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LATEINAMERIKA/2299: Die Lebenslügen der Juanita Castro (SB)


Castro-Schwester will für die CIA gearbeitet haben


Der Nachrichtenchef des spanischsprachigen Fernsehsenders "Noticias Univision 23", Emilio Marrero, kündigte Neuigkeiten an, die von "historischer Bedeutung für Miami und die Welt sein werden". Wie klein die Welt der Exilkubaner und wie schmalspurig ihr Interesse an historisch bedeutsamen Fakten ist, zeigte sich dann, als Juanita Castro in einem Interview mit dem Sender offenbarte, daß sie von 1961 bis 1964 für die USA und damit den Erzfeind ihres Bruders spioniert habe. Was die jüngere Schwester des "Máximo Líder" enthülle, sei "besonders pikant", reibt sich "spiegel.de" hämisch die Hände und zitiert den Schriftsteller Carlos Alberto Montaner, der das Vorwort zu der soeben erschienenen Autobiographie der Castro-Schwester geschrieben hat: "Neben dem eigentlichen Geheimnis werden auch andere interessante und unbekannte Neuigkeiten ans Licht kommen. Außerdem begründet Juanita, warum Raúl der bessere Mensch ist als Fidel." Als Spielverderber verrät der "Spiegel" aber gleich die Pointe und erinnert daran, daß Juanita Castro schon vor zwei Jahren mit Montaner in einer Fernsehsendung darüber geplaudert habe, wie fröhlich, umgänglich und beliebt Raúl stets gewesen sei. Fidel hingegen habe einen völlig anderen Charakter, da er viel ernster sei. [1]

Ob das die Geheimnisse sind, auf die die Welt gewartet hat? Berücksichtigt man, daß die 76jährige Juanita Castro seit über 40 Jahren nicht mehr mit ihren Brüdern gesprochen hat, bleibt kaum mehr übrig als der Versuch, die Vermarktung ihres 432 Seiten starken Buches zu befördern, das nun in Spanien, Kolumbien, Mexiko und den USA erscheint. Warum gerade diese Länder gewählt wurden, liegt auf der Hand: Dort vermutet man offensichtlich Leserschaften, die den Ausführungen nicht nur Glauben schenken, sondern darin auch eine spektakuläre Enthüllung zu erkennen vermögen, die Wasser auf die Mühle ihrer Bezichtigung Kubas und der Brüder Castro ist. Da die Biographie auf Ereignisse Bezug nimmt, die inzwischen fast ein halbes Jahrhundert zurückliegen und ihre damalige Bedeutung längst eingebüßt haben, wird das begleitende Fernsehinterview künstlich aufgebläht und in acht Fragmenten gesendet, in denen die Autorin nach und nach Details über ihr Leben und das ihrer beiden revolutionären Brüder ausbreitet.

"Fühle ich Reue, weil ich Fidel verraten habe, indem ich mich mit seinen Feinden traf? Nein, aus einem einfachen Grund: Ich verriet ihn nicht, er verriet mich." [2] Wie Juanito Castro behauptet, habe sie die Revolution zunächst unterstützt, die den Diktator Fulgencio Batista 1959 entmachtete und vertrieb, doch später mit ihrem Bruder gebrochen, als dieser sich von der nationalistisch-demokratischen Entwicklung abgewendet und dem marxistischen Einparteienstaat "einzig aus Gründen des Machterhalts" den Zuschlag gegeben habe. Daraus abzuleiten, es habe sich um einen Verrat Fidels gehandelt, weshalb es gerechtfertigt gewesen sei, für den Geheimdienst des Erzfeinds USA zu arbeiten, zeigt zweifelsfrei, wes Geistes Kind die Castro-Schwester ist: Sie schlägt sich endgültig auf die Seite des Stärkeren und dient sich dem Feldzug gegen den kubanischen Gesellschaftsentwurf an.

Wie um die Geister ihres schlechten Gewissens zu vertreiben und sich selbstgerecht ins beste Licht zu setzen, betont Juanito Castro, sie habe für ihre Arbeit keine Entlohnung verlangt und zur Bedingung gemacht, daß sie sich an keinerlei Gewalt gegen Regierungsvertreter in Havanna beteilige. [3] Ihren Bruder und dessen Werk zu hintergehen und zu hintertreiben, wird dadurch nicht anders oder besser, daß sie idealistische Motive geltend macht. Sich auszubedingen, an keiner Gewalt persönlich beteiligt zu sein, heißt ja, diese aus anderer Hand zu billigen.

