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NAHOST/1545: Huthi-Saleh-Allianz im Jemen zeigt erste Risse auf (SB)


Huthi-Saleh-Allianz im Jemen zeigt erste Risse auf

Jemenkrieg zwischen Beilegung und Aufflammen


Seit zweieinhalb Jahren versucht vergeblich eine von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz im Jemen den gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder an die Macht zu bringen. Der Krieg, der rund 15.000 Menschen gewaltsam das Leben nahm, Hunderttausende mit Cholera infizierte, Millionen zu Binnenflüchtlingen machte und Abermillionen dem Hunger aussetzt, befindet sich seit längerem in einer Pattsituation. Im Süden und Osten haben hadi-nahe Kräfte, die Truppen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) - südliche Separatisten und Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) das Sagen. Im Norden und Westen herrschen dagegen schiitische Huthi-Rebellen und jene Teile der jemenitischen Streitkräfte, die dem ehemaligen, langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh und dessen Klan treu ergeben sind. Doch in den letzten Tagen zeigte die Huthi-Saleh-Allianz erste Risse auf.

Der 1942 geborene Saleh ist nach wie vor der alles überragende politische Akteur im Jemen. Als junger Mann gehörte er den Armeeoffizieren an, die 1968 als Sieger aus dem sechsjährigen Bürgerkrieg gegen die Monarchisten hergingen und damit aus dem Konigreich Jemen eine Republik machten. 1974 nahm er am Putsch gegen Präsident Abdul Al Karim Al Iryani teil. 1978 übernahm er selbst das Amt des Staatsoberhaupts von Nordjemen. 1990 kam es in Reaktion auf das Ende des Kalten Krieges zur Vereinigung des konservativen Nord- mit dem einst sozialistischen Südjemen mit Saleh als Präsident. Als sich vier Jahre später der Süden gegen seine Benachteiligung im neuen gemeinsamen Staat erhob, ließ Saleh den Aufstand blutig niederschlagen. In den Nullerjahren lieferten sich Salehs Armee und Rebellen in dem mehrheitlich von Schiiten bewohnten Norden des Jemens immer wieder schwere Kämpfe. Bei den Auseinandersetzungen kamen Tausende von Menschen, darunter Hussein Badreddin Al Huthi, dessen Familiename häufig als Bezeichnung für die schiitische Bewegung Ansarullah benutzt wird, ums Leben.

In Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling 2011 fanden auch im Jemen über Monate Massenproteste für politische Reformen statt. Widerwillig und nur aufgrund massiven Drucks seitens der USA und Saudi-Arabiens hat Saleh 2012 abgedankt und die Präsidentschaft seinem damaligen Stellvertreter Hadi überlassen. Hadi sollte nur für zwei Jahre als Staatsoberhaupt agieren und während dieser Zeit die politischen Veränderungen, welche eine verfassungsgebende Versammlung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet, auf den Weg bringen. Als er sich jedoch weigerte, die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen und keine Anstalten Richtung Rücktritt machte, haben die Huthis mit Hilfe der Saleh-Leuten Ende 2014 geputscht. Im März 2015 starteten die Saudis und ihre Verbündeten eine großangelegte Militärintervention im Jemen unter dem Vorwand, hinter den Huthis stecke der Iran, man dürfe nicht zulassen, daß das "Mullah-Regime" in Teheran die Kontrolle über die für den internationalen Seehandel enorm wichtige Meeresenge Bab Al Mandab zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean bekomme.

Doch inzwischen wollen die Saudis den blamablen Militäreinsatz im Jemen, der ihnen zu einer Zeit niedriger Ölpreise enorm viel Geld kostet, beenden. Der 32jährige Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bereitet sich auf den Tod seines erkrankten, 82jährigen Vaters Salman und den Aufstieg zum König vor und kann aus Gründen der Machtsicherung das teure Abenteuer im Nachbarland nicht mehr gebrauchen. Angeblich hat Mohammed Bin Salman die Emirater damit beauftragt, mit den jemenitischen Streitparteien einem Ausweg für alle aus der militärischen Sackgasse auszuloten. Noch im Mai kursierten Gerüchte, Abu Dhabi verhandele heimlich mit Vertretern Rußlands, des Saleh-Klans und südjemenitischen Separatisten über eine politische Lösung für den Konflikt.

Im Jemen wurde den Gerüchten nicht umsonst Glauben geschenkt. Schließlich arbeitete Salehs ältester Sohn Ahmed, einst Kommandeur der Revolutionsgarden, von 2013 bis 2015 als Botschafter des Jemens bei den VAE. Bis heute hält er sich in Abu Dhabi - sozusagen als inoffizieller Verbindungsmann - auf. Und so kam es, wie es kommen mußte. Ende August lieferten sich Ansarullah-Chef Abdul Malik Al Huthi und Mohammed Ali Saleh über die Medien einen heftigen Schlagabtausch. Saleh warf den Huthis Machtanmaßung und Streben nach der Alleinherrschaft vor, während Al Huthi den Ex-Präsidenten des Verrats und der Vorbereitung eines Seitenwechsels bezichtigte.

Als am 24. August Hunderttausende Anhänger Salehs im Zentrum der Hauptstadt Sanaa trotz eines Versammlungsverbots der Ansarullah den 35. Jahrestag der Gründung des Allgemeinen Volkskongresses (General People's Congress - GPC) feierten, blieb es überraschend friedlich. Doch zwei Tage später kam es zwischen den Noch-Verbündeten zum befürchteten Blutvergießen. An einer Straßenkontrolle der Huthis in Sanaa gerieten Ansarullah-Mitglieder und die Teilnehmer eines kleineren Autokonvois, bei denen es sich um Saleh-Getreue handelte, in einen verbalen Streit. Auf gegenseitige Beleidigungen folgten Schüsse. Am Ende waren vier Personen tot - drei Huthis und Oberst Khaled Al Radhi von der jemenitischen Armee. Salah Saleh, ein Sohn des Ex-Präsidenten, wurde bei dem Zwischenfall leicht verletzt.

Der tödliche Vorfall hatte zunächst alle Beteiligten zur Räson gebracht. Am 29. August erklärten die offiziellen Sprecher der Ansarullah und des GPC ihre Meinungsdifferenzen für beendet und bekannten sich zum gemeinsamen Kampf gegen Hadi und die ausländischen Invasoren. Letztere sehen jedoch in den jüngsten Vorfällen in Sanaa die erwünschte Gelegenheit, einen Keil zwischen ihre Feinde zu treiben. In einen Twitter-Meldung hat Anwar Gargasch, der VAE-Außenminister, Saleh wegen dessen staatsmännischen Weitsicht gelobt und die Huthis wegen ihrer "Unnachgiebigkeit", welche angeblich eine Beendigung des Krieges unmöglich mache, kritisiert. Wie man aus der Geschichte weiß, ist es stets leichter, einen Krieg anzufangen, als ihn zu beenden. So gesehen könnte das aktuelle Manövrieren der verschiedenen Streitparteien im Jemen um die besten Positionen in der Nachkriegsära dazu führen, daß der Konflikt noch länger dauert und an Heftigkeit gewinnt.

1. September 2017


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