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USA/1225: Hillary Clinton tritt von einem Fettnäpfchen ins andere (SB)


Hillary Clinton tritt von einem Fettnäpfchen ins andere

Amerikas Chefdiplomatin läßt am "Wandel" in Washington zweifeln


In den ersten Monaten der Regierung Barack Obamas war von Außenministerin Hillary Clinton nicht viel zu vernehmen. Auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik setzte der neue US-Präsident selbst die wichtigsten Akzente, sei es in Form des Gesprächsangebots an die Adresse des Irans, des Einsatzes für eine neue Verständigung mit der islamischen Welt, der distanzierteren Haltung gegenüber Israel, um es endlich zum Frieden mit den Palästinensern zu bewegen, der Entscheidung gegen eine Stationierung von Komponenten des National Missile Defense System (NMD) Amerikas in Polen und Tschechien und statt dessen für eine engere Zusammenarbeit mit Rußland in der Proliferationsfrage oder einer grundlegenden Überprüfung des Kriegsziels in Afghanistan. Dieser Tage sollte die ehemalige First Lady mit ihrer ersten großen Auslandsreise aus dem Schatten Obamas treten, die sie in einige der wichtigsten jener Länder führte, die zu jenem "Bogen der Instabilität" gehören und die spätestens seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 im Mittelpunkt des Interesses der USA stehen. Jener "Bogen der Instabilität", wo das US-Militär bis auf weiteres den sogenannten "langen Krieg" gegen die Kräfte des "islamischen Dschihadismus" auszufechten gedenkt, reicht praktisch von Indonesien im Osten bis Marokko im Westen und vom Kaspischen Meer im Norden bis zum Horn von Afrika im Süden.

Der Auftakt von Clintons "whirlwind tour", auf der die ehemalige First Lady gemäß der von Obama gepredigten neuen Bescheidenheit in der Außenpolitik Washingtons angeblich den Menschen in den Gastgeberländern nichts vorschreiben, sondern in erster Linie ihnen zuhören wollte, waren drei Tage Ende Oktober in Pakistan, das zunehmend in den Strudel des Krieges im benachbarten Afghanistan hineingezogen wird. Diese hochgefährliche Entwicklung hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß aus Sicht der Obama-Regierung Afghanistan und Pakistan gemeinsam einen Kriegsschauplatz im Kampf gegen Taliban und Al Kaida darstellen. Am zweiten Tag ihres Besuchs in Pakistan beleidigte Clinton die militärische und politische Führung dort schwer, als sie in einer Diskussion mit Journalisten erklärte, ihr falle "es schwer zu glauben", daß die Regierung in Islamabad nicht längst wisse, wo sich die Führung von Taliban und Al Kaida verstecke, und diese nicht längst hätte schnappen können, wenn sie es nur gewollt hätte.

Die Empörung über die Unterstellung war natürlich riesengroß. Deshalb rechtfertigte am nächsten Tag Obamas Chefdiplomatin ihre provokante Äußerung damit, sie habe lediglich zu einem "offenen und ehrlichen Dialog" zwischen Amerikanern und Pakistanern beitragen wollen. Davon war aber bei einer Fernsehdiskussion mit Moderatorinnen und einfachen pakistanischen Bürgerinnen nichts zu bemerken. Auf die Frage, ob die Raketenangriffe der CIA im pakistanischen Grenzgebiet, die neben einigen Aufständischen auch nicht wenige Zivilisten töten, nicht genauso "Terrorismus" seien wie der Bombenanschlag, der zwei Tage zuvor in einer Einkaufstraße in Peshawar mehr als 100 Menschen tötete, antwortete die Leiterin des State Department mit einem kategorischen Nein und weigerte sich strikt, sich auf das Thema der im "Antiterrorkrieg" angewandten "Taktik oder Technologie" einzulassen.

