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LATEINAMERIKA/2405: In Frankreich kräht kein Hahn mehr nach Noriega (SB)


Panamas früherer Machthaber endgültig unter Verschluß


Auf dem Höhepunkt seines Einflusses als diktatorischer Machthaber Panamas stand Manuel Noriega mit der französischen Regierung auf gutem Fuß. Er pflegte enge Beziehungen zur politischen Elite Frankreichs, genehmigte Militärtransporte für die Atomwaffentests auf dem Mururoa-Atoll durch den Panamakanal und hatte keinerlei Einwände dagegen, daß sich in seinem Land mehrere Filialen französischer Banken befanden, die dort diskreten Geschäften nachgingen. Wie Noriega 1995 in US-Haft einem französischen Untersuchungsrichter gesagt hatte, seien seine Reisen nach Frankreich bekannt gewesen. Er habe völlig legal Militärmaterial, Flugzeuge und Waffen bei der französischen Militärindustrie gekauft. Zudem hatte er Vorsorge getroffen und in Paris Immobilien in bester Lage erworben, um sich einen komfortablen Alterssitz zu sichern. In den 1980er Jahren sollen umgerechnet etwa 5,3 Millionen Euro über die Konten gelaufen sein, die das Ehepaar Noriega bei französischen Banken hatte. In welchem Ausmaß man sich gegenseitig schätzte, unterstreicht der Umstand, daß Noriega während der Regierungszeit Präsident Jacques Chiracs 1987 sogar mit einem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet wurde.

Nachdem Manuel Noriega die letzten 20 Jahre wegen Drogenhandels in US-amerikanischen Gefängnissen verbracht hat, wurde er im April an Frankreich ausgeliefert. Vor einem Pariser Gericht muß er sich nun wegen Geldwäsche aus Drogengeschäften verantworten. Laut Anklageschrift soll er in den 1980er Jahren über 2 Millionen Euro über französische Konten gewaschen und teilweise in Pariser Luxusimmobilien investiert haben. Noriega und seine Frau waren bereits 1999 in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Zudem wurde gegen sie eine Geldstrafe in Millionenhöhe verhängt. Ihre Immobilien in Paris waren seinerzeit beschlagnahmt worden. Weil er gegen das damalige Urteil Widerspruch eingelegt hat, mußte das Verfahren jetzt neu aufgerollt werden. [1]

Der 76jährige Noriega machte in dem dreitägigen Prozeß geltend, es habe sich bei den umgerechnet 2,3 Millionen Euro auf französischen Konten nicht um Drogengeld, sondern sein Gehalt als CIA-Mitarbeiter, Erbschaften und Einnahmen aus Investitionen gehandelt. Nach einem vor vier Jahren erlittenen Schlaganfall und dem langen Gefängnisaufenthalt körperlich geschwächt, doch ausgesprochen kämpferisch bezeichnete sich der einstige Machthaber Panamas als Opfer eines von den USA gesteuerten Komplotts, wobei er sogar einen Vergleich mit den deutschen Nationalsozialisten und den Methoden von Goebbels nicht scheute. Er warf den USA Verleumdung vor und erklärte, daß er nach Jahren der engen Zusammenarbeit nicht mehr der willfährige Gehilfe der US-Regierung in dem mittelamerikanischen Land sein wollte. Washington habe ihn daraufhin mittels eines "imaginären Finanz- und Bankkonstrukts" vor Gericht gebracht. [2] "Ich bin Opfer einer Verschwörung der USA gegen mich", erklärte Noriega in der Verhandlung. Fragen nach seinen französischen Bankkonten beantwortete er hingegen ausweichend: "Ich bin Soldat und Politiker, kein Bankier", schützte er Unkenntnis vor. Um seine Konten habe sich der Chef der Bank BCCI in Panama gekümmert. [3]

Der französische Staranwalt Maitre Olivier Metzner zog in Vertretung seines Mandanten in Zweifel, daß Frankreich über einen früheren ausländischen Staatschef richten darf, der Immunität genieße. Dies stehe in Widerspruch zu internationalem Recht und internationalen Gepflogenheiten. Zudem seien die angelasteten Straftaten verjährt. Noriegas Anwälte bestreiten die Rechtmäßigkeit des französischen Prozesses und argumentieren, Noriega müsse wie in den USA auch in Frankreich den Statuts eines Kriegsgefangenen bekommen, den ihm ein US-Gericht 1992 zuerkannt hatte, und zudem nach Panama überstellt werden.

Die französische Staatsanwaltschaft will Noriega wegen Geldwäsche für zehn Jahre hinter Gitter bringen. In seinem Plädoyer sagte Staatsanwalt Michel Maes, die Rolle des Angeklagten bei dem Drogenhandel sei "einfach und klar" gewesen. Der frühere General habe in den 1980er Jahren den regelmäßigen Drogentransport über Panama sowie die Gelder, die er vom kolumbianischen Drogenkartell in Medellín erhalten habe, absichern wollen. Der Prozeß ist inzwischen zu Ende gegangen, ein Urteil wird erst im Herbst erwartet.

