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USA/1276: Sibel Edmonds belastet das FBI erneut in Sachen 9/11 (SB)


Sibel Edmonds belastet das FBI erneut in Sachen 9/11

Auch in der Washingtoner Nebenstelle war man vorab informiert worden


Was die Möglichkeit einer Verwicklung irgendwelcher US-Regierungsstellen in die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 betrifft, sind die Hinweise zumindest auf die passive Variante, auch LIHOP genannt (kommt von Let It Happen On Purpose), im Vergleich zum aktiven MIHOP-Szenario (Made It Happen On Purpose) erdrückend. Fest steht zum Beispiel, daß sich im Sommer 2001 die Mitglieder dreier verschiedener FBI-Ermittlerteams, die von Kenneth Williams in Phoenix, Robert Wright in Chicago und Coleen Rowley in Minneapolis, einem möglichen Großanschlag auf US-Metropolen auf der Spur wähnten. Williams forderte seit Monaten eine Überprüfung aller arabischen Flugschüler in den USA, während Wright verdächtigen Aktivitäten islamischer Wohltätigkeitsvereine im Großraum Chicago nachging. Rowley und ihre Kollegen in Minnesota schlugen seit der Festnahme des Flugschülers und mutmaßlichen Islamisten Zacarias Moussaoui Mitte August Alarm und warnten ausdrücklich vor der Gefahr eines Angriffs per Passagiermaschine auf das World Trade Center in New York. Bis heute hat es keine überzeugende Erklärung gegeben, warum die zuständigen Stellen von FBI und CIA in Washington die Ermittlungen von Rowley, Williams und Wright blockiert und ihre Empfehlungen zurückgewiesen haben.

Des weiteren gibt es den Fall von Sibel Edmonds, die nach den Anschlägen im zentralen Übersetzungsbüro des FBI in Washington eine Spionin namens Melek Can Dickerson enttarnte, die zusammen mit ihrem Mann Douglas Dickerson, einem Major der US-Luftwaffe, mit mutmaßlichen Hintermännern des 911-Komplotts in Kontakt stand und sie durch das falsche Übersetzen von deren von der Bundespolizei abgehörten Gesprächen vor weitergehenden Ermittlungen schützte. Weil Edmonds nicht bereit war, die Anweisung ihrer Vorgesetzten zu befolgen und an der Vertuschung des skandalösen Umstands mitzuwirken, wurde sie im März 2002 wegen Aufmüpfigkeit vom FBI gefeuert.

Den Kampf gegen die ungerechte Entlassung fochte Edmonds über Jahre bis zum Obersten Gerichtshof aus, doch durfte der Fall bis zum Schluß nicht öffentlich behandelt werden, weil die Regierung von George W. Bush unter Verweis auf den Schutz der nationalen Sicherheit dagegen ein Veto eingelegt hatte. Ungeachtet dessen hat der Generalinspekteur des Justizministeriums in einer eigenen Untersuchung die von Edmonds gemeldeten Verdachtsmomente für stichhaltig und das Verhalten der gefeuerten Übersetzerin für Farsi und Türkisch für tadellos erklärt. Daniel Ellsberg, der 1970 die Pentagon-Papiere, jenen Geheimbericht über die Hintergründe des Vietnamkrieges, publik machte, hat das, was Sibel Edmonds über die Hintergründe der 9/11-Verschwörung herausgefunden hat, als "explosiv" und potentiell erschütterndste Enthüllung seit Jahrzehnten bezeichnet. Nicht umsonst werden die von Edmonds aufgedeckten Umtriebe von Politik und Medien in den USA weitgehend ignoriert.

Im Februar 2004 hat Edmonds drei Stunden lang hinter verschlossenen Türen vor der "unabhängigen" 9/11-Kommission ausgepackt, doch fanden ihre Einlassungen in dem wenige Monate später veröffentlichten Abschlußbericht keinen Niederschlag. Das gleiche gilt für die Aussage eines Kollegen von Edmonds aus dem FBI-Übersetzungsbüro, den sie selbst zur Aussage vor der 9/11-Kommission überredet hatte. Es handelt sich hier um Behrooz Sarshar, einen ehemaligen Oberst der iranischen Polizei, der nach dem Sturz des Schahs 1979 in die USA geflohen und der von 1995 bis zu seiner Pensionierung 2002 als Übersetzer und Dolmetscher für das FBI tätig war. Am 2. Februar 2011 hat Edmonds auf ihrer Website BoilingFrogs.com eine von ihr leicht redigierte Version des schriftlichen Protokolls der Aussage, die Sarshar 2004 in ihrer Anwesenheit hinter verschlossenen Türen vor Vertretern des Justizausschusses des Senats und des Generalinspekteurs des Justizministeriums machte, veröffentlicht. Die Aussage dreht sich um Hinweise, über die Ermittler der für die Hauptstadt Washington zuständigen FBI-Nebenstelle in Bezug auf bevorstehende Flugzeuganschläge bereits im Sommer 2001 verfügten, die jedoch von den Vorgesetzten ignoriert wurden und deren Existenz später komplett vertuscht wurde.