Danach ging es in den Nahen Osten, wo Obamas Sondergesandter George Mitchell seit Monaten vergeblich versucht den sogenannten Friedensprozeß zwischen Israelis und Palästinensern wieder in Gang zu bekommen. Nach Meinung der meisten Beobachter ist der Hauptgrund für den momentanen Stillstand die Weigerung der konservativen israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu, der Forderung Obamas und der palästinensischen Führung um Präsident Mahmud Abbas nach einem Stopp des Ausbaus der völkerrechtlich illegalen jüdischen Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland nachzukommen. Um so bestürzter reagierten Politiker und einfache Menschen in der arabischen Welt, aber nicht nur dort, als Clinton auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu am 1. November die israelische Gegenofferte der "Zurückhaltung" beim Siedlungsbau als "beispiellosen" Einsatz für den Frieden lobte.

Vor dem Hintergrund der brutalen Offensive der israelischen Streitkräfte im vergangenen Dezember und Januar im Gazastreifen und der zum Teil gewaltätigen Umtriebe der jüdischen Siedler in Ostjerusalem und auf der Westbank haben gerade diese Worte Clintons die nach der historischen Kairoer Rede Obamas im Juni aufgekommenen Hoffnungen auf einen Neuanfang im Verhältnis zwischen den USA und der islamischen Welt zunichte gemacht. Die ehemalige Senatorin von New York hat klar gemacht, daß im Nahost-Konflikt Amerika, allen schönen Worten zum Trotz, niemals die Position des unparteiischen Schiedsrichters und Vermittlers einnehmen, sondern sich letztlich immer auf die Seite seines Verbündeten Israels schlagen wird.

Gerade in einer Phase, in der der Demokrat Obama seitens der Republikaner und der eigenen Generäle unter enormen Druck gerät, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken und gegenüber dem Iran im Atomstreit eine konfrontativere Haltung einzunehmen, darf man über das Motiv Clintons, dermaßen deutlich Partei für Israel zu ergreifen und damit die Politik ihres eigenen Präsidenten zu hintertreiben, Vermutungen ansstellen. In den letzten Monaten hat Obama laut Umfragen bei den amerikanischen Wählern viel an Popularität verloren. Die neokonservativen Apolegeten eines "starken Amerikas" werfen ihm in den Medien dauernd vor, durch sein "Zaudern" in der Afghanistanfrage die US-Soldaten und -Soldatinnen am Hindukusch im Stich zu lassen. Und weil die Lage in Afghanistan militärisch so auswegslos ist, dürfte Obama dafür verantwortlich gemacht werden, entweder den Krieg verloren zu haben, wenn er der Forderung von General Stanley McChrystal nach mindestens 40.000 weiteren Soldaten nicht entspricht, oder den Konflikt unnötig in die Länge zu ziehen, wenn er sich auf die Aufstandsbekämpfungsträume des Pentagons einläßt.

Und weil Obama in der Afghanistanfrage praktisch nur noch verlieren kann, wird bereits in der amerikanischen Presse spekuliert, daß er es vielleicht auf nicht mehr als eine Amtszeit bringen wird, entweder weil er bei der nächsten Wahl gegen den republikanischen Bewerber verliert oder bereits bei der Nominierung zum Kandidaten der Demokraten von einem aussichtsreicheren Parteikollegen geschlagen werden könnte. Wer käme für letztere Rolle in Frage? Aber natürlich, Hillary Clinton, derer Lebenstraum früher - und eventuell nach wie vor - darin bestand, erste Präsidentin der USA zu werden. Jedenfalls läßt die spektakuläre Art, mit der Clinton die Nahost-Politik des eigenen Chefs torpediert hat und diesem vor aller Welt in den Rücken gefallen ist, den Verdacht aufkommen, daß sie sich durch den gemeinsamen Auftritt mit Netanjahu für eine erneute Kandidatur ums Weiße Haus 2012 empfehlen wollte. Der medialen und finanziellen Unterstützung der mächtigen pro-israelischen Lobby dürfte sie sich bereits jetzt sicher sein.

4. November 2009