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LATEINAMERIKA/2324: USA stützen Herrschaft der Oligarchie in Honduras (SB)


Kollaborateure des Regimes setzen auf vollendete Tatsachen


Was haben George W. Bush, Felipe Calderón, Hamid Karzai und Porfirio Lobo gemeinsam? Alle vier wurden in einem Verfahren zu Präsidenten ihres Landes gekürt, das mit den fundamentalen Grundsätzen einer demokratischen Wahl unvereinbar ist. Während sich Bush in den USA und Calderón in Mexiko beim Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihren Rivalen dank manipulativer Manöver die fehlenden Stimmen beschafften und Karzai in Afghanistan so schamlos betrog, daß sich die Balken bogen, ließ sich Lobo in Honduras bei einem Urnengang unter Regie des Putschregimes küren. Diese illegitimen Staatschefs setzten auf das naheliegende Kalkül, vollendete Tatsachen zu schaffen und damit über kurz oder lang alle Einwände aus dem Feld zu schlagen.

Was nun Porfirio Lobo betrifft, der erst Ende Januar auf dem Präsidentensessel Platz nehmen darf - sofern er nicht zuvor daran gehindert wird - ist der Coup noch so frisch, daß man eine Revision der haarsträubenden Farce zumindest nicht ausschließen kann. Dies bereitet der US-Regierung Kopfzerbrechen, die denn auch die Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) dazu gedrängt hat, die Kröte zu schlucken. Botschafterin Carmen Lomellín reichte dazu den abgestandenen Senf der Standardbehauptung in derartigen Fällen, die Honduraner wollten den Blick nach vorn richten und demokratische Normalität wiederherstellen. Dieses Ansinnen, eine illegitime Wahl zur besten Medizin im Heilungsprozeß einer zutiefst gespaltenen Nation zu erklären, überzeugte die Mehrzahl der versammelten Ländervertreter nicht. "Unseres Erachtens ist Honduras nicht frei. In unseren Ländern regieren Staatsführer und keine Marionetten", brachte der Gesandte Boliviens, José E. Pinelo, die Lage auf den Punkt. [1]

Venezuelas Präsident Hugo Chávez - um anschauliche Bilder nie verlegen - verglich die Wahl in Honduras unterdessen mit der Geldwäsche von Drogenhändlern: "Vor aller Welt wurde versucht, einen Staatsstreich reinzuwaschen." Von den Mitgliedsländern der OAS haben neben den USA bislang lediglich Costa Rica, Panama, Kolumbien und Peru die Wahlen anerkannt, während die meisten Regierungen bei ihrer Ablehnung blieben, allen voran Brasilien, Argentinien und die Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz ALBA. Wie Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva unterstrich, werde seine Regierung kein Regime anerkennen, das aus dem Staatsstreich hervorgeht. Putschisten dürfe man keine Zugeständnisse machen. [2]

Dies wäre eine ausgezeichnete Gelegenheit für die europäischen Regierungen, die taktierende und manipulierende Administration in Washington in den Schatten zu stellen. Eine eindeutige Stellungnahme gegen die unter inakzeptablen Umständen inszenierte Wahl in Honduras wäre ein klares Signal an die lateinamerikanischen Länder, mit dem man sich durchaus Freunde in dieser Weltregion machen könnte und nebenbei gesagt auch dem eigenen Anspruch an demokratische Gepflogenheiten besser als im Umgang mit Afghanistan Geltung verschaffen würde.

Leider steht zu befürchten, daß man erstens lieber nach der Pfeife Washingtons tanzt und zweitens dessen Auffassung teilt, dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts müsse ein Riegel vorgeschoben werden, was in Honduras doch im Grunde wunderbar geklappt hat. Die Drecksarbeit erledigten die einheimischen Putschisten, so daß man elegant die Strippen ziehen oder den absehbaren Gang der Dinge aussitzen konnte, während die Chancen des entmachteten Präsidenten Manuel Zelaya von Tag zu Tag schrumpften.

Dreist hatte sich die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung im Kielwasser der Liberalen Internationale aus dem Fenster gehängt und die Putschisten in unverblümter Offenheit hofiert, während alle Welt noch entrüstet erklärte, daß man den Umsturz keinesfalls dulden werde, und Zelayas Wiedereinsetzung verlangte. Daß der sogenannte Übergangspräsident Roberto Micheletti der Liberalen Partei angehört, ist natürlich keine Entschuldigung, zumal das auch für Manuel Zelaya gilt. Daß man Micheletti zum Umsturz beglückwünschte, in den Vorstand der Internationale berief und schon einmal das Terrain für den nächsten Putsch in Nicaragua sondierte, war ein überdeutliches Signal der Bereitschaft, im Kampf gegen Hugo Chávez und dessen Verbündete nicht nur im übertragenen Sinn über Leichen zu gehen, wie die Opfer des Putschregimes in Honduras unterstreichen.

