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NAHOST/1643: Irak - wachsender Widerstand ... (SB)


Irak - wachsender Widerstand ...


Ausgerechnet am Vorabend jener denkwürdigen Anti-Iran-Powwow, welche die USA am 13. und 14. Februar mit Hilfe der polnischen Regierung in Warschau veranstalteten, traf der geschäftsführende Pentagonchef Patrick Shanahan in Bagdad zu Gesprächen mit der dortigen Führung ein. Anlaß des aus Sicherheitsgründen unangemeldeten Besuchs des vorübergehenden Nachfolgers von General a. D. James Mattis dürfte das Streben der Regierung Donald Trumps gewesen sein, den Irak auf Sanktionskurs der USA gegenüber dem Iran zu bringen. Doch dazu ist im Irak niemand bereit. Der Druck Washingtons in diese Richtung dürfte sogar zur Erhöhung des ohnehin starken Einflusses Teherans im Zweistromland führen.

Mehrmals in den letzten Wochen hat Trump mit seiner Megafondiplomatie die Iraker gegen sich und die USA aufgebracht, etwa Ende Dezember, als er ohne vorherige Zustimmung Bagdads den amerikanischen Streitkräften an der irakischen Grenze zu Syrien einen überraschenden Weihnachtsbesuch abstattete. Der windige Immobilienmagnat aus New York hielt es nicht für nötig, den höchsten Repräsentanten des irakischen Staats in deren Hauptstadt seine Aufwartung zu machen, sondern erwartete von ihnen, daß sie zu ihm am 125 Kilometer entfernten Luftwaffenstützpunkt Ain Al Assad pilgern - was keiner von ihnen tat. Anfang Februar sprang der Anti-Diplomat Trump mit beiden Füßen ins Fettnäpfchen, als er im Fernsehinterview zur Frage des von ihm angeordneten Abzugs der rund 2000 US-Streitkräfte aus Syrien vollmundig erklärte, sie könnten in den Irak verlegt werden, um von dort aus mit ihren dort stationierten amerikanischen Kameraden "den Iran im Auge zu behalten" zum Zwecke des "Schutzes Israels".

Offiziell wird die Zahl der im Irak seit 2014 im Rahmen des Kampfs gegen die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) befindlichen US-Soldaten mit 5200 angegeben. Dem Nahostexperten Elijah J. Magnier zufolge, der kenntnisreich auf seinem Blog die Lage zwischen Mittelmeer und Persischen Golf analysiert, liegt sie weitaus höher. Unter Verweis auf eine irakische Regierungsquelle schrieb Magnier am 5. Februar, es hielten sich zwischen 11.000 und 30.000 US-Militärangehörige - Elitesoldaten, Kampfpiloten, Wartungstechniker, Ausbilder et cetera, verteilt auf 31 Basen der irakischen Armee - im Zweistromland auf. Kein Wunder, daß die Iraker, die sich 2011 weigerten, ein Stationierungabkommen mit dem Pentagon abzuschließen, angesichts der erfolgreichen Zerschlagung des IS-Kalifats beiderseits der irakisch-syrischen Grenze nun erwarten, daß GI Joe endlich die Heimreise antritt.

Mit Empörung wiesen nicht nur Präsident Barham Salim und Premierminister Adil Abdul Mahdi die Absicht Trumps, vom Irak aus den Iran zu beobachten bzw. "einzudämmen", zurück. In die aufgeregte Debatte schaltete sich sogar Ali Sistani, der die höchste muslimische Autorität und damit das geistliche Oberhaupt der schiitischen Mehrheit im Irak repräsentiert, ein. 2014 hat ein einziger Aufruf Sistanis genügt, um Hunderttausende wehrfähige Männer zur Waffe gegen IS greifen und zur Verteidigung Bagdads gegen die sunnitischen Dschihadistenarmee antreten zu lassen. In Reaktion auf die umstrittene Äußerung Trumps erklärte der 88jährige, der in der Pilgerstadt Nadschaf extrem zurückgezogen lebende Großajatollah, der Irak strebe "gute und ausbalancierte Beziehungen" mit allen seinen Nachbarn an, den Iran eingeschlossen.

Im Bagdader Parlament haben die beiden größten Blöcke - die "Allianz der Revolutionäre für Reform", auch "Al Sairun" ("Die Marschierer") genannt, ein Bündnis zwischen der Al-Ahrar-Partei des einstigen schiitischen "Radikalpredigers" Muktada Al Sadr mit den irakischen Kommunisten; und die von Kommandeuren der überwiegend schiitischen Volksmobilisierungskräfte wie Hadi Al Ameri gegründete Allianz Al Fatah (Eroberer) - auf die sich die Regierung Abdul Mahdis stützt, eine Initiative gestartet, um gemäß Artikel 61 der Verfassung den Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak formell in die Wege zu leiten. Erst wenn dieser Vorstoß scheitert bzw. falls sich die Amerikaner gegen die Aufforderung zur Heimkehr sperren sollten, wollen die schiitischen Milizen ihre Androhung, die fremdländische Militärpräsenz notfalls mit Gewalt zu beenden, wahr machen. Hierzu sollen ihre iranischen Ausbilder und Berater geraten haben.

Ein weiterer Punkt des gestrigen Gesprächs zwischen Premierminister Abdul Mahdi und US-Verteidigungsminister Shanahan dürften die schweren US-Sanktionen gewesen sein, mit denen Trump, Außenminister Mike Pompeo und Nationaler Sicherheitsberater John Bolton Irans Wirtschaft in die Knie zwingen wollen, um das Land zu destabilisieren und das "Mullah-Regime" in Teheran vom eigenen Volk stürzen zu lassen. Bereits im letzten Sommer kam es im Südirak zu gewaltsamen Massenprotesten, als Bagdad aufgrund des Drucks aus Washington seine Stromzahlungen an Teheran verschleppte, die Iraner im Gegenzug die Gaslieferungen drosselten und es in der Folge im Süden des Zweistromland zu einer Energiekrise kam. Mitten in einer Hitzewelle konnten Millionen von Menschen ihre Klimaanlagen nicht in Betrieb nehmen. Größere Mengen Lebensmittel, die sich in Kühlschränken und Tiefkühltruhen befanden, mußten wegen des Stromausfalls weggeworfen werden. Teheran beziffert die irakischen Schulden, die durch Lieferungen von Strom und Gas angefallen sind, auf zwei Milliarden Dollar.

Drei Tage nachdem Abdul Madhi in Bagdad mit dem Chef der iranischen Zentralbank Abdul Nasser Hamati Gespräche über eine Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit führte, hat die irakische Regierung mit dem staatlichen iranischen Stromkonzern Tavanir ein Abkommen über die Bereitstellung weiterer 1200 Kilowatt Strom unterzeichnet. Bei dem Treffen mit Hamati hatte Abdul Mahdi unter Verweis auf die schwierige Endphase der Herrschaft Saddam Husseins erklärt, daß die Iraker aus leidvoller Erfahrung wüßten, welches Leid eine Wirtschaftsblockade anrichten könne, und daß sich deshalb der Irak nicht am Sanktionsregime der USA gegenüber dem Iran beteiligen werde. Wie die Trump-Regierung auf den Abfuhr aus dem Irak reagiert, wird sich zeigen. Jedenfalls haben die Gespräche zwischen Abdul Mahdi und US-Verteidigungsminister Shanahan keine Annäherung gebracht.

13. Februar 2019


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