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NAHOST/1656: Jemen - auf Weltkriegsfüßen ... (SB)


Jemen - auf Weltkriegsfüßen ...


Völkermord - anders ist das, was Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Hilfe der USA und Großbritanniens bei ihrer Militärintervention im Jemen betreiben, nicht zu bezeichnen. Im März 2015 griffen Riad und Abu Dhabi in den innenpolitischen Konflikt im Jemen ein mit dem Ziel, den von den schiitischen Huthis gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder an die Macht zu helfen. Es sollte ein Blitzsieg werden, der Macht und Glanz des neuen saudischen Königs Salman und seines Thronnachfolgers und Verteidigungsministers Kronprinz Mohammed bin Salman der ganzen Welt veranschaulichen sollte. Doch weil die Saudis und Emirater trotz gigantischer Waffenüberlegenheit und des Einsatzes Zehntausender Söldner aus Sudan, Eritrea, Kolumbien und anderswo militärisch nichts auf der Naht haben und sich die Huthis als hartnäckige Guerillakämpfer erweisen, dauert der Konflikt nun vier Jahre an.

Unfähig, die Huthis auf dem Schlachtfeld zu besiegen, versuchen Saudi-Arabien und die VAE sie mittels einer umfassenden Wirtschaftsblockade, welche natürlich die Zivilbevölkerung am härtesten trifft, zur Aufgabe zu zwingen. Das Ergebnis ist die weltweit schwerste humanitäre Krise, bei der 24 von 28 Millionen Jemeniten von Hungersnot bedroht sind. Am 20. März beklagte die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, daß seit Mitte Dezember acht Kinder am Tag infolge der Kämpfe im Jemen getötet oder verstümmelt würden. Nach Angaben der ehemaligen chilenischen Premierministerin leiden aktuell zwei Millionen Kinder im Jemen an akuter Mangelernährung; 360.000 von ihnen seien wegen Unterernährung und Schwäche dem Tode nahe.

Nachdem am 13. März der US-Senat in Washington mit 54 zu 46 Stimmen für die Streichung sämtlicher Militärhilfe des Pentagons für die Hauptprotagonisten im Jemenkrieg votierte hatte, reagierte zwei Tage später Donald Trumps Außenminister Mike Pompeo ungehalten. Der ehemalige CIA-Direktor verwies auf die vermeintliche Hilfe "der korrupten, brutalen Islamischen Republik Iran" für die Huthis und behauptete, der einzige Weg, "das Leiden des jemenitischen Volks zu lindern", sei sicherzustellen, daß die Saudis den Krieg gewinnen und damit "einen gerechten Frieden sichern".

Ungeachtet der Tatsache, daß die jemenitischen Al-Kaida-Freiwilligen von Anfang an auf der Seite der Saudis und Emirater gegen die "ungläubigen" Huthis kämpfen, sind US-Spezialstreitkräfte seit langem unter dem Vorwand der Ausradierung etwaiger "Terrornetzwerke" im Jemen unterwegs. Offenbar leisten ihnen inzwischen die britischen NATO-Kameraden Gesellschaft bei der Sicherung von "gerechtem Frieden" und Stabilität im Jemen. In einem sensationellen Artikel, der am 24. März bei der britischen Mail on Sunday erschienen ist, wurden erstmals Details der bisher unbekannten aktiven Teilnahme von Mitgliedern des Special Boat Regiment (SBS), Schwesterorganisation des berüchtigten Special Airforce Regiment (SAS), am Jemenkrieg publik. Im fraglichen MoS-Artikel hieß es unter anderem:

Mindestens fünf Mitglieder der britischen Spezialstreitkräfte sind bei Feuergefechten im Rahmen eines strenggeheimen Militäreinsatzes des Vereinigten Königreichs im Jemen verletzt worden ... Die Elitesoldaten vom Special Boat Service (SBS), dessen Präsenz in dem kriegszerstörten Land geheimnisumwittert ist, erlitten in den vergangenen Monaten Schußverletzungen bei heftigen Kämpfen mit den vom Iran unterstützten Rebellenmilizionären. Die Männer wurden nach Kämpfen in der Saada-Region Nordjemens, wo bis zu 30 britische Elitesoldaten stationiert sein sollen, wegen Arm- und Beinverletzungen ärztlich behandelt. Die Verwundeten sollen inzwischen zur Genesung nach Hause geflogen worden sein.

(...)

Zudem hat die Mail on Sunday enthüllt, wie Techniker der Royal Air Force (RAF), die nach Saudi-Arabien entsandt wurden, um die Flotte des Königreichs an Militärflugzeugen zu reparieren, letzte Woche knapp dem Tod entronnen sind. Die vom Iran unterstützten Rebellen starteten einen "Selbstmorddrohnen"-Angriff auf den König-Khalid-Luftwaffenstützpunkt, wo Kampfjets vom Typ Tornado, die zur Bombardierung ziviler Gebiete im Jemen eingesetzt werden, gewartet werden. Berichten zufolge explodierte die Drohne auf der Start- und Landebahn und zerstörte dabei zwei Tornados. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in London wurden keine britischen Militärangehörigen verletzt.

Das Hochgebirge Gouvernement Saada, das im Norden an Saudi-Arabien grenzt, gilt als absolute Hochburg der Huthis und Geburtsort ihrer Ansarullah-Bewegung. Die gleichnamige Hauptstadt des Gouvernements Saada liegt lediglich 234 Kilometer nördlich der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, die sich seit 2014 in den Händen der Huthis befindet. Vor diesem Hintergrund ist der Bericht der Mail on Sunday über die Anwesenheit britischer Spezialstreitkräfte in Saada, die dort saudische Kommandoeinheiten begleiten und Ziele für Luftangriffe markieren, mehr als brisant. Er paßt auch zu einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 23. März, in der auf Angaben der Saudi Press Agency (SPA) verwiesen wird, denen zufolge an jenem Tag die von Riad angeführte Militärkoalition Kommandoangriffe auf mehrere Waffendepots der Huthis in Sanaa durchgeführt hat. Dort hieß es:

Koalitionssprecher Oberst Turki Al Malki erklärte, die Angriffe richteten sich gegen zwei Höhlen, die von den Huthis benutzt wurden, um Drohnen zu lagern, berichtete die SPA. Zuvor meldete Al-Arabiya-TV [der staatliche saudische Nachrichtensender - Anm. d. SB-Red.] Angriffe auf Huthi-Stützpunkte in Sanaa, darunter auf den Fliegerhorst Al Dailami. Bei den Angriffen handelte es sich um Teile einer Operation, die im Januar mit dem Ziel, die Drohnenfähigkeiten der Huthis zu zerstören, gestartet wurden.

In der Meldung ist unklar, ob Al Dailami allein aus der Luft oder auch von Spezialstreitkräften am Boden angegriffen wurde. Bei den Überfällen auf die zwei unterirdischen Bunkeranlagen muß man davon ausgehen, daß die Feinde der Huthis in begrenzter Anzahl mit eigenem Personal vor Ort waren und sozusagen hinter feindlicher Linie operierten. In Anbetracht der Bedeutung der Mission - die Vernichtung des Bestandes an unbemannten Flugzeugen der Huthis - liegt man wohl nicht ganz falsch mit der Vermutung, daß hier auch westliche, sprich amerikanische und britische Spezialstreitkräfte, am Werk gewesen waren.

27. März 2019


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