Wie viele Anschläge auf Fidel Castro verübt oder geplant worden sind, ist schwer zu sagen. Der frühere Chef der kubanischen Abwehr, Fabián Escalante, spricht von 638 Attentaten, wovon die CIA bislang nur acht zugegeben hat. Bekannt sind manche bisweilen skurril anmutenden Pläne wie vergiftete Zigarren oder sprengstoffgefüllte Muscheln, was nichts daran ändert, daß es dabei um die Ermordung eines Staatsoberhaupts ging. Daß es sich auch noch um ihren eigenen Bruder handelte, dessen möglichen Tod sie indirekt beförderte, macht die Rolle Juanito Castros nur um so zwielichtiger.

Die fünftälteste der sieben Castro-Geschwister wurde eigenen Angaben zufolge nicht lange nach der gescheiterten US-Invasion in der kubanischen Schweinebucht von der CIA angeworben. Die Frau des brasilianischen Botschafters in Havanna, Virginia Leitao da Cunha, habe sie zu dem Treffen mit einem Agenten überredet, wozu sie im Juni 1961 unter dem Vorwand, ihre verheiratete Schwester Emma zu besuchen, nach Mexiko-Stadt gereist war. "Ich war ziemlich schockiert, aber ich sagte zu." Die CIA habe mit ihr sprechen wollen, weil sie "mir interessante Dinge zu sagen hatten und mich um interessante Dinge bitten wollten". In der mexikanischen Hauptstadt traf sie einen CIA-Agenten, der sich mit dem Decknamen "Enrique" vorstellte. Wie dieser erklärt habe, verfüge die CIA über Leute in Kuba, die entdeckt werden könnten oder schon enttarnt seien. Die Aufgabe bestehe darin, sie zu beschützen, von einem Ort zum anderen zu begleiten und ihnen die größtmögliche Sicherheit zu gewähren. In den nächsten drei Jahren war sie demnach unter dem Decknamen "Donna" für die CIA tätig, wobei die Kommunikation über ein Kurzwellenradio und Zahlencodes, die sie mit Hilfe eines Handbuchs entschlüsselte, erfolgt sei.

1964 setzte sich Juanita Castro nach Florida ab, da sie sich nach dem Tod ihrer Mutter im Vorjahr angeblich nicht mehr sicher fühlte. In Miami führte sie bis 2007 eine Apotheke, wobei sie bei Demonstrationen der Exilkubaner mitmarschierte und anfangs weiter für die CIA arbeitete. Zum Bruch kam es 1969, als der Entspannungskurs der Nixon-Regierung gegenüber der Sowjetunion die scharfe Opposition gegen Castro vorübergehend obsolet machte. Zwei CIA-Agenten hätten von ihr verlangt, sie solle ihren Einfluß nutzen, um das Gerede über eine kommunistische Bedrohung herunterzuspielen.

Juanita Castros Autobiografie "Fidel und Raúl, meine Brüder. Die geheime Geschichte", die sie gemeinsam mit der mexikanischen Journalistin María Antonieta Collins aufgezeichnet hat, hausiert mit vorgeblichen Sensationen, die sich alsbald auf Lebenslügen, Bedeutungswahn und einen späten Rachezug der Autorin reduzieren - also nichts, was nicht völlig normal und weit verbreitet wäre.

Einmal angenommen, die Biographie sei keine Fiktion und beruhe auf tatsächlichen Ereignissen und angemessen wiedergegebenen Abläufen, ist sie weder peinlich, noch beschämend für Fidel Castro. Wie dieser bereits 1977 in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender ABC über seine Schwester sagte, habe man dasselbe Blut in den Adern, aber unterschiedliche Auffassungen. Eine Schwester zu haben, "die mich angreift, weil wir Revolutionäre sind, nimmt mir nicht meine Ehre, es kränkt mich nicht einmal".

Anmerkungen:

[1] Pikantes Geständnis. Fidel Castros Schwester spionierte für die CIA (26.10.09)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,657468,00.html

[2] Juanita Castros Memoiren. "Ich verriet Fidel nicht, er verriet mich" (27.10.09)
http://www.20min.ch/news/ausland/story/-Ich-verriet-Fidel-nicht--er-verriet-mich--25791739

[3] Castro-Schwester kooperierte mit der CIA (26.10.09)
http://www.focus.de/politik/ausland/kuba-castro-schwester-kooperierte-mit-der-cia_aid_448391.html

27. Oktober 2009