Noriega war in den USA wegen Drogenhandels und Geldwäsche zu 40 Jahren Haft verurteilt worden, wobei die Strafe später wegen guter Führung auf 17 Jahre reduziert wurde. Da er den Status eines Kriegsgefangenen besaß, bekam er in einem Bundesgefängnis in Miami eine 25 Quadratmeter große Einzelzelle, die wegen ihrer großzügigen Ausstattung die "Präsidenten-Suite" getauft wurde. Er sollte nach Verbüßung seiner Haftstrafe eigentlich im September 2007 entlassen werden. Da er jedoch gegen die geplante Auslieferung nach Frankreich juristisch zu Felde zog, blieb er weiter in Haft. Nach einem insgesamt sechs Jahre währenden Rechtsstreit durch alle Instanzen wies der Oberste Gerichtshof schließlich Noriegas letzten Einspruch ab, worauf der frühere Machthaber am 26. April nach Frankreich ausgeliefert und im Pariser Gefängnis La Santé inhaftiert wurde. Dort legte er Einspruch gegen das 1999 ergangene Urteil ein und erwirkte dem französischen Recht entsprechend ein neues Verfahren.

Auch Panama, wo Noriega wegen der Ermordung politischer Gegner zu 60 Jahre Haft verurteilt worden ist, hatte seine Auslieferung beantragt. Aus Sicht der US-Regierung ist er jedoch in einem französischen Gefängnis besser aufgehoben, wobei man vorhielt, daß es in Panama noch heute für gewisse Kreise Gründe gebe, sich vor Noriegas Enthüllungen zu fürchten. Unerwähnt blieb dabei freilich, daß dabei auch andere schlafende Hunde geweckt und die US-amerikanische Beteiligung am damaligen diktatorischen Regime zur Sprache kommen könnte. Panama trat beim Prozeß in Paris als ziviler Nebenkläger auf. Noriega selbst verlangte eine Auslieferung an sein Heimatland, wo er angesichts seines fortgeschrittenen Alters und eingeschränkten Gesundheitszustands auf eine Verbüßung der Strafe unter den moderaten Bedingungen eines Hausarrests hoffen konnte. Sollte das frühere Urteil in Frankreich bestätigt werden, steht für den alten Despoten zu befürchten, daß er seine letzten Jahre in französischer Haft verbringen muß.

Manuel Noriega, der eine Laufbahn als Berufssoldat einschlug, wurde schon als junger Offizier von der CIA als Informant angeworben und an der berüchtigten "School of the Americas" in der Kanalzone ausgebildet, die bis 1999 unter US-amerikanischer Verwaltung stand. Er stieg zu einem der wichtigsten Handlanger Washingtons in dieser Weltregion auf, als die US-Regierung Mittelamerika in ein Schlachtfeld gegen Kommunismus und Revolution verwandelte. Noriega hielt die strategisch überaus wichtige Kanalzone unter Kontrolle, sorgte für stabile Verhältnisse in seinem Land und unterstützte den Krieg gegen die Sandinisten in Nicaragua wie auch gegen die Ausbreitung gesellschaftlicher Umwälzungen in Guatemala, Honduras und El Salvador. Von 1971 bis 1983 war er Chef des militärischen Geheimdienstes, worauf er Panama von 1983 bis 1989 de facto regierte und mit brutaler Repression gegen die Opposition vorging.

Als Washington seiner diktatorischen Dienste nicht mehr bedurfte und er seine Drogengeschäfte mit kolumbianischen Kartellen exzessiv ausbaute, hielt man den Zeitpunkt für gekommen, sich seiner zu entledigen. Nachdem entsprechende Signale, Drohungen und sogar Putschpläne nicht fruchteten, verhängten die USA schließlich Sanktionen bis hin zu einem Handelsembargo. Als Noriega daraufhin Druck auf US-amerikanische Militärs und Zivilisten auszuüben begann, bot dies den willkommenen Vorwand zur Invasion des mittelamerikanischen Landes. Ohne Kriegserklärung fielen US-Truppen am 20. Dezember 1989 in Panama ein, überrannten die schwachen Streitkräfte und belagerten die Botschaft des Vatikans, in die sich Noriega geflüchtet hatte. Zehn Tage später ergab sich der Gesuchte am 2. Januar 1990, worauf er festgenommen und nach Miami verschleppt wurde.

Da die USA diesen skrupellosen Statthalter jahrelang unterstützt, später aber das Land völkerrechtswidrig angegriffen, Hunderte seiner Bürger getötet und den Machthaber entführt haben, muß ihnen daran gelegen sein, diese Blaupause späterer Angriffskriege im Nahen und Mittleren Osten der Vergessenheit zu überantworten. Noriega nach Panama zurückkehren zu lassen, wo er nach Jahrzehnten erneut zu polarisieren drohte, konnte für Washington keine Option sein. Daher schob man den Franzosen die lästige Aufgabe zu, das Waschen schmutziger Wäsche in engen Grenzen und den Problemfall Noriega unter Verschluß zu halten, bis auch in Frankreich kein Hahn mehr nach ihm und seinen Hintermännern kräht.

Anmerkungen:

[1] Noriega-Prozess in Paris. Anklage lautet auf Geldwäsche (29.06.10)
http://oe1.orf.at/artikel/248602

[2] Noriega drohen zehn Jahre Haft. Ex-Machthaber Panamas wirft USA "Verleumdung" vor (29.06.10)
http://derstandard.at/1277337127689/Noriega-drohen-zehn-Jahre-Haft

[3] Ich bin Soldat und Politiker, kein Bankier (30.06.10)
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Ich-bin-Soldat-und-Politiker-kein-Bankier/story/17704381

2. Juli 2010