaft weiter auf Zeit spielen und einen Kompromiß verhindern werden. Für den Fall eines Scheiterns der Gespräche hat Zelaya eine Mobilisierung seiner Anhänger angekündigt, die auf der Straße weiterkämpfen werden.

Anmerkungen:

[1] Honduras' Putschisten schränken Medienfreiheit weiter ein. Bereits zwei Radiostationen geschlossen (12.10.09)
NZZ Online

[2] Zelaya glaubt nicht an sein eigenes Ultimatum. Warnung vor Strassenprotesten bei Scheitern des Dialogs (13.10.09)
NZZ Online

13. Oktober 2009