Demnach haben zwei FBI-Ermittler namens Tony und John im April 2001 bei einem Treffen in Washington mit einem ihrer wichtigsten Informanten Hinweise auf einen bevorstehenden Selbstmordanschlag der Al Kaida in den USA unter Anwendung ziviler Flugzeuge erhalten. Bei dem Informanten handelte es sich um ein ehemaliges Führungsmitglied des SAVAK, des iranischen Geheimdienstes während der Schah-Ära. Der Mann reiste beruflich viel, belieferte das FBI seit Anfang der neunziger Jahre gegen ein Honorar von 1500 Dollar monatlich mit wertvollen Informationen und galt als zuverlässige Quelle. Weil der Mann schlechtes Englisch sprach, war Sarshar als Dolmetscher für Farsi bei dem Treffen dabei.

Bei dem Treffen, das in einem Park stattfand, besprach man hauptsächlich einen Kriminalfall, der kurz darauf vor Gericht behandelt werden sollte und zu dem der Mann wichtige Informationen beisteuern konnte. Als das Gespräch über das eigentliche Thema vorbei war, berichtete der Informant den beiden FBI-Agenten von Hinweisen, die er von zwei langjährigen, nicht-iranischen, bis dahin höchst zuverlässigen Quellen, die eine in Afghanistan, die andere im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan, erhalten hatte und denen zufolge "eine von Bin Laden geführte, aktive Mudschaheddin-Gruppe den Befehl zum Angriff auf bestimmte Ziele in den USA erteilt" habe und daß "die Planung des Angriffs" bereits liefe. Da die beiden FBI-Agenten hauptsächlich für die Antiterror-Abteilung der Washingtoner Nebenstelle der US-Bundespolizei arbeiteten, stieß diese Nachricht bei ihnen auf reges Interesse. Auf deren Nachfrage hat der Mann, zu dessen Verantwortungsbereich früher bei der SAVAK die südöstliche Provinz Irans, Sistan-Belutschistan, und die angrenzenden Regionen Afghanistans und Pakistans gehörten, seine Angaben präzisiert. In der damaligen, von Edmonds zitierten Abschrift Sarshars heißt es:

"Nach Angaben meiner Quellen plant Bin Ladens Gruppe einen massiven terroristischen Anschlag in den USA. Der Befehl ist schon erteilt worden. Sie haben die wichtigsten Städte, Großstädte, im Visier; ihnen schweben vier oder fünf Städte, New York, Chicago, Washington und San Francisco, eventuell Los Angeles oder Las Vegas, vor. Sie werden Flugzeuge benutzen, um die Anschläge durchzuführen. Sie sagten, daß sich einige der Personen, die in die Durchführung verwickelt sind, bereits in den Vereinigten Staaten befinden. Sie sind hier in den USA, leben unter uns, und ich glaube, daß einige in der US-Regierung von alledem bereits wissen" (ich nahm an, er meinte entweder die CIA oder das Weiße Haus).

Während Sarshar und die beiden FBI-Agenten eifrig Notizen machten, erklärte der Mann, die Anschläge sollten "bald, innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate" geschehen. Weniger sollten die Flugzeuge entführt, als vielmehr über US-Großstädten zur Explosion gebracht werden. Als sich die vier Männer voneinander verabschiedeten, gab der Informant den beiden FBI-Agenten folgende Empfehlung mit auf dem Weg:

Wenn ich Sie wäre, würde ich die Sache extrem ernst nehmen. Hätte ich immer noch meine frühere Position bei der SAVAK inne, würde ich alle meine Männer rund um die Uhr darauf ansetzen. Ich kann mich für meine Quellen und ihre Verläßlichkeit verbürgen; sorgen Sie dafür, daß ihre Führung bei der Terrorbekämpfung die Sache in die Hand nimmt.

Wieder im Büro entschieden die beiden FBI-Agenten, die brisante Information Thomas Frields, Leiter der Antiterrorabteilung bei der Washingtoner Nebenstelle, der mehr als zwanzig Jahre zuvor wichtige Erfahrungen während der Krise um die Geiselnahme der US-Botschaftsangehörigen in Teheran gesammelt hatte, anzuvertrauen. Als Sarshar dies hörte, wandte er sich dagegen. Der Informant sei zwar ein Iraner, dessen Quellen jedoch seien ein Afghane und ein Pakistaner, während der Hauptverdächtige, Bin Laden, aus Saudi-Arabien stamme. Also müßten die für diese Regionen zuständigen Personen in Kenntnis gesetzt werden. Doch die FBI-Agenten ließen sich nicht umstimmen. Nachdem alle drei ihre Protokolle über das Gespräch fertiggestellt und die entsprechenden Formulare ausgefüllt hatten, legten sie sie in eine Mappe mit dem provisorischen Titel "Kamikaze Pilots" und ließen sie Frields zukommen.

