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MEDIEN/443: Streit um Hetze gegen Muslime im US-Fernsehen (SB)


Streit um Hetze gegen Muslime im US-Fernsehen

Rechte Republikaner springen entlassenem NPR-Moderator bei


Parallel zur Entwicklung in den Ländern der Europäischen Union - siehe die Volksverhetzung Geert Wilders' in den Niederlanden und Thilo Sarrazins in Deutschland, die Minarettdebatte in der Schweiz u. v. m. - läßt sich leider auch in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Welle der Islamophobie feststellen, die besonders von den Republikanern vorangetrieben wird. Mit billigem Populismus will die Grand 'Ol Party (GOP) um Sarah Palin, Newt Gingrich und Karl Rove bei den Zwischenwahlen zum Kongreß in Washington Anfang November die Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat erobern, um in zwei Jahren die Kontrolle über das Weiße Haus zu übernehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist den Republikanern jedes Mittel Recht, auch das Streuen und Am-Leben-Halten des Gerüchts, daß Präsident Barack Hussein Obama von den Demokraten kein Christ, sondern ein heimlicher Moslem ist, der Amerika entweder dem Kommunismus oder dem globalen Kalifat à la Osama Bin Laden und Al Kaida überantworten will. Einen Beweis für die rücksichtlose Machtgier der Republikaner und die erschreckende Effektivität ihrer absurden Gruselgeschichten lieferte im August und September der hanebüchene Streit um den "Bau einer Moschee" am Ground Zero, dem früheren Standort der Zwillingstürme des World Trade Center in New York, die am 11. September 2001 bekanntlich durch islamistische Kamikazes zum Einsturz gebracht worden sein sollen.

Besondere Hilfe erhalten die Republikaner bei ihrem Feldzug gegen die Demokratie und gegen gesunden Menschenverstand von Rupert Murdochs überpatriotischem Nachrichtensender Fox News, wo viele Mitglieder der Parteiprominenz als Kommentatoren unter Vertrag stehen und wo der "globale Antiterrorkrieg" lediglich als Tarnbezeichnung für den heiligen Kreuzzug der heldenhaften Männer und Frauen der US-Streitkräfte gegen die bösen Steinzeit-Mohammedaner am Hindukusch, in Mesopotamien, Persien, Arabien, am Horn von Afrika und anderswo gilt. Kein Wunder also, daß der jüngste Streit um anti-muslimische Hetze seinen Lauf bei Fox News genommen hat - und zwar in der Sendung "The O'Reilly Factor" des reaktionären Verbalrambos Bill O'Reilly vom 20. Oktober.

An jenem Abend hatte O'Reilly Juan Williams bei sich zu Gast, der für mehrere Zeitungen schreibt, hauptberuflich als Korrespondent für den nicht-staatlichen, nicht-kommerziellen Sender National Public Radio (NPR) arbeitet, aber auch gelegentlich bei Fox News als Kommentator auftritt. Im Gespräch der beiden Männer postulierte O'Reilly ein "muslimisches Dilemma" und stellte folgende These in den Raum: "Die nackte Wahrheit ist, daß auf der Welt heute der Dschihad, unterstützt und begünstigt durch manche muslimische Nation, die größte Bedrohung auf dem Planeten darstellt."

Auf O'Reillys Frage, was er dazu meine, erklärte seinerseits Williams, der wie Präsident Obama ein Schwarzer ist, folgendes: "Schauen Sie mal, Bill. Ich bin kein Rassist. Sie kennen die Art von Büchern, die ich über die Bürgerrechtsbewegung in diesem Land geschrieben habe. Aber ich muß Ihnen sagen, daß ich, wenn ich in ein Flugzeug steige und Leute in muslimischer Tracht sehe, mir denke, sie identifizieren sich in erster Linie als Muslime. Das löst bei mir Sorgen aus. Das macht mich nervös." Unter Verweis auf das Ende des Prozesses gegen Faisal Shahzad, der im September wegen eines im Frühjahr auf dem Times Square in New York gescheiterten Autobombenanschlags zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde, erklärte Williams weiter: "Er sagte, der Krieg gegen die Muslime, Amerikas Krieg, habe erst begonnen. Die ersten Blutstropfen. Ich denke, es gibt keine Möglichkeit, diese Tatsachen zu leugnen."

Es dauerte nur wenige Stunden nach diesem Auftritt, da gab NPR das Ende der Zusammenarbeit mit Williams bekannt. Man begründete die Aufkündigung des Arbeitsvertrages mit den Äußerungen von Williams in der O'Reilly-Sendung, die nach Meinung der NPR-Verantwortlichen "mit den redaktionellen Standards und Praktiken" des Senders "nicht vereinbar" wären und die Williams' "Glaubwürdigkeit als Nachrichtenanalysten" unterminiert hätten. Am 21. Oktober machte die Entlassung von Williams in allen Zeitungen der USA Schlagzeilen - zum Beispiel in der New York Times die folgende: "NPR Fires Analyst Over Comments on Muslims".

Rasch nahmen prominente Vertreter der republikanischen Rechten wie Palin, der konservative Talk-Radio-DJ Rush Limbaugh und der ehemalige Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, Williams in Schutz und bauten ihn zum Opfer einer politisch-korrekten Medienzensur der sogenannten Linksliberalen auf. Die meiste Unterstützung erhielt Williams jedoch vom Fox-News-Management. Wie der Londoner Guardian am 22. Oktober meldete, hat die Leitung von Fox News den geschaßten Ex-NPR-Korrespondenten einen Dreijahresvertrag im Wert von zwei Millionen Dollar angeboten. Mit seinen fremdenfeindlichen Ansichten wäre Williams bei O'Reilly, Glenn Beck, Palin und Konsorten bestens aufgehoben.

22. Oktober 2010