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MILITÄR/879: Rätsel um Scharfschützen vom Kiewer Maidan (SB)


Rätsel um Scharfschützen vom Kiewer Maidan

Ex-Sicherheitschef Yakimenko gibt Bemerkenswertes zu Protokoll



Während die Krise um die drohende Abspaltung der Krim von der Ukraine Rußland und die NATO in eine gefährliche Konfrontation gebracht hat, geraten die Umstände, die am 22. Februar den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch zur Flucht zwangen und der prowestlichen Opposition zur Machtübernahme verhalfen, in Vergessenheit. Am 20. Februar haben die Proteste rund um den Maidan-Platz eine deutliche Verschärfung erfahren, als aus dem Hinterhalt Scharfschützen mit gezielten Schüssen Dutzende Demonstranten und einige Polizisten ermordeten. Praktisch durch die Bank haben sich die Politiker des Westens der Linie der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton angeschlossen, wonach Janukowytsch das Massaker angeordnet hat und deshalb vor das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gehört. Die Führung in Moskau vermutet hinter der Aktion dagegen Spezialstreitkräfte des Westens eventuell in Form von Söldnern, die vor Ort Hilfe von ukrainischen Neofaschisten erhalten haben.

Die Vermutung der Russen wird zum Beispiel von dem veröffentlichten Mitschnitt eines Telefonats untermauert, dessen Echtheit bestätigt worden ist und in dem am 25. Februar der estnische Außenminister Urmas Paet nach einem Besuch in Kiew die EU-Außenbeauftrage Catherine Ashton über "beunruhigende" Hinweise unterrichtet, wonach nicht Janukowytsch, "sondern jemand aus der neuen Koalition hinter den Scharfschützen stand". Weitere Beweise für die Richtigkeit dieser These lieferte am 13. März die auf englisch erscheinende Kyiv Post in ihrer Online-Version. Anlaß des Artikels mit der Überschrift "Yakimenko accuses EuroMaidan leaders of hiring snipers; allegations denounced" ist ein spektakuläres Telefoninterview, das der ehemalige Chef der Nationalen Sicherheit in der Ukraine, Oleksandr Yakimenko, der auf der Flucht vor den neuen Machthabern in Kiew ist und sich an einem unbekannten Ort aufhält, dem russischen Rundfunksender Vesti gegeben hat. Wie Janukowytsch, der ehemalige Innenminister Vitaliy Zahkharchenko, der ehemalige Generalstaatsanwalt Wiktor Pshonka und der ehemalige Stabschef im Präsidialamt, Andriy Klyuyev, wird Yakimenko wegen Verwicklung in die Gewaltexzesse auf dem Maidan von den ukrainischen Behörden steckbrieflich gesucht.

Gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe setzt sich Yakimenko energisch zur Wehr und macht seinerseits die USA und die EU sowie einige Anführer der Proteste auf dem Maidan für die blutige Zuspitzung des innenpolitischen Konfliktes in der Ukraine verantwortlich. Laut Yakimenko kamen die ersten tödlichen Schüsse am 20. Februar aus dem Gebäude der Kiewer Philharmonie, die zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle von Andrei Parubiy, damals Kommandeur der Selbstschutztruppe auf dem Maidan, stand. Er wurde nach dem Putsch Nationaler Sicherheitschef der Ukraine. Nach mehreren Schüssen auf Polizisten des Innenministeriums wurde laut Yakimenko von vielen Menschen beobachtet, wie rund 20 schwerbewaffnete Männer, die Sporttaschen trugen, die sich für den Transport von Scharfschützengewehren eignen, die Philharmonie verließen. Die Männer teilten sich in zwei Gruppen auf; die eine verschwand, die andere bezog Position im Hotel Ukraine, von wo aus das tödliche Schießen weiterging.

Yakimenko behauptet, verzweifelte Anrufe von Mitgliedern der neonazistischen Svoboda-Partei und der rechtsextremen Kampftruppe Rechter Sektor bekommen zu haben, die ihn dringend baten, etwas gegen die Scharfschützen zu unternehmen. Um dies zu schaffen, hätten die staatlichen Sicherheitskräfte den besetzten Maidan-Platz mit Einverständnis der Protestierer überqueren müssen. Doch dafür gab es seitens Parubiy keine Genehmigung. Im Gegenteil will Yakimenko im Besitz von Erkenntnissen dafür sein, daß die Scharfschützen mit der tatkräftigen Unterstützung von Parubiy agierten. Demnach bekamen Parubiy und die anderen Anführer der Protestbewegung während der wochenlangen Demonstration ihre Befehle von der US-Botschaft bzw. vom polnischen Diplomaten Jan Tombinski, der sich in der EU-Vertretung aufhielt.

Die Amerikaner hätten am 21. Februar die mit der EU ausgehandelte Kompromißlösung zwischen Opposition und Janukowytsch torpediert, um die EU und Rußland auszumanövrieren und die eigenen, ausgewählten Handlanger an die Macht zu hieven, so Yakimenko. Nach dessen Informationen haben die ukrainischen Behörden nach Beginn der Proteste eine dramatische Steigerung des Gepäckaufkommens in den westlichen Botschaften in Kiew bemerkt. Kurz darauf sollen brandneue Dollarnoten in der ukrainischen Hauptstadt im Umlauf gewesen sein, was für Yakimenko ein Hinweis darauf ist, daß der Sturz Yanukowytschs mittels einer "gekauften" Revolution vollbracht wurde.

15. März 2014