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NAHOST/1578: Zielscheibe Iran - Wunschgegner ... (SB)


Zielscheibe Iran - Wunschgegner ...


Der Iran erfüllt in vollem Umfang seine Verpflichtungen nach dem im Juli 2015 von ihm und der Gruppe P5+1 unterzeichneten Atomabkomnen (Bei den P5+1 handelt es sich um die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat - China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA - plus Deutschland). Dies gab am 22. Februar die in Wien ansässige Internationale Atomenergieagentur (IAEA) nunmehr zum neunten Mal seit dem Inkrafttreten des sogenannten Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) am 1. Januar 2016 bekannt. Die IAEA-Inspektoren, die ungehinderten Zugang zu allen Nuklearanlagen der Islamischen Republik haben, bescheinigten, daß gemäß der Vereinbarung die Zahl der in Betrieb befindlichen Zentrifugen des Irans unter 5050, die Menge seines niedrig angereicherten Urans unter 300 Kilogramm und sein Vorrat an schwerem Wasser unter 130 Tonnen geblieben seien. Trotz der Erfüllung der Bedingungen der Gegenseite sieht sich der Iran von Krieg bedroht, weil die USA und Israel dies wollen.

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit als neuer republikanischer US-Präsident im Januar 2017 hat Donald Trump keinen Hehl aus seiner Absicht gemacht, die wichtigste außenpolitische Errungenschaft seines demokratischen Vorgängers Barack Obama, das Atomabkommen mit dem Iran, zu demontieren. Das Motiv Trumps ist schnell erklärt. Er und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu teilen in dem Casino-Milliardär Sheldon Adelson denselben Gönner. Adelson war der größte Einzelspender für Trumps Wahlkampfkasse 2016. Finanziell und mittels einer eigenen Tageszeitung in Israel unterstützt Adelson seit Jahren Netanjahu, dessen eine fixe Idee bekanntlich die angeblich vom Iran ausgehende "existentielle Bedrohung" für den jüdischen Staat ist. Vergeblich hatte der Likud-Chef unter anderem durch einen Auftritt vor dem US-Kongreß die diplomatische Annäherung zwischen Washington und Teheran zu torpedieren versucht. Doch nun, seit der große Israel-Freund Trump im Oval Office das Sagen hat, sind die USA wieder voll und ganz auf Netanjahus Konfrontationskurs mit dem Iran geschwenkt.

Die Regierungen Trumps und Netanjahus nehmen Anstoß daran, daß der Iran seine konventionelle Raketentechnologie ständig verbessert und regelmäßig Tests durchführt. Was für die USA und Israel selbstverständlich ist, soll im Falle des Irans eine nicht hinnehmbare Gefahr für den Nahen Osten und die ganze Welt darstellen. Deswegen will Washington, daß die europäischen Mitglieder der P5+1 - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - mit den USA zusammen auf eine Revidierung des JCPOA drängen, die Teheran beim Testen von ballistischen Raketen einschränkt. Trump verlangt, daß die EU-3 die Position der USA bis zum 12. Mai übernimmt, sonst würde er im Alleingang neue Sanktionen gegen den Iran erlassen.

Es spricht Bände über die Nibelungentreue der Europäer, daß sie nicht Trump den Stirn bieten und ihm allein die Demontage des JCPOA überlassen, sondern nach Wegen zu einer gemeinsamen harten Haltung gegenüber dem Iran suchen. Die Iraner haben bereits angekündigt, daß sie Nachbesserungen des mühsam ausgehandelten Atomabkommens nicht akzeptieren werden. Der Iran wirft den USA seinerseits vor, gegen das JCPOA zu verstoßen, indem sie durch das Festhalten an zahlreichen Finanzsanktionen die eigentlich vorgesehenen Handelserleichterungen für die Islamische Republik bei Großgeschäften mit europäischen und amerikanischen Unternehmen blockieren. Teheran fühlt sich betrogen, denn der Iran hat Leistungen erbracht, für die er keine Gegenleistungen - oder wenn, dann nicht lange im eigentlich vorgesehenen Umfang - erhalten hat. Man kann davon ausgehen, daß Teheran das Abkommen aufkündigen wird, sollten die USA und ihre europäischen NATO-Verbündeten auf eine Revidierung des JCPOA pochen, um Einschränkungen der iranischen Raketenforschung durchzusetzen. Dann stünden die Kontrahenten wieder dort, wo sie sich vor den weitreichenden diplomatischen Bemühungen Obamas und seines Außenministers John Kerry befanden. Der Weg in die Kriegseskalation stünde frei.

Die Propagandakampagne für den kommenden Showdown der Trump-Regierung mit dem "Mullah-Regime" hat Trumps UN-Botschafterin Nikki Haley Ende letzten Jahres mit großem Tamtam eröffnet, als sie am 14. Dezember auf dem Luftwaffenstützpunkt Bolling, dem Sitz der Defense Intelligence Agency (DIA) nahe Washington, der Weltpresse die Überreste einer Rakete präsentierte, von denen sie behauptete, sie seien Teile jenes Geschosses, das schiitische Huthi-Rebellen aus dem Jemen einen Monat zuvor auf den internationalen Flughafen der saudischen Hauptstadt Riad abgefeuert hatten. Haley behauptete, die Rakete stamme ursprünglich aus dem Iran, damit habe Teheran gegen eine UN-Resolution verstoßen, welche Waffenlieferungen an die Huthi-Rebellen verbiete. Die Iraner bestreiten dies vehement.

Mitte Januar empfing Trump alle 15 UN-Botschafter im Weißen Haus, wo er gemeinsam mit Haley den ausländischen Gästen die angeblichen iranischen Raketenteile zeigte. Bei einem Auftritt während der Münchner Sicherheitskonferenz am 18. Februar hat Netanjahu ebenfalls ein Stück Metall hochgehalten und vor aller Welt den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif mit der Behauptung traktiert, es handele sich um einen Teil besagter Huthi-Rakete und damit um den endgültigen Beweis für Teherans destabilisierende Umtriebe in der Region zwischen Mittelmeer und Persischem Golf. Israel werde nicht zulassen, daß der Iran ihm "die Schlinge des Terrors um den Hals legt", so Netanjahu. "Wir werden, falls nötig, handeln, nicht nur gegen Irans Stellvertreter, sondern gegen den Iran selbst", drohte er.

Tatsächlich stehen die Zeichen im Nahen Osten auf Krieg. Vor wenigen Tagen haben Israels Streitkräfte bei einem Angriff auf Stellungen in Syrien, in denen sich angeblich iranische Militärs aufhielten, zum ersten Mal seit 1983 einen Kampfjet verloren. Die Maschine wurde durch die syrische Luftabwehr, womöglich mittels einer russischen Boden-Luft-Rakete, abgeschossen. Seit Monaten betreiben Israel und die schiitische Hisb-Allah-Miliz Säbelrasseln beiderseits der libanesischen Grenze, während Washington nach dem Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) den völkerrechtlich illegalen Verbleib amerikanischer Streitkräfte im syrischen Nordosten mit dem Ziel, den Iran "zurückzudrängen", begründet. Also sieht alles nach einem Scheitern des JCPOA Mitte Mai aus. Die drängendste Frage bleibt, wie die anderen beiden Unterzeichnerstaaten des Abkommens, die UN-Vetomächte China und Rußland, auf die neue Entwicklung reagieren werden.

25. Februar 2018


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