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MILITÄR/922: USA - Fürsorgeverweigerung ... (SB)


USA - Fürsorgeverweigerung ...


Agent Orange - der Name jenes Entlaubungsmittels, das die US-Luftwaffe im Dschungelkrieg in Vietnam großflächig eingesetzt hat, gilt weltweit als Inbegriff kriminellen Handelns auf Kosten von Mensch und Natur. Wegen der in Agent Orange enthaltenen Giftstoffe, allen voran Dioxin, kommen heute noch vietnamesische Kinder mißgebildet zur Welt, während die Zahl der schwer erkrankten US-Soldaten und Zivilisten in Vietnam in die Hunderttausende geht. Bei den Kriegen in Afghanistan (2001 bis heute) und im Irak (2003 bis 2012) hat sich das Pentagon ein weiteres Umweltverbrechen gigantischen Ausmaßes geleistet, nämlich die Verbrennung des auf den amerikanischen Stützpunkten anfallenden Mülls in offenen Mulden.

In die bis zu drei Fußballfelder großen sogenannten "burn pits" wurde alles, was man anderweitig nicht entsorgen konnte, darunter Einweggeschirr und -besteck, Essensreste, Fahr- und Flugzeugteile, Altreifen, Verpackungsmaterial aller Art, das meiste aus Plastik, Sondermüll wie Batterien sowie medizinischer Abfall einschließlich menschlicher Leichenteile hineingeworfen, mit Diesel übergossen und abgefackelt. Allein auf dem 40 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stützpunkt Camp Balad, der auf dem Höhepunkt der amerikanischen Irakbesetzung 30.000 Militärangehörige beherbergte, wurden täglich 270 Tonnen Müll in der dortigen "burn pit" entsorgt (sic). Die Rauchwolken waren ungeheuerlich und stellten einen Dauergrund zur Beschwerde seitens der einfachen Militärangehörigen dar.

Bereits 2006 hat ein Wissenschaftler der US-Luftwaffe wegen dieser Praxis schriftlich Bedenken angemeldet und das Pentagon vor den gesundheitlichen Folgen gewarnt. Er wurde jedoch ignoriert. Erst 2009, als die Existenz des Schreibens öffentlich bekannt wurde, Kelley Beaucar Vlahos in der Zeitschrift The American Conservative das Thema aufgriff und sich erste Geschädigte zu Wort meldeten, reagierte man im US-Verteidigungsministerium. Vereinzelte Verbrennungsanlagen wurden in das Zweitstromland und an den Hindukusch gebracht, blieben dort jedoch praktisch ungenutzt.

Inzwischen geht eine Gruppe von 800 Irak- und Afghanistanveteranen, die an Krebs erkrankt sind oder unter schweren Herz- und Lungenerkrankungen leiden, juristisch gegen das Ministerium vor. Sie sehen die Art und Weise, wie das Pentagon sie behandelt und ihre Leiden nicht als kriegsbedingt anerkennen will, um Entschädigungszahlungen und die Kosten der medizinischen Behandlung zu sparen, nicht ein. Deshalb haben sie Klage gegen den Militärdienstleister Kellogg, Brown & Root (KBR) eingereicht, der im Auftrag des Pentagons im Irak die US-Militärstützpunkte betrieben hat und sie in Afghanistan heute noch betreibt und wie kein zweites Unternehmen von den Kriegen in diesen Ländern profitiert. In erster Instanz hatten die "Burn-Pit"-Geschädigten Erfolg, in der zweiten wurde ihre Klage jedoch abgewiesen. Am 20. Juni hat das 4. Bundesberufungsgericht in Richmond, Virginia, sein Urteil in der Angelegenheit zuungunsten der Betroffenen gefällt.

Obwohl es seitens des Pentagons ein Verbot der Verbrennung gefährlicher Güter sowie diverse Anordnungen zur Entsorgung von Abfall gab, urteilten die Richter, daß KBR keine Schuld am unverantwortlichen Umgang mit dem Müll auf den Stützpunkten trug. Das Militär im Irak und in Afghanistan habe die Einrichtung und den Betrieb der "burn pits" angeordnet, bei ihm lag die Entscheidungsgewalt; wenn jemand haftbar gemacht werden sollte, denn die zuständigem Mitarbeiter im US-Verteidigungsministerium, so das Gericht.

Nach der Urteilsverkündung zeigte sich Susan Burke, Anwältin der Kläger, enttäuscht. Ob diese noch den Obersten Gerichtshof anrufen wollen, ließ sie offen. Möglicherweise erhalten die "Burn-Pit"-Opfer Schützenhilfe aus dem Kongreß. Dort will eine Reihe von Abgeordneten und Senatoren, darunter die Demokratin Tulsi Gabbard, die 2004 als Mitglied der Nationalgarde von Hawaii gedient hat, die Umweltvergehen des eigenen Militärs in Übersee angehen und dafür sorgen, daß den erkrankten Soldaten vom Amt für Veteranenangelegenheiten finanziell und medizinisch unter die Arme gegriffen wird.

24. Juni 2018


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