Natürlich beschränken sich die hiesigen Befürworter des Umsturzes nicht auf die Reihen der FDP. Daß die Bundesregierung eine offizielle Stellungnahme zur gegenwärtigen Situation in Honduras bislang vermieden hat, kann eigentlich nur bedeuten, daß sie die Anerkennung der Wahlen und damit die endgültige Besiegelung des Staatsstreichs vorbereitet. Stünde man zum gegebenen Wort, daß Zelaya der einzig legitime Präsident des mittelamerikanischen Landes ist, gäbe es keinen Grund, mit der eindeutigen Absage an die Putschisten und deren Manöver zu zögern.

Wenngleich man aller Wahrscheinlichkeit nach nie erfahren wird, wie gering die Wahlbeteiligung in Honduras tatsächlich war, steht doch inzwischen fest, daß die am Abend des Wahlsonntags ausposaunten Zahlen weder Hand noch Fuß hatten. Der Wahlgerichtshof TSE ließ inzwischen durchblicken, daß der anfänglich veröffentlichte Wert von 61 Prozent keineswegs zutraf. Offiziellen Ergebnissen zufolge ergab sich eine Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent, wobei man getrost davon ausgehen kann, daß dieser Wert noch immer maßlos übertrieben ist. [3]

Präsident Zelaya, der seit Wochen im Gebäude der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa ausharrt, wird definitiv nicht mehr in sein Amt zurückkehren. Er hatte bereits vor der lange verzögerten Sitzung des Parlaments, in der seine Wiedereinsetzung dann auch abgelehnt wurde, diese Farce für irrelevant erklärt. Er werde eine Wiedereinsetzung weder akzeptieren, um den Putsch zu legitimieren, noch um für einen vollkommen ungültigen Wahlprozeß zu bürgen. Sein Schicksal bleibt damit weiter ungewiß, da ihm in seinem Land noch immer die Festnahme unter fabrizierten schweren Vorwürfen wie Landesverrat droht.

Auch die Bewegung des Widerstands sieht den Kampf um die Wiedereinsetzung Zelayas als verloren an. Sie kämpft jedoch weiter gegen die illegitime Regierung und für die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, wobei sie eine Beteiligung an künftigen Wahlen in einer noch zu klärenden Form nicht ausschließt. Führende Fraktionen des Widerstands greifen längst über die Positionen Zelayas hinaus, den sie als bedeutsamen Katalysator einer Radikalisierung würdigen, die ohne diese eskalierende Widerspruchslage in Honduras kaum zum Tragen gekommen wäre. Bei aller Anerkennung der Verdienste des gestürzten Präsidenten unterstreicht der Widerstand, daß mit dessen Hilfe erst ein Anfang gemacht sei, auf den man sich keinesfalls beschränken werde.

In der monatelangen Kontroverse seit dem Putsch vom 28. Juni wurden die gesellschaftlichen Verhältnisse im Land zwangsläufig beleuchtet, auch wenn dies die bürgerliche Presse eher auszugrenzen als zur Grundlage einer Analyse zu machen versuchte. Die Oligarchie von zehn Familien samt ihren Stabilisatoren in den Streitkräften und dem katholischen Klerus ist nicht nur der Produzent des Elends von Millionen Honduranern, sondern auch der wichtigste Brückenkopf der Vereinigten Staaten in Mittelamerika. Gute Gründe, das baldige Ende dieses Regimes herbeizuführen, gibt es also mehr als genug.

Anmerkungen:

[1] Honduras: U.S. Urges Support of Neighbors for New Leader (04.12.09)
New York Times

[2] Honduras: Putschisten bleiben stur. Parlament verweigert Zelaya Rückkehr in das Präsidentenamt. Berlin bereitet offenbar Anerkennung der Wahlfarce vor (04.12.09)
junge Welt

[3] Neue Strategie. Putschgegner in Honduras geben Hoffnung auf Wiedereinsetzung Zelayas auf (05.12.09)
junge Welt

8. Dezember 2009