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NAHOST/1682: Israel - wetteifernder Nationalismus ... (SB)


Israel - wetteifernder Nationalismus ...


Nach dem Scheitern des Versuchs des amtierenden Premierministers Benjamin Netanjahu, im Mai eine Regierungsmehrheit im Knesset zustande zu bringen, läuft in Israel der Wahlkampf. Bei den Wahlen im April hat das Wahlbündnis aus Netanjahus konservativ-nationaler Likud-Partei sowie diversen kleinen jüdisch-orthodoxen und rechtsextremen Gruppierungen lediglich 60 von 120 Parlamentssitzen erobern können. Die andere Hälfte der Mandate teilten sich die neue Mitte-Links-Allianz Kahol Lavan (Blau und Weiß) um Ex-Generalstabschef Benny Gantz und den Ex-Fernsehmoderator Yair Lapid mit kleinen linken Parteien wie Meretz sowie mit den Vertretern der israelischen Araber. Bei der Wahl am 17. September sieht sich Netanjahu mit einem gefährlichen Gegner, der zugleich ein alter Bekannter ist, konfrontiert. Vor wenigen Wochen hat Ex-Premierminister Ehud Barak, der frühere Chef der Arbeiterpartei, seinen Hut in den Ring geworfen.

Mit seiner neuen Demokratischen Partei Israels will General a. D. Barak die Sozialdemokraten, Meretz, Ex-Außenminister Zipi Livni samt Anhänger und Blau/Weiß zu einer großen Allianz mit dem einzigen Ziel, Netanjahu zu stürzen, zusammenschmieden. Der frühere Oberkommandeur der Eliteeinheit Sayeret Matkal kann damit rechnen, daß viele israelische Bürger seines ehemaligen Untergebenen überdrüssig sind. Schließlich wird der Likud-Chef am 19. Juli David Ben-Gurion als der am längsten amtierende Premierminister Israels überholen. Gegen Netanjahu wird seit Ende 2016 wegen seiner Verwicklung in mehrere schwere Korruptionsfälle ermittelt. Der erste Gerichtsprozeß gegen ihn soll im Oktober eröffnet werden. Der Verbleib im Amt des Premierministers könnte ihn jedoch vier weitere Jahre lang vor dem Zugriff der Justizbehörden schützen.

Im letzten Wahlkampf hatte sich Netanjahu vor allem als großer Staatsmann präsentiert, der mit Hilfe seines Freundes Donald Trump die Beziehungen Israels zu den USA zur neuen Blüte - siehe die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem, die Anerkennung der syrischen Golan-Höhen als israelisches Staatsterritorium sowie die harte Haltung Washingtons gegenüber den Palästinensern und dem Iran - getrieben hat. Doch einem nicht geringen Teil der israelischen Bevölkerung ist der Rechtskurs, den Netanjahu seit Jahren verfolgt, nicht ganz geheuer. Viele Links- und Mitte-Wähler glauben, der Likud-Vorsitzende habe sich zu sehr in die Abhängigkeit der radikalen Siedlerbewegung begeben und dadurch eine friedliche Lösung des Streits mit den Palästinensern im besetzten Westjordanland unmöglich gemacht. Zahlreiche Bürger sehen mit Sorge Israel bereits auf dem Weg von einem säkularen in einen religiösen Staat. Dafür gibt es zahlreiche Indizien. Anfang Juli zum Beispiel hat die religiös-nationale Partei Jüdisches Heim auf Anweisung einflußreicher Rabbiner entschieden, Ex-Justizministerin Ayelet Shaked nicht auf ihre Wahlliste aufzunehmen, weil Frauen in der Politik nichts zu suchen hätten.

