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NAHOST/1068: Amerikaner drängen auf Verbleib im Irak (SB)


Amerikaner drängen auf Verbleib im Irak

Robert Gates trifft sich in Bagdad mit Nuri Al Maliki


Immer näher rückt der Termin Ende Dezember 2011, bis zu dem die USA ihre letzten Soldaten aus dem Irak abgezogen haben sollen. So sieht es das State of Forces Agreement (SOFA) vor, das 2008 der damalige republikanische US-Präsident George W. Bush mit dem irakischen Premierminister Nuri Al Maliki abschloß. Von Anfang an bestand aber Zweifel daran, daß sich die Amerikaner an das Abkommen auch halten würden. Schließlich waren die US-Streitkräfte 2003 nicht nur in den Irak einmarschiert, um Saddam Hussein zu stürzen, sondern auch um das Zweistromland als dauerhafte Basis für Militäroperationen in der ganzen Region zu gewinnen. Folglich wundert es nicht, daß im US-Kongreß und in der amerikanischen Presse die Forderung laut wird, die demokratische Regierung Barack Obamas müsse in den verbliebenen Monaten Bagdad irgendwie zu einer Revidierung des SOFA bewegen. "Nach den Tausenden von amerikanischen Gefallenen und den ausgegebenen Milliarden wäre es eine Tragödie, sollte der Irak wegen des durch einen Abzug der US-Streitkräfte entstandenen Sicherheitsvakuums wieder in den Krieg zurück- oder dem Iran oder anderen Nachbarstaaten zum Opfer fallen", hieß es pathetisch am 3. April in einem Leitartikel der Washington Post.

In Washington haben die Umbrüche, die seit Anfang des Jahres die arabischen Staaten erschüttern, den ohnehin vorhandenen Drang zur Schaffung einer dauerhaften US-Militärpräsenz im Irak bestärkt. Die Niederschlagung der demokratischen Opposition in Bahrain, wo sich das Hauptquartier der fünften US-Flotte befindet, hat für gefährliche Spannungen am Persischen Golf gesorgt. Saudi-Arabien und die anderen Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats, deren Truppen am 16. März in Bahrain auf Bitten der dortigen Regierung einmarschiert sind, um für "Stabilität" und "Ordnung" zu sorgen, werfen dem Iran vor, die Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit gegen die sunnitische Herrscherfamilie Al Khalifa angestachelt zu haben. Teheran weist den Vorwurf weit von sich und bezichtigt seinerseits die sunnitischen Monarchien am Persischen Golf, durch das Schüren anti-schiitischer Ressentiments ihren wackeligen Thron retten zu wollen.

Um die Lage zu besprechen, traf sich in Riad am 6. April US-Verteidigungsminister Robert Gates mit dem saudischen König Abdullah. Vom Inhalt der eineinhalbstündigen Unterredung, an der nur Abdullah, Gates und der saudische Botschafter in Washington, Adel Al Jubeir, als Dolmetscher teilnahmen, ist nichts bekannt. Folglich läßt sich nicht beurteilen, ob die Annahme, die USA hätten den Saudis grünes Licht für den Einmarsch in Bahrain gegeben, um im Gegenzug die Forderung der Arabischen Liga nach einer Militärintervention in Muammar Gaddhafis Libyen zu bekommen, zutrifft oder ob an der Behauptung, Riad habe die Aktion ohne Absprache mit Washington durchgeführt, wodurch die bilateralen Beziehungen so gestört wie lange nicht mehr seien, etwas Wahres ist.

Nach der Audienz beim saudischen König brach Gates, der sich noch in diesem Jahr aus der aktiven Politik zurückziehen will, zu einem mehrtägigen, eventuell letzten Besuch im Irak auf. Auf dem Programm standen Gespräche mit führenden amerikanischen und irakischen Militärs an verschiedenen Standorten sowie ein Treffen in Bagdad mit Premierminister Maliki, bei dem das SOFA ganz oben auf der Tagesordnung gestanden haben dürfte. Trotz des Mitte 2010 von Obama vorangetriebenen Abzugs der verbliebenen amerikanischen "Kampftruppen" aus dem Irak stehen dort immer noch 47.000 US-Militärs. Diese bilden die irakischen Streitkräfte aus und rüsten sie mit modernem Kriegsgerät auf, begleiten sie auf Patrouillen, machen Jagd auf "Terroristen" und kontrollieren den irakischen Luftraum.

Seit Anfang des Jahres hat die Zahl der Anschläge und Überfälle im Irak deutlich zugenommen. Dies hängt einerseits mit dem Machtkampf der Araber und Kurden um die ölreiche Provinz Kirkuk, andererseits mit der Tatsache zusammen, daß sich das gesellschaftliche Leben nach dem Ende der Herrschaft der Baath-Partei und dem blutigen Bürgerkrieg, der in den Jahren 2005 und 2006 besonders heftig getobt hatte, immer noch nicht normalisiert hat. Die Sunniten und die Säkularisten um den Ex-Premierminister Ijad Allawi werfen dem Regierungschef Maliki vor, die Interessen der Schiiten vor denen des ganzen Volkes zu stellen. Die Sunniten fühlen sich besonders aus der neuen Armee und Polizei ausgeschlossen, obwohl das Versprechen auf ihre Integrierung mit dazu beitragen hatte, 2007/2008 den Bürgerkrieg einigermaßen zu beenden. Folglich könnte der Konfessionskrieg jederzeit wieder aufflammen.

Der Machtkampf im Irak zwischen Sunniten und Schiiten wird durch die jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt im allgemeinen, im nahegelegen Bahrain im besonderen angeheizt. Man nimmt deshalb an, daß sich Maliki größte Mühe geben wird, dem Drängen von dem Noch-Pentagonchef Gates nach Revidierung des SOFA-Vertrages nicht nachzugeben. In dieser Angelegenheit darf er mit der starken Unterstützung des Irans rechnen. Doch weil Maliki das nicht allzu öffentlich machen darf, um nicht die Dauerkonfrontation zwischen Teheran und Washington zusätzlich zu verschärfen, wird er vermutlich argumentieren, aus Rücksicht auf den schiitischen Prediger Muktada Al Sadr, dessen Abgeordnete die Regierung in Bagdad stützen, dem Wunsch der Amerikaner nicht nachkommen zu können. Al Sadr hat sich in den letzten Jahren als der konsequenteste Befürworter des Abzugs aller ausländischen Streitkräfte aus dem Irak hervorgetan. Ob die Amerikaner jedoch Rücksicht auf die Wünsche Teherans, Malikis und Al Sadrs nehmen werden, ist eine andere Frage. Man kann nur hoffen, daß sie es tun, denn die Alternative könnte ein großer Krieg am Persischen Golf sein.

9. April 2011