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USA/1192: Obama-Regierung in der Folter-Frage offenbar uneins (SB)


Obama-Regierung in der Folter-Frage offenbar uneins

Obamas Abkehr vom Folter-Regime Bushs ist in erster Linie symbolisch


Am ersten Arbeitstag als neuer Präsident der USA hat am 21. Januar Barack Obama die Räumung des Internierungslagers auf dem Gelände des US-Marinestützpunktes Guantánamo Bay auf Kuba bis zu zum Ende des Jahres, die sofortige Schließung aller Geheimgefängnisse der CIA im Ausland und eine strikte Einhaltung des Armee-Handbuchs, was die Vernehmung von Gefangenen betrifft, angeordnet. Für diesen demonstrativen Bruch mit der neokonservativen Ära George W. Bushs ist Obama in den USA selbst wie auch auf der ganzen Welt groß gelobt worden. Eine vollständige Abkehr der Obama-Regierung von den Folterpraktiken der Vorgängeradministration ist jedoch leider nicht zu erwarten, stellen diese für einen wichtigen Teil der amerikanischen Führungselite doch noch ein angeblich unverzichtbares Mittel im "globalen Antiterrorkrieg", dar.

Innerhalb der neuen US-Regierung scheint Obama, als Absolvent der Juraschule Harvard, ein Hauptverfechter der Position zu sein, daß die Folter und die Mißhandlung von mutmaßlichen "Terroristen" nicht nur unethisch und ungesetzlich sind, sondern auch noch den internationalen Einfluß Washingtons beeinträchtigen, weil sie Amerika als Land aussehen lassen, das zwar von anderen unablässig und lautstark die Einhaltung der Menschenrechte fordert, jedoch selbst dazu nicht bereit ist, wenn Fragen der "Realpolitik" oder der "nationalen Sicherheit" auf dem Spiel stehen. Ebenfalls als Gegner der Folter präsentiert sich der neue Justizminister Eric Holder. Bei der Anhörung Holders vor dem Justizausschuß des Senats zum Thema seiner Eignung für den Posten des Attorney General hat vor wenigen Tagen der Nachfolger John Ashcrofts, Alberto Gonzalez' und Michael Mukaseys ohne Zögern Waterboarding als Foltermethode bezeichnet.

Gleichzeitig scheint es im künftigen Obama-Kabinett eine Fraktion zu geben, die auf den Einsatz von Waterboarding und anderen schweren Zwangsmaßnahmen gegen "Terroristen" nicht verzichten wollen. Zu dieser Fraktion gehört Admiral a. D. Dennis Blair, der künftige Director of National Intelligence (DNI) und damit Chef aller 16 US-Geheimdienste. Beim Auftritt vor dem Verteidigungsausschuß des Senats am 21. Januar zum Thema seiner Nominierung zum neuen Geheimdienstkoordinator weigerte sich der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Pazifikflotte strikt, der Bezeichnung des Waterboarding als Folter zuzustimmen. Seine Position rechtfertigte Blair mit dem Argument, er wolle CIA-Beamten, die im guten Glauben an die Rechtmäßigkeit der Anweisungen der Bush-Regierung bei Vernehmungen von mutmaßlichen "Terroristen" eventuell zu weit gegangen sind, juristisch nicht in Gefahr bringen. Die Haltung Blairs gibt zu Bedenken, schließlich wird dieser als Vize-Vorsitzender jene Arbeitsgruppe leiten, die in den nächsten Monaten im Auftrag Obamas neue Richtlinien für die Vernehmung von Gefangenen erarbeiten soll. Diese neuen Richtlinien sollen die des Army Manual ergänzen und künftig für Angehörige der Streitkräfte und der Geheimdienste der USA gleichermaßen gültig sein.

In der Arbeitsgruppe dürfte auch Leon Panetta, Obamas Kandidat für den Posten des CIA-Direktors, eine gewichtige Stimme haben. Auch wenn Panetta selbst nicht aus dem Geheimdienstsbereich kommt und sozusagen als Zivilist das Weiße Haus größere Kontrolle über die CIA gewährleisten soll, darf eines nicht übersehen werden. Als Stabschef Bill Clintons hat Panetta in den neunziger Jahren an der Entstehung des berüchtigten Programms der "extraordinary renditions" mitgewirkt, im Rahmen dessen erstmals radikale Gegner der US-Hegemonialpolitik in der arabischen Welt in Länder wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien verschleppt wurden, um sie dort "vernehmen" zu lassen. Auf eine Anordnung Obamas zur Einstellung der "außergewöhnlichen Überstellungen" wird man vermutlich lange warten müssen. Wenn künftig nicht mehr CIA-Agenten, sondern unter deren Aufsicht die Schergen Hosni Mubaraks, König Abdullahs oder des Hauses Saud die Anhänger Osama Bin Ladens foltern und mißhandeln, macht das die Sache wirklich besser?

24. Januar 2009