Erschienen zunächst die politischen Rahmenbedingungen für eine Rückkehr Baraks in die aktive Politik günstig, so ändert sich dies schlagartig mit der Festnahme des verurteilten Pädophilen Jeffrey Epstein an einem Flughafen in New Jersey am 6. Juli. Am darauffolgenden Tag wurde der mysteriöse Vermögensverwalter vor einem Gericht in New York wegen jahrelangen Mädchenhandels sowie sexueller Übergriffe gegenüber Minderjährigen angeklagt. Gerade eine Woche später mußte Trumps Arbeitsminister Alexander Acosta zurücktreten, weil er als Justizminister von Florida 2008 mit Epstein einen Deal ausgehandelt hatte, der den Multimillionär vor einer lebenslangen Haftstrafe wegen unzähliger Sexualdelikte gerettet hatte. Gegen ein begrenztes Schuldanerkenntnis und Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe bekam Epstein lediglich 18 Monate Haft unter extrem erleichterten Bedingungen - er mußte zum Beispiel nur nachts hinter Gitter.

Die Epstein-Affäre schlägt ganz hohe Wellen in den USA, Großbritannien und Israel. Bei seinen rauschenden Orgien, welche der Lebemann in den achtziger, neunziger und Anfang der 2000er Jahre in seiner Luxus-Wohnung an der Upper East Side von Manhattan sowie auf seiner Privatinsel in der Karibik feierte, waren unter anderem Bill Clinton, der englische Prinz Andrew und Donald Trump zugegen. Die Rolle der "Madam", welche für Epstein die Mädchen heranschaffte, spielte seine damalige Freundin Ghislain Maxwell, Tochter des britischen Medienbarons Robert Maxwell, der 1991 unter sonderbaren Umständen ums Leben gekommen ist, dafür aber ein Staatsbegräbnis in Jerusalem wegen seiner großen Dienste für den Mossad erhielt.

Alles deutet darauf hin, daß Epsteins "Lebensstil" dafür konzipiert war, mächtige Persönlichkeiten der englischsprachigen Welt in kompromittierende Situationen zu bringen und sie dadurch erpreßbar zu machen - für den Staat Israel. Ob der in bescheidenen Verhältnissen in New York aufgewachsene Epstein jemals über ein eigenes Milliardenvermögen verfügt hat, wie der Schein es suggeriert, ist zweifelhaft. Eher sieht es so aus, als habe er quasi als Strohmann für Leslie Wexner fungiert. Der Bekleidungssunternehmer aus Cincinnati, Ohio, dem unter anderen die erfolgreiche Unterwäsche-Linie Victoria's Secret gehört, gilt als einer der reichsten Männer der USA und zugleich als glühender Zionist.

Inzwischen stellt sich heraus, daß Ehud Barak nach dem Ausscheiden aus der Politik 2004 2,3 Millionen von der Wexner-Stiftung - damals im Vorstand Jeffrey Epstein - für ein Forschungsprojekt erhielt, das bis heute kein Produkt auf den Markt gebracht hat. Barak behauptet, niemals bei irgendwelchen Epstein-Partys dabeigewesen zu sein. Als er jedoch am 9. Juli im israelischen Radio befragt wurde, wofür er die üppige Spende von der Wexner Foundation bekommen hat, meinte er, man solle die Stiftungsleitung fragen. Transparenz sieht anders aus. Am 17. Juli hat das britische Boulevardblatt Daily Mail auf seiner Website Fotos veröffentlicht, wie Barak sich im Januar 2016 in Epsteins Townhouse an der East 71. Street von New York begibt und dabei versucht, durch das Hochziehen des Kragens seiner Jacke unerkannt zu bleiben. Während des Besuchs des ehemaligen israelischen Verteidigungsministers bei Epstein gingen vier junge Modells ebenfalls in die Wohnung - was natürlich Zweifel an der Richtigkeit der Aussage Baraks, er habe niemals mit dem verurteilten Sexualstraftäter verkehrt, während junge Frauen dabei wären, weckt. Für den skandalgeplagten Netanjahu kommt die spektakuläre Epstein-Affäre genau zur richtigen Zeit, denn sie könnte ihm durch den Imageschaden für seinen früheren Vorgesetzten doch noch zu einer fünften Amtszeit als israelischer Premierminister verhelfen.

17. Juli 2019


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