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LATEINAMERIKA/2362: Clinton will Hinterhof bei Stimmung halten (SB)


US-Außenministerin betreibt auf ihrer Rundreise Schadensbegrenzung


Außenministerin Hillary Clinton bereist derzeit mehrere Länder Lateinamerikas, um den Eindruck zu erwecken, der US-Regierung sei an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit gelegen. Das ist natürlich nicht der Fall, solange die Vereinigten Staaten ihre hegemoniale Vorherrschaft in dieser Weltregion nicht für beendet erklären, was sie freiwillig unter keinen Umständen tun werden. George W. Bush versprach den Nachbarn im Süden das Blaue vom Himmel herunter, begab sich zu Beginn seiner Amtszeit nach Mexiko und verschwand danach im "Antiterrorkrieg". Wenige Jahre und jede Menge zerschlagenes Porzellan später war sein Ansehen wie auch der Ruf seines Landes derart gesunken, daß es schon eines Barack Obama bedurfte, um eine Wende vorzugaukeln. Diesem gaben die lateinamerikanischen Regierungen erstaunlich großen Kredit, wobei in vielen Fällen kaum auszumachen war, wo die Blauäugigkeit endete und die taktische Öffnung begann.

Präsident Obama startete wie sein Vorgänger mit maßlosen Versprechen, besuchte Mexiko und nahm am Gipfel in Trinidad teil. Nicht verlegen um große Worte und kleine Gesten, versuchte er, Eindruck zu schinden, ohne die jahrzehntelange Blockade Kubas zu beenden. Dies hatten die Ländern Lateinamerikas unisono gefordert und zum Prüfstein der neuen US-Regierung erklärt, der diese Hürde prompt viel zu hoch war. Nun ist Obama wie sein Vorgänger im Krieg verschwunden, weshalb seine Außenministerin den Hinterhof bei Stimmung halten soll.

Vor wenigen Tagen haben die in der Rio-Gruppe vertretenen Staaten beschlossen, einen neuen regionalen Block zu bilden, dem auch Kuba angehört, während die USA und Kanada nicht mit von der Partie sind. Dies war ein mehr oder minder klares Signal der Abkehr von der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten und somit ein Zeichen angestrebter Emanzipation und Unabhängigkeit. Der US-Regierung blieb unter diesen Umständen kaum etwas anderes übrig als zu versichern, sie begrüße diesen Zusammenschluß. Enttäuscht sind die Regierungen der Region neben den ausbleibenden Fortschritten in den Beziehungen der USA zu Kuba über die Haltung Washingtons zum Putsch in Honduras, die Stagnation in den Handelsbeziehungen und die Rückschritte in der Reaktion auf den Klimawandel. [1]

Davon abgesehen hat China die USA als wichtigster Handelspartner Brasiliens und Chiles in den zweiten Rang verwiesen, wobei auch die Europäer in die Lücke vorgestoßen sind, welche die gebremste Haltung der Obama-Administration in Handelsfragen geöffnet hat. Dies schwächt den Einfluß Washingtons, das sich um so mehr veranlaßt sieht, Boden in dieser Weltregion gutzumachen.

Daß Clinton Venezuela, Bolivien und Ecuador links liegen läßt, um Ärger aus dem Weg zu gehen, verwundert angesichts der US-kritischen Haltung der dortigen Regierungen nicht. Warum zunächst auch Argentinien ausgespart blieb, gab indessen Anlaß zu Spekulationen. Clinton wollte zwar in Montevideo bei der Amtseinführung Präsident José Mujicas mit der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zusammentreffen, doch ist diese offensichtlich verärgert über die ausbleibende Stellungnahme der US-Regierung zum jüngst erneut aufgeflammten Konflikt mit den Briten, die bei der von beiden Ländern beanspruchten Inselgruppe der Malvinas derzeit nach Öl bohren. [2]

In Uruguay nahm Clinton kurzfristig eine Änderung ihrer Reiseroute vor und machte am Nachmittag doch noch einen Abstecher nach Argentinien, um moralische Unterstützung für Verhandlungen in dem Konflikt anzubieten und womöglich weitere Kontroversen wie jene um den Putsch in Honduras zu erörtern. Eine Vermittlerrolle ihres Landes lehnte sie jedoch erneut ab, indem sie vorhielt, es sei Sache der Argentinier und Briten, das Problem zu lösen.

