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NAHOST/1138: Hilft Aserbaidschan Israel den Iran anzugreifen? (SB)


Hilft Aserbaidschan Israel den Iran anzugreifen?

Israelisch-Aserbaidschanische Freundschaft unter Verdacht



Für diplomatische Furore sorgte am 28. März der Autor und Historiker Mark Perry mit der Veröffentlichung des Artikels "Israel's Secret Staging Ground" in der angesehenen US-Politzeitschrift Foreign Policy. In dem Artikel werden mehrere nicht namentlich genannte Vertreter der US-Regierung - "vier ranghohe Diplomaten und Militärgeheimdienstoffiziere" - dahingehend zitiert, daß man sich in Washington Sorgen mache, daß Israel mit Aserbaidschan einen heimlichen Deal über die Nutzung von vier Luftwaffenstützpunkten geschlossen haben könnte. Ein solches Abkommen wäre deshalb hochbrisant, weil die Nutzung jener Basen der israelischen Luftwaffe einen Überraschungsangriff auf die Atomanlagen des südlich an Aserbaidschan angrenzenden Irans erheblich erleichtern würde. Seitdem hagelt es von Seiten Bakus Dementis. Tel Aviv hüllt sich in Schweigen, während in den USA die likud-freundlichen Neokonservativen Präsident Barack Obama bezichtigen, durch das Weiterreichen entsprechender Geheimdiensterkenntnisse an Perry und Foreign Policy die israelischen Pläne durchkreuzt und damit die bösen "Mullahs" in Teheran in Schutz genommen zu haben.

Seit einiger Zeit droht die rechtskonservative israelische Regierung, angeführt von Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak, mit einem Angriff auf Irans Atomanlagen. Netanjahu unterstellt den Iranern, unter dem Schutz ihres zivilen Kernenergieprogramms insgeheim den Bau der Atombombe zu erforschen. Teheran bestreitet dies vehement. Nichtsdestotrotz hat der Chef der Likud-Partei eine iranische Atomwaffe zur existentiellen Bedrohung des Staates Israel erklärt, die zu akzeptieren Tel Aviv niemals bereits sein werde, und hält sich deswegen entsprechende Gegenmaßnahmen demonstrativ offen.

Die USA versuchen derzeit, Teheran im sogenannten "Atomstreit" mittels diplomatischen und wirtschaftlichen Drucks zum Einlenken - sprich zum Verzicht auf die Urananreicherung - zu bewegen. Unter Verweis auf ihre Rechte nach dem Atomwaffensperrvertrag halten die Iraner an der Urananreicherung im eigenen Land zur Herstellung von Brennmaterial für ihr neues Kernkraftwerk in Bushehr fest. Am 13. April stehen in Istanbul eventuell die entscheidenden Verhandlungen an. Kommt es zu keinem Kompromiß könnten die Waffen sprechen. Auf einer Sicherheitskonferenz im saudischen Riad am 31. März hat US-Außenministerin Hillary Clinton Teheran quasi ein Ultimatum gestellt, als sie erklärte, das "Zeitfenster" für eine friedliche Lösung werde "nicht ewig offenbleiben".

Folglich darf es nicht verwundern, würden die Israelis, die angeblich ihr eigenes "Zeitfenster" zur Verhinderung des Baus einer iranischen Atombombe schließen, nicht längst entsprechende Vorkehrungen für den Tag X ergreifen. Ein Angriff auf die iranischen Atomanlagen, die weit verstreut in dem riesigen, gebirgigen Land liegen, wäre viel komplizierter als Operation Babylon, die Bombardierung des noch im Bau befindlichen irakischen Atomreaktors Osirak im Jahre 1981. Erstens müßten sich die Israelis Überflugsrechte über Saudi-Arabien, der Türkei und Jordanien sichern. Zweitens stellte die Distanz die größte Herausforderung dar. Die Westgrenze des Irans liegt rund 1000 Kilometer von Israel entfernt. Für einen Hin- und Rückflug plus Angriff auf ein Ziel irgendwo in der Islamischen Republik müßte man pro Flugzeug grob mit 3.500 Kilometer rechnen. Auch mit Auftanken würde sich die Menge des benötigten Treibstoffs negativ auf die Anzahl und das Gewicht der mitzuführenden Sprengkörper auswirken. Komplett anders sehe das Szenario aus, könnten die israelischen Piloten zum Iran fliegen, dort ihre Mission absolvieren und, statt nach Israel zurückzukehren, einfach auf der anderen Seite der 600 Kilometer langen Grenze in Aserbaidschan landen. Dort könnte man wieder auftanken, Kugeln, Bomben und Raketen neu beladen und entweder weitere Angriffe oder Operationen zur Bergung abgeschossener Kameraden durchführen.

Seit einigen Jahren kommt es zum regen Handel zwischen Israel und Aserbaidschan. Im öl- und gasreichen Anrainerstaat des Kaspischen Meers sind zahlreiche israelische Unternehmen inzwischen tätig. Private israelische Sicherheitsdienstleister stellen die Leibgarde des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alliyev. Im vergangenen Februar haben Baku und Tel Aviv einen 1,6 Milliarden Dollar schweren Vertrag über den gemeinsamen Bau von 60 israelischen Drohnenflugzeugen vereinbart. Im März hat die Polizei in Baku mit großem Tamtam 22 Iraner wegen des Verdachts der Planung "terroristischer" Anschläge auf die amerikanischen und israelischen Botschaften verhaftet. Teheran hat die Verhaftungen als durchsichtiges und feindseliges Propagandamanöver verurteilt. Die zunehmende Freundschaft zwischen Israel und Aserbaidschan läßt jedenfalls den Inhalt des besagten Foreign-Policy-Artikels von Mark Perry als durchaus plausibel erscheinen.

2.‍ ‍April 2012