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MEDIEN/487: China - Scharmützel und Medienkrieg ... (SB)


China - Scharmützel und Medienkrieg ...


Inmitten der Covid-19-Pandemie haben die Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China einen neuen Tiefpunkt erreicht. Um von den Versäumnissen bei der Bewältigung der Gesundheitskrise im eigenen Land abzulenken, läßt US-Präsident Donald Trump, der um seine Wiederwahl im November zittern muß, keine Gelegenheit aus, das neuartige Corona-Virus als "China-Virus" zu bezeichnen, während sich Außenminister Mike Pompeo auf die Bezeichnung "Wuhan-Virus" versteift. Tatsächlich ist das bislang früheste nachgewiesene Auftreten des Virus auf eine erkrankte Frau in Wuhan im November zurückgeführt worden. Dennoch weiß niemand, woher der Erreger tatsächlich stammt. Die Chinesen verwahren sich massiv gegen die Unterstellung der Trump-Administration, die gefährliche Seuche unter die Menschen gebracht sowie die ganze Welt ins Chaos gestürzt zu haben, und haben deshalb am 18. März als Zeichen der Verärgerung alle Reporter der New York Times, der Washington Post und des Wall Street Journals des Landes verwiesen. Wenig überraschend wird dieser Vorfall im Westen als bösartiger Angriff der kommunistischen Führung in Peking auf die Meinungs- und Pressefreiheit ausgelegt.

Ungeachtet aller Vorwürfe bezüglich einer möglichen Nähe Trumps zu Rußland - Stichwort Russiagate - sind die "liberalen" Leitmedien der USA in den letzten drei Jahren alle auf den China-feindlichen Kurs des windigen New Yorker Immobilienhais eingeschwenkt. Während Trump einen ruinösen Handelskrieg mit der Volksrepublik angezettelt hat und unter dem Vorwand zweifelhafter Spionageverdächtigungen den Vorsprung des chinesischen Mobilfunkherstellers Huawei in der 5G-Technologie zu ruinieren versucht, bauschen Amerikas Reporter und Kommentatoren China zum neuen "Reich des Bösen" auf. Daher die Dauerberichterstattung 2019 über die zum Teil von der CIA gesteuerten Demokratie-Proteste in Hongkong, die Internierung und Umerziehung potentieller Radikalislamisten unter den Uighuren im westchinesischen Xinjiang und die neuen Methoden der Sozialkontrolle mittels Smartphone in der Volksrepublik.

Im Januar, als die Coronavirus-Epidemie die Provinz Wuhan, insbesondere die Industriemetropole Hubei, erfaßte, frohlockte Trumps Handelsminister Wilbur Ross mit der unsäglichen Aussage, die Seuche habe Chinas Position als Werkbank der Welt untergraben und würde "die Rückkehr vieler Jobs nach Amerika beschleunigen". Als dann im Februar Covid-19 in Wuhan tobte, täglich Hunderte von Toten forderte und auf ganz China überzugreifen drohte, wartete das Wall Street Journal mit einem häßlichen Artikel auf, in dessen Überschrift China als der "echte kranke Mann Asiens" bezeichnet wurde. Die Anlehnung an eine Bezeichnung, welche von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugte Politiker, Militärs und Geschäftsleute der westlichen Großmächte im 19. Jahrhundert bei der Ausplünderung Chinas gern verwendeten, war zutiefst verletzend. Eine Reaktion war unvermeidlich.

Sie erfolgte nur wenige Tage später in Form der Ausweisung mehrerer WSJ-Reporter. Daß zuvor das Wall Street Journal eine unausgesprochene Grenze überschritten hatte, zeigte sich anhand eines Protestbriefs der regulären Mitarbeiter der Zeitung, die sich von der eigenen Führungsriege und dem Eigentümer Rupert Murdoch, welche die umstrittene Überschrift zu verantworten hatten, distanzierten. Dessen ungeachtet schränkte Mike Pompeos Außenministerium angesichts der Vergeltungsaktion Pekings gegen das Wall Street Journal die Arbeitsbedingungen für die Korrespondenten der chinesischer Staatsmedien Xinhua, CGTN, China Radio und China Daily People's Daily in den USA stark ein. Die Mitarbeiter dieser Presseorgane wurden zu "Vertretern einer fremden Macht" erklärt und denselben Regeln wie ausländische Diplomaten unterworfen.

Der Medienkrieg eskalierte regelrecht, als am 12. März Lijian Zhao, Sprecher des Außenministeriums in Peking, per Twitter die Frage in die Welt setzte, ob nicht amerikanische Armeeangehörige bei der Teilnahme an den internationalen Militärspielen in Wuhan im vergangenen Oktober das neuartige Corona-Virus in die Volksrepublik eingeschleppt haben könnten. Lijian hob den Umstand hervor, daß Patient Zero der Seuche immer noch nicht identifiziert worden ist, und rief die US-Regierung zur Offenlegung aller ihrer Erkenntnisse über Covid-19 auf. Das Außenministerium in Washington bestellte daraufhin den chinesischen Botschafter Cui Tiankai ein, um gegen die Twitter-Meldung Lijians zu protestieren. Am 16. März lieferten sich Pompeo und sein chinesischer Amtskollege Yang Jiechi per Telefon einen heftigen Schlagabtausch. In dessen Verlauf beschwerte sich Yang über "Verleumdungen und Lügen", die Politik und Medien der USA über den inzwischen erfolgreichen Kampf Chinas gegen den Corona-Virus verbreiteten.

Am 18. März kam es zum drastischen Schritt der Ausweisung aller Reporter der drei namhaftesten und regierungskonformen Zeitungen der USA aus China. Was genau Peking in diesem Moment zu der Maßnahme veranlaßt hat ist unklar. Möglicherweise war der Auslöser, daß am selben Tag ein Artikel der New York Times damit endete, daß der Umgang Pekings mit Kritikern seiner Strategie zur Bekämpfung des Coronavirus als "Staatsterrorismus" bezeichnet wurde. Wie dem auch sei. China hat die Rücknahme der Akkreditierung der Reporter der New York Times, der Washington Post und des Wall Street Journal mit deren angeblich tendenziöser und stets negativer Berichterstattung begründet und die Maßnahme zudem als Antwort auf die neuen Regeln für chinesische Korrespondenten in den USA ausgegeben.

Mike Pompeo will diese Argumente nicht gelten lassen. In einem Anflug westlicher Arroganz rühmte der Chef des State Departments am 19. März die ausgewiesenen westlichen Reporter allesamt als mutige Verfechter der objektiven Berichterstattung, während er zugleich die chinesischen Kollegen in den USA als Peking-hörige Staatspropagandisten brandmarkte. Das nächste Schlachtfeld im Medienkrieg ist vorprogrammiert. Pekings schriftliche Ausweisung der Reporter der drei renommierten US-amerikanischen Zeitungen erstreckt sich ausdrücklich auch auf Hongkong. Washington sieht darin einen Angriff der Volksrepublik auf die Autonomierechte der früheren britischen Kronkolonie. Feiert demnächst am Perlflußdelta die gute alte Kanonenbootdiplomatie Wiederauferstehung?

21. März 2020


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