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USA/1305: Washington stellt den Iran als "Terrorstaat" hin (SB)


Washington stellt den Iran als "Terrorstaat" hin

Soll das lachhafte "Chevrolet"-Komplott als Kriegsgrund dienen?


Mit einiger Skepsis haben weite Teile der Medien nicht nur im Ausland, sondern selbst in den USA auf die Verlautbarung des Justizministers Eric Holder vom 11. Oktober reagiert, das FBI hätte ein Mordkomplott der Kuds-Brigade der iranischen Revolutionsgarden gegen den saudischen Botschafter in Washington, Adel Al Jubeir, vereitelt. Die Skepsis ist begründet, die bisher bekannten Einzelheiten der Verschwörung sind zu abstrus, als daß man sie besonders ernst nehmen könnte. Dessen ungeachtet nutzt die Regierung Barack Obamas die Geschichte für eine breitangelegte Propagandakampagne gegen die Islamische Republik, ganz so, als hätte sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, um eine Krise am Persischen Golf herbeizuführen.

Hauptakteur des "Komplotts" ist der 56jährige Iranisch-Amerikaner Manssor Arbabsiar, ein gescheiterter Autoverkäufer aus Austin, Texas, der im Mai einen Spitzel der Drogenbekämpfungsbehörde kennenlernte, der sich jedoch als Mitglied des mexikanischen Drogenkartells Zetas ausgab. Wer von den beiden auf die Schnappsidee gekommen ist, die mexikanischen Drogenhändler sollten im Auftrag Teherans für läppische 1,5 Millionen Dollar den Leiter der saudischen Delegation in der US-Hauptstadt mit einem Bombenanschlag auf dessen Lieblingsrestaurant ermorden und dabei auch noch den Tod zahlreicher unschuldiger Zivilisten in Kauf nehmen - was einem gleichzeitigen, völkerrechtlich illegalen Kriegsakt seitens des Irans gegen die USA und Saudi-Arabien gleichkäme und verheerende Folgen hätte, geht nicht aus der Anklageschrift hervor. Darin fehlen ebenso handfeste Beweise dafür, daß Arbabsiar tatsächlich mit führenden Mitgliedern der Kuds-Brigade in Verbindung stand oder in deren Auftrag unterwegs war.

Es steht lediglich fest, daß er aus dem Ausland eine erste Anzahlung in Höhe von 100.000 Dollar auf ein vom FBI eingerichtetes Sonderkonto in den USA für die Ermordung Jubeirs leistete. Das Geld dürfte schwerlich von einer iranischen Bank überwiesen worden sein. Schließlich unterhalten die USA weder diplomatische noch Handels- oder Finanzbeziehungen zum Iran. Mit einem mutmaßlichen Mitverschwörer namens Gholam Shakuri, der sich angeblich im Iran aufhält, hat er mehrmals zunächst im Beisein des DEA-Doppelagenten und nach seiner Festnahme Ende September in New York durch FBI-Agenten vom Gefängnis aus telefoniert und soll mit diesem die Einzelheiten des "Chevrolet"-Komplotts durchgegangen sein. Wer Shakuri ist, ob eine Tarnfigur oder Verbindungsmann zur Kuds-Brigade, wissen wir nicht. Gleiches gilt für die These, Arbabsiar sei Neffe des Kuds-Kommandeurs Abdul Reza Shahlai, der zusammen mit zwei weiteren ranghohen Offizieren der iranischen Revolutionsgarden, Qasem Soleimani und Hamed Abdollahi, die ganze Operation entweder initiiert oder abgesegnet haben soll.

Nichtsdestotrotz hat die Obama-Regierung, nachdem die Staatsanwaltschaft in New York Anklage gegen Arbabsiar und Shakuri erhoben hat, Wirtschaftssanktionen gegen Shahlai, Soleimani und Abdollahi verhängt. In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC sprach sich US-Vizepräsident Joseph Biden zunächst gegen eine militärische Aktion aus, erklärte gleichwohl drohend, daß "alle Optionen" auf dem Tisch seien. Und während Susan Rice, die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, die noch vor wenigen Wochen von mit Viagra aufgeputschten, vergewaltigenden Soldaten Muammar Gaddhafis im libyschen Bürgerkrieg fabulierte, sich auf dem Weg machte, die Amtskollegen im Sicherheitsrat von den Erkenntnissen des FBI zu unterrichten, ging ihre Chefin, Außenministerin Hillary Clinton, in die mediale Offensive. Auf einer Pressekonferenz am 12. Oktober bezichtigte die ehemalige First Lady und Senatorin aus New York den Iran, mit diesem "verantwortungslosen Akt" hätte Teheran "internationale Normen und das internationale System unterminiert". Die Regierung in Teheran müsse "zur Verantwortung gezogen werden". Sie und Präsident Obama wollten "mehr Länder für eine Zusammenarbeit gegen die immer offensichtlichere Bedrohung gewinnen", die angeblich vom Iran ausginge, so Clinton.

Die große moralische Entrüstung, die Obama, Biden, Clinton, Rice und Konsorten zur Schau stellen, schafft eine gefährliche Handlungsnot. Die USA müssen auf die Provokation des Irans antworten, um das eigene Gesicht nicht zu verlieren. Der Zwang geht weniger vom Ausland, wo man gern auf eine Eskalation der Konfrontation zwischen USA und dem Iran verzichten könnte, als vielmehr vom Washingtoner Kongreß aus. Dort toben die republikanische Opposition und konservative Demokraten, die seit langem hinter allem, was in den letzten Jahren für das US-Militär in Afghanistan und im Irak schiefgelaufen ist, die Handschrift der Mullahs in Teheran zu erkennen meinen. Im Repräsentantenhaus und Senat wägt man ganz offen die Durchführung militärischer Vergeltungsschläge und die Verhängung einer Handelsblockade gegeneinander ab. Es fällt schwer zu glauben, daß Obama die vermeintliche Handlungsnotlage nicht selbst herbeigeführt hat. Schließlich hieß es in einer Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press vom 11. Oktober unter Verweis auf Tommy Vietor, dem Sprecher des Weißen Hauses, der Präsident sei bereits im Juni - und damit ziemlich zu Beginn der Gespräche zwischen Arbabsiar und CS-1 - über das "Komplott" informiert worden.

Seit dem 11. September 2001 haben dieselben US-Ermittlungsbehörden, welche die Flugzeuganschläge gegen das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Arlington unerklärlicherweise nicht verhindern konnten, zahlreiche Komplotte aufgedeckt, deren Hauptbetreiber die eigenen V-Leute waren und bei denen irgendwelche muslimischen Bauernopfer mