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MEDIEN/464: Überwachungsstaatgegner Glenn Greenwald in der Kritik (SB)


Überwachungsstaatgegner Glenn Greenwald in der Kritik

Sibel Edmonds unterstellt eBay-Gründer Pierre Omidyar Bestechung



Im Mittelpunkt des NSA-Abhörskandals der letzten Monate steht der New Yorker Anwalt und Medienkommentator Glenn Greenwald. Ihm und der Filmemacherin Laura Poitras hat der Whistleblower Edward Snowden im Juni in Hongkong, unmittelbar vor seiner Flucht ins russische Exil, einen ganzen Berg an Daten über die illegalen Überwachungspraktiken der National Security Agency (NSA) übergeben. Vor allem über die britische Tageszeitung Guardian, wo Greenwald seit 2012 einen eigenen Blog zum Thema Bürgerrechte betrieb, aber auch über die Washington Post und das Nachrichtenmagazin Spiegel, haben Greenwald und Poitras peu-à-peu die Machenschaften der NSA aufgedeckt und damit weltweit für Furore gesorgt.

Die Beteiligten am Bekanntmachen des größten Geheimdienstskandals der letzten Jahre haben dafür nicht nur viel Lob geerntet, sondern auch einen nicht geringen Preis bezahlt. Die Räumlichkeiten des Guardian wurden im August von Beamten der Polizei und des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 durchsucht. Unter deren Augen mußten die Festplatten, auf denen Kopien der NSA-Daten von Snowden gespeichert worden waren, zerstört werden. Am 3. Dezember mußte der Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger dem Innenausschuß des britischen Unterhauses Rede und Antwort stehen und sich seitens konservativer Abgeordneter Fragen ob seines Patriotismus gefallen lassen. Derzeit wird gegen Rusbridger und mehrere Guardian-Redakteure wegen Geheimnisverrats ermittelt. Ebenfalls im August wurde am Flughafen Heathrow David Miranda, Greenwalds brasilianischer Lebensgefährte, der nach einem Treffen mit Poitras in Berlin auf der Rückreise nach Rio war, von der britischen Polizei unter Verweis auf die Anti-Terror-Gesetzgebung vorübergehend verhaftet und neun Stunden lang vernommen. Aus berechtigter Angst vor Verhaftung traut sich Greenwald nicht in die USA und bleibt lieber in Brasilien.

Im Oktober gab Greenwald seinen Weggang vom Guardian bekannt, um mit Poitras, dem Kriegsberichterstatter Jeremy Scahill und der finanziellen Unterstützung des schwerreichen eBay-Gründers Pierre Omidyar eine eigene Onlinepublikation zu gründen, die unabhängigen Journalismus fördern und den Kampf gegen die zunehmende Bedrohung der Presse- und Meinungsfreiheit nicht nur in den USA, sondern auch in den anderen westlichen Demokratien forcieren soll. Am 11. Dezember hat die FBI-Whisteblowerin Sibel Edmonds in einem längeren Artikel auf ihrer Website Boiling Frogs Post das neue Projekt Greenwalds kritisiert und die Motive Omidyars hinterfragt. Edmonds unterstellt dem in Frankreich geborenen Iranisch-Amerikaner, sich mit seiner 250-Millionen-Dollar-Spende an Greenwald, Poitras und Scahill Zugriff auf die NSA-Daten Snowdens verschaffen zu wollen. In einer Twitter-Meldung hat sich Greenwald am selben Tag über die Verdächtigungen echauffiert, die ehemalige FBI-Übersetzerin als "dumm" und "verrückt" beschimpft und sein Bedauern, jemals mit ihr etwas zu tun gehabt zu haben, geäußert.

Die Heftigkeit von Greenwalds Reaktion läßt vermuten, daß Edmonds hier einen wunden Punkt getroffen hat. Natürlich kann sie nicht wissen, was sich alles noch in den nicht veröffentlichen 95 Prozent der NSA-Daten Snowdens befindet; es steht nicht fest, daß sie etwas über eine Kooperation zwischen eBay oder dessen Tochterunternehmen PayPal mit der NSA enthalten. So in etwa lautet auch Greenwalds Hauptargument in dem Streit. Wenn man sich jedoch die Enthüllungen der letzten Monate vergegenwärtigt, wie sich die NSA mit oder ohne Hilfe der betroffenen Unternehmen den Zugang zu den Kundendaten großer US-Telefonfirmen und Internetdienstleistungsunternehmen wie Apple, AOL, AT&T, Facebook, Google, LinkedIn, Microsoft, Twitter und Yahoo verschafft hat, dann erscheint die Vermutung, daß eBay und PayPal auf ähnliche Weise in die Machenschaften des mächtigsten elektronischen Nachrichtendienstes der Welt verstrickt sind, nur logisch. Zustimmend hierzu zitiert Edmonds in ihrem Artikel die NSA-Whistleblower William Binney, Russell Tice und William Russell sowie John Young, den Betreiber der Enthüllungsplattform Cryptome.org.

Darüber hinaus macht Edmonds geltend, daß PayPal, das seit 2002 zu Omidyars eBay gehört, Geldüberweisungen von und zu Wikileaks und dem Bradley Manning Support Network nicht zuläßt und damit die Arbeit jener beiden Organisationen schwer behindert. Sie zitiert auch eine Twitter-Meldung Omidyars vom 16. Juli 2009, in der sich der junge Milliardär gegen die Veröffentlichung "gestohlener" Informationen und für die Aushändigung des "Diebs" an die Behörden ausspricht. In jenem Monat hatte Wikileaks eine entsprechende Dokumentation über eine kurz zuvor vom amerikanisch-israelischen Computerwurm Stuxnet ausgelöste Panne in der iranischen Urananreicherungsanlage Natans veröffentlicht. Von daher wäre Glenn Greenwald vielleicht besser beraten, sich der Frage nach der Motivlage seines neuen Gönners noch intensiver zu widmen, als auf der einstigen Verbündeten Edmonds herumzuhacken.

14. Dezember 2013