In Montevideo traf Clinton auch mit Präsident Fernando Lugo aus Paraguay und dem kolumbianischen Staatschef Álvaro Uribe zusammen, wobei sie letzteren für dessen Akzeptanz der Entscheidung des Verfassungsgerichts lobte, die ihm die Kandidatur für eine weitere Amtszeit verwehrt hat. Daß mit Uribe der wichtigste Verbündete in Südamerika verlorengeht, erwähnte die US-Außenministerin zumindest in der Öffentlichkeit nicht. Zweifellos setzt man in Washington darauf, daß der Autokrat seine Nachfolge dem gemeinsamen Interesse entsprechend bestellt und künftig hinter den Kulissen Einfluß auf den Kurs seines Landes nimmt.

Clinton nimmt sich eine Woche Zeit, um die fünf Staaten Uruguay, Chile, Brasilien, Costa Rica und Guatemala zu besuchen, von denen vier erst vor kurzem neue Staatschefs gewählt haben. Die Urnengänge dürften Washington alles in allem recht zufrieden gestimmt haben, zeigte von den genannten doch nur Uruguay einen leichten Ausschlag nach links, während der Rest von konservativen Kräften zurückerobert wurde.

In Chile trifft Clinton mit Präsidentin Michelle Bachelet sowie deren Nachfolger Sebastián Piñera zusammen, der als erster konservativer Politiker seit der Diktatur General Augusto Pinochets an die Macht gekommen ist. Der Besuch steht zwangsläufig im Zeichen der Erdbebenkatastrophe. Wie von der Regierung in Santiago erbeten, will die US-Außenministerin insbesondere Kommunikationsausrüstung und Techniker bereitstellen. Angefragt sind zudem Geräte zur Wasseraufbereitung sowie mindestens ein Feldlazarett, wobei weitere Hilfslieferungen vor Ort vereinbart werden sollen. [3] In den USA stehen Rettungsteams für einen möglichen Einsatz bereit, und die Regierung hat den chilenischen Behörden Satellitenaufnahmen zur Verfügung gestellt, die den Zugang zu entlegenen Gebieten erleichtern sollen.

Mit Blick auf Honduras will Clinton die hinterhältige Unterstützung des Umsturzes vergessen machen und zugleich darauf drängen, das Land unter seiner neuen Regierung wieder in die regionale Staatengemeinschaft aufzunehmen, als sei der Putsch vergeben und vergessen. Wie aus dem US-Außenministerium allen Ernstes verlautete, bewerte man das Ergebnis in Honduras als sehr erfolgreichen Fall der Wahrung des fundamentalen Prinzips, daß man keinen Staatsstreich tolerieren dürfe. Andererseits müsse eine Lösung gefunden werden, wie sie mit der Wahl Porfirio Lobos gelungen sei, der von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werde. Wie sich frühzeitig abgezeichnet hatte, setzte die Obama-Administration auf eine mittelbare Unterstützung der Entmachtung Präsident Zelayas, indem sie gemeinsam mit den Putschisten auf Zeit spielte und diese vollendete Tatsachen schaffen ließ. Nun will Clinton den Deckel endgültig schließen und weitere Regierungen einbinden, welche die Wahl in Honduras nach wie vor für illegitim erklären und Lobo nicht anerkennen.

Besonders kompliziert wird Clintons Ansinnen in Brasilien, die Regierung Präsident Luiz Inácio Lula da Silvas davon zu überzeugen, weiteren Sanktionen gegen Teheran zuzustimmen. Das südamerikanische Land hat derzeit einen der rotierenden Sitze im UNO-Sicherheitsrat inne, fordert als aufstrebende Macht einen ständigen Sitz in einem erweiterten Rat und ist gegen internationale Strafmaßnahmen den Iran betreffend. Brasília und Teheran haben gerade in jüngerer Zeit ihre Zusammenarbeit verstärkt, was der Bereitschaft auf brasilianischer Seite nicht eben förderlich sein dürfte, auf den Handelspartner im Auftrag der USA Druck auszuüben.

Kann die US-Außenministerin ihre brasilianischen Gesprächspartner dennoch davon überzeugen, daß nur jene Staaten das Zeug zur Weltmacht haben, die sich auch wie eine solche verhalten? Die brasilianische Regierung strebt eine Vermittlerrolle im Nahostkonflikt nicht zuletzt deshalb an, um ihre eigenen Ambitionen zu unterfüttern, international an Einfluß zu gewinnen, und wird sich dabei kaum von Washington in die Parade fahren lassen. Zudem stünde ihr gerade im Wahljahr der Eindruck schlecht zu Gesicht, sich zum Handlanger der US-Führung zu erniedrigen.

Anmerkungen:

[1] Hillary Clinton to discuss Iran's nuclear program on Latin America trip (28.02.10)
Christian Science Monitor

[2] Soured Over Policy, Latin American Leaders Await Sessions With Clinton (28.02.10)
New York Times

[3] After Chile quake 2010, Hillary Clinton to hand deliver aid (01.03.10)
Christian Science Monitor

2. März 2010