Zwei Monate später trafen die beiden FBI-Agenten in Begleitung von Sarshar mit dem ehemaligen SAVAK-Kommandeur zusammen. Letzterer zeigte sich sichtlich überrascht, als er erfuhr, daß in der Zwischenzeit keine Nachfrage von Frields oder irgend jemandem gekommen war. Er behauptete, von einer seiner beiden Quellen gehört zu haben, daß der Anschlag unmittelbar bevorstehe - "innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate maximal" - und daß er sich gegen Hochhäuser richte. Als die FBI-Agenten einwandten, die bisherigen Angaben seien zu vage gewesen, fragte der Informant, warum die US-Geheimdienste nicht beim pakistanischen Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) nachfragten. "Das sind Ihre Kumpels, und die wissen bereits davon", erklärte er. Dies brachte die Agenten in Verlegenheit. Sie meinten alles getan zu haben, was sie konnten, und machten Anstalten, aufzubrechen. Da rief der Informant laut Sarshar auf Farsi: "Warum diskutiert ihr nicht darüber mit der CIA? Sie wissen davon. Berichten Sie dem Weißen Haus. Lassen Sie nicht zu, daß sie es 'aussitzen', bis es zu spät ist." Als Sarshar daraufhin selbst die beiden Agenten fragte, ob es nicht ein brauchbarer Vorschlag wäre, sich an Vertreter einer anderen Behörde zu wenden, meinten Tony und John mit einem Anflug der Resignation, CIA und Weißes Haus hätten mit Sicherheit von Frields die Mappe längst erhalten. Wenn diese nichts unternähmen, dann könnten zwei einfache FBI-Ermittler nicht den ganzen Regierungsapparat in Bewegung setzen.

Die Geschichte endet, wie sie enden muß. Am Vormittag des 11. September 2001 befindet sich Sarshar beim FBI, sieht, umringt von Dutzenden von Kollegen, die schrecklichen Bilder der Zerstörung aus New York und Arlington im Fernsehen und erinnert sich an die Warnungen des ehemaligen SAVAK-Kommandeurs. Ihm wird vor lauter Gewissenbissen übel und schwindlig. In seinen Aufzeichnungen schreibt er:

Einige Minuten später sah ich einen der beiden Agenten. Ich ging durch die Menge, Hunderte von Leuten, die vor den Fernsehschirmen versammelten waren, auf den Agenten zu. Er sah mich, bevor ich ihn erreichte. Unsere Augen trafen sich. Wissende Blicke. Er fühlte, was ich fühlte. Er wußte, was ich wußte. Er dachte, was ich dachte. Wir trugen für diese Sache Verantwortung. Jemand beim FBI würde dafür hängen müssen.

Als ich nah an ihn herankam, fragte ich: "Was werden wir machen? Was sollen wir als nächstes tun?" Er schüttelte den Kopf und flüsterte: "Ich weiß es nicht. Zur Zeit kann ich nicht einmal richtig denken. Ich weiß es nicht, Behrooz. Wir haben Mist gebaut. Das Bureau [FBI] hat unser Land gefickt. Wieso?! Mein Gott, wir haben es zugelassen." Im nächsten Moment verließ er fluchtartig das Zimmer. Ich ging zurück, um meine Schreibtischschublade zu kontrollieren und sicherzustellen, daß ich immer noch Kopien von allem hatte: die 302-Formulare von beiden Treffen und meine beiden Übersetzungsberichte. Sie waren alle da.

Einige Tage später, als ich mit den beiden Agenten und Amin [einem anderen Übersetzer] zusammenkam, um einen Auftrag zu besprechen, habe ich das Thema angeschnitten. Ich fragte die Agenten, was sie tun würden; ob sie bereits etwas unternommen hätten. Anfangs wichen sie aus. Danach, als ich insistierte, erklärte einer von ihnen, es war Tony, folgendes: "Hören Sie mal zu. Frields hat uns in sein Büro gerufen und uns einen Befehl erteilt; einen absoluten Befehl." Ich fragte sie, wie der Befehl lautete. Er sagte: "Wir haben niemals irgendwelche Warnungen erhalten. Diese Gespräche fanden niemals statt. Es kam gar nicht dazu; Punkt. Er sagte, das sei höchst brisant ... und daß niemand jemals wieder auch nur ein Wort über diesen Fall verlieren soll; Punkt."

9. Februar 2011