Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1644: Iran - die unsichtbare Offensive ... (SB)


Iran - die unsichtbare Offensive ...


Zwischen den USA und Israel auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite spitzt sich die Konfrontation unaufhaltsam zu. Anläßlich der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Islamischen Revolution und des Sturzes des Shahs im Iran haben die USA mit Hilfe Polens am 12. und 13. Februar eine große Nahostkonferenz in Warschau abgehalten, auf der es um nichts anderes ging, als Teheran als "Terrorexporteur Nummer 1" anzuprangern und Stimmung für einen "Regimewechsel" - notfalls unter Einsatz militärischer Gewalt - zu machen. Wie es der Zufall will, wurden die iranischen Streitkräfte noch während des großen Powwows in der polnischen Hauptstadt selbst Ziel eines verheerenden "Terroranschlags", hinter dem man die CIA und den Mossad vermuten darf.

Vor seiner Abreise nach Warschau besuchte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu am 11. Februar demonstrativ den Militärhafen von Haifa, um vor den eigenen U-Booten zu posieren und die große Reichweite ihrer ballistischen Raketen zu loben, die nach Expertenmeinung mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Eine weitere indirekte Kriegsdrohung an die Adresse Teherans postete am selben Tag US-Präsident Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton als Videobotschaft auf der Website des Weißen Hauses. Darin machte sich der neokonservative Kriegstreiber über die Mullahs in Teheran mit der Behauptung lustig, sie würden "nicht mehr viele Jahrestage" der Revolution zu feiern haben. Bolton warf der iranischen Führung vor, "die Zentralbank des Terrorismus" zu sein und nach dem Besitz von Nuklearwaffen zu streben. Dafür warnte am nächsten Tag der demokratische Senator Chris Murphy per Twitter, Bolton setze Unwahrheiten in die Welt, um ähnlich wie 2003 gegen Saddam Husseins Irak einen Kriegsvorwand gegen den Iran zu konstruieren.

Gleich bei der Ankunft in Warschau erregte Netanjahu mit der Twitter-Meldung, die höchsten Vertreter Israels, der USA und der sunnitischen Petromonarchien am Persischen Golf seien in der Stadt an der Weichsel zusammengekommen, um über "unser gemeinsames Anliegen eines Kriegs mit dem Iran" zu beraten. Nach entsetzten Reaktionen in den sozialen Medien sah sich das Büro des im Wahlkampf befindlichen israelischen Premierministers veranlaßt, den ursprünglichen Tweet zu löschen und durch eine abgeschwächte Version zu ersetzen, in der an der Stelle von "Krieg" das Wort "Bekämpfung" stand. Dafür hielt US-Vizepräsident Mike Pence bei der Eröffnung der Konferenz eine Rede, die zweifelsohne das Prädikat "kriegerisch" verdient.

Der christliche Fundamentalist und ehemalige Gouverneur von Indiana rief alle "freiheitsliebenden Nationen" dazu auf, sich dem iranischen "Bösen" entgegenzustellen, und warf der Führung in Teheran vor, einen "neuen Holocaust" zu planen. Auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die nicht mit Außenministern, sondern lediglich mit Staatssekretären in Warschau vertreten waren, bekamen von Trumps Vize ihr Fett weg. Die sogenannten EU-3 halten am 2015 mit Teheran geschlossenen Atomabkommen fest, lehnen den einseitigen Austritt der USA im vergangenen Jahr ab und haben Ende Januar zwecks Umgehung amerikanischer Finanz- und Wirtschaftssanktionen ein Clearinghouse namens INSTEX zur Koordinierung des Handels mit dem Iran eingerichtet. Pence warf Berlin, London und Paris vor, mit einem "mörderischen Regime" zu paktieren, und rief sie dazu auf, den "unklugen Schritt" zu überdenken.

Während in Warschau die Kriegsrhetorik freien Lauf nahm, mußten 41 Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde die Spannungen ihres Landes mit den USA und Israel mit dem Leben bezahlen. Bei einer Bombenexplosion wurde am 12. Februar ein Bus, mit dem die iranischen Militärs auf dem Weg von der Stadt Zahedan nach Khasch unterwegs waren, fast komplett zerstört. Ob es sich dabei um einen Selbstmordanschlag oder die Zündung einer Straßenmine handelte, ist unklar. Fest steht, daß sich die Gruppe Jaish al-Adl, eine Ablegerin der Jundullah, die seit Jahren für die Unabhängigkeit Belutschistans kämpft, dessen Westteil im Iran und Ostteil in Pakistan liegt, zu dem Anschlag bekannt hat.

Die Stadt Zahedan in der ostiranischen Provinz Sistan-Belutschistan liegt nur rund 30 Kilometer vom Länderdreieck Iran-Afghanistan-Pakistan entfernt. Interessanterweise hatte die Jerusalem Post am 11. Februar in ihrer Online-Ausgabe von der Anwesenheit israelischer Spezialstreitkräfte in Afghanistan berichtet. Demnach operieren die Israelis vom US-Militärstützpunkt Schindand in der an den Iran angrenzenden Provinz Herat aus und zwar getarnt "unter den Flaggen der USA und der Vereinigten Arabischen Emirate". In dem Bericht wird der Militärexperte Semyon Tsipis dahingehend zitiert, die Motive für den strengeheimen israelischen Einsatz in Afghanistan seien erstens "die Nähe zum Feindesstaat" Iran und zweitens das Sammeln "von Erfahrung im Kampf unter den örtlichen Bedingungen am Boden sowie gegen die lokale Bevölkerung". Wie man sieht, ist die Militärsprache nicht im präzise, sondern kann auch bei Bedarf auch recht schwammig sein. In Reaktion auf den blutigen Busanschlag hat jedenfalls Ali Fadavi, ranghoher Kommandeur der Revolutionsgarde, erklärt, die Vergeltung Teherans werde sich nicht an die Grenzen des Irans halten.

18. Februar 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang