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NAHOST/1706: Irak - verurteilt zum Scheitern ... (SB)


Irak - verurteilt zum Scheitern ...


Im Irak nimmt der Krieg zwischen den westlichen Streitkräften, die sich angeblich nur zur Bekämpfung der sunnitischen "Terrortruppe" Islamischer Staat (IS) dort befinden, und den einheimischen schiitischen Milizen, welche die ausländische Militärpräsenz ablehnen, zu. Von 2014 bis 2018 haben beide Seiten zusammen mit den regulären irakischen Streitkräften bei heftigen Kämpfen das Kalifat des IS im Norden und Westen des Iraks zerschlagen und den Dschihadisten Mossul, die zweitgrößte Stadt des Landes, entrissen. Doch wegen der Weigerung der Amerikaner, nach verrichteten Dingen wieder nach Hause zu gehen, greifen irakische Milizionäre die Stützpunkte, in denen sich die ausländischen Militärs aufhalten, immer wieder mit Katjuscha-Raketen an.

Der jüngste Vorfall ereignete sich am 11. März. Auf der riesigen Militärbasis Al Taji, die rund 15 Kilometer nördlich von Bagdad liegt, schlugen 18 Raketen ein und töteten zwei US-Militärs sowie eine britische Soldatin. Rund ein Dutzend anderer ausländischer Teilnehmer der Anti-Terror-Operation Inherent Resolve wurden dabei verletzt, einige von ihnen schwer. Zur Vergeltung bombardierte die US-Luftwaffe noch in derselben Nacht Stellungen eines irakischen Ablegers der schiitischen Hisb-Allah-Miliz in Syrien, die an der Bekämpfung des IS, der Al-Nusra-Front und anderer wahhabistischer Gruppen teilnimmt. Dabei wurden 26 Hisb-Allah-Milizionäre getötet. In den frühen Morgenstunden des 12. März jagten die US-Kampfjets fünf Objekte im Irak in die Luft, in denen die Kataib Hisb Allah, die zu den irakischen Volksmobilisierungskräften gehört, angeblich Waffen lagert.

Zu den angegriffenen Zielen gehörte ein im Bau befindlicher Flughafen nahe der schiitischen Pilgerstadt Kerbala. Dort wurde ein Koch getötet. An den anderen Schauplätzen verloren drei irakische Soldaten und zwei Polizisten das Leben. Gegen die Aktion hat das Außenministerium in Bagdad in aller Form protestiert und den Amerikanern vorgeworfen, auf Grundlage falscher Geheimdiensterkenntnisse loszuschlagen und nicht genügend Rücksicht auf das Leben der regulären Soldaten sowie der Zivilbevölkerung des Iraks zu nehmen. Präsident Barham Salih verwahrte sich gegen "wiederholte Verletzungen" der Souveränität des Iraks und warnte, diese könnten das Land zu einem "gescheiterten Staat" verkommen lassen und damit den IS wieder zu neuem Leben erwecken.

Die USA wiesen die Vorwürfe aus Bagdad zurück. Verteidigungsminister Mark Esper reklamierte für die amerikanischen Militärs im Irak das Recht auf Selbstverteidigung. Bereits im Januar hatte das irakische Parlament mit großer Mehrheit für einen raschen Abzug aller US-Streitkräfte votiert. Die Administration von US-Präsident Donald Trump hat die Entscheidung schlichtweg ignoriert und statt dessen dem Kongreß in Washington Pläne zur Verlegung von Patriot-Abwehrraketen in den Irak zum besseren Schutz der dort stationierten GIs präsentiert. Diesem Vorstoß waren am 8. Januar massive Raketenangriffe des Irans auf den Militärstützpunkt Ain Al Assad in der westirakischen, mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinz Anbar vorausgegangen, mit denen Teheran das fünf Tage zuvor verübte Attentat der USA auf den Oberkommandeur der Al-Quds-Einheit der Revolutionsgarden, Qassem Soleimani, rächen wollte.

Das Patriot-Raketenabwehrsystem bietet zwar Schutz gegen ballistische Raketen, die aus größerer Distanz kommen, ist jedoch gegen den Beschuß mit kleinen Katjuscha-Raketen, die aus nächster Nähe abgefeuert werden, völlig nutzlos. Für den Raketenangriff auf einen Stützpunkt im Irak vor Weihnachten, der einen US-Soldaten das Leben kostete, machte das Pentagon die Kataib Hisb Allah direkt und das Weiße Haus indirekt Soleimani verantwortlich. Die Kataib Hisb Allah hatte damals jede Verwicklung in die Aktion bestritten. Alle Erkenntnisse des irakischen Militärgeheimdienstes sprechen für eine Urheberschaft des IS. Auch bei dem jüngsten tödlichen Raketenangriff auf die US-Streitkräfte hat die Kataib Hisb Allah jede Verantwortung von sich gewiesen, gleichzeitig aber die Urheber wegen der wirkungsvollen Demonstration irakischen Widerstands gegen die ausländischen Besatzungstruppen in den höchsten Tönen gelobt.

Die US-Amerikaner können die Proteste aus Bagdad derzeit leicht ignorieren. In der irakischen Hauptstadt herrscht eine innenpolitische Krise, nachdem der designierte Premierminister Mohammed Tawfiq Allawi vor wenigen Tagen mit der Bildung einer neuen Technokraten-Regierung gescheitert ist. Das Scheitern Allawis ist zugleich eine schwere politische Niederlage des einstigen "Radikal-Predigers" Muktada Al Sadr, dessen Anhänger im irakischen Parlament die größte Einzelfraktion bilden. Al Sadr ist ein erklärter Gegner jedweder ausländischen Einmischung im Irak, völlig unabhängig davon, ob sie aus den USA, dem Iran oder Saudi-Arabien kommt. Es gibt nicht wenige Hinweise, daß es Mitglieder von Al Sadrs früherer Mahdi-Armee sind, die seit 2018 hinter der nicht abreißenden Serie an kleineren Raketenangriffen auf US-Ziele im Irak stecken. Steigen nun Kataib Hisb Allah und andere Teile der Volksmobilisierungskräfte bei der Initiative ein, wofür die Meldung des heutigen Tages über die erneute Beschießung des Stützpunkts Al Taji mit rund 30 Katjuscha-Raketen spricht, dann kann der Aufenthalt der US-Streitkräfte im Irak recht ungemütlich werden.

14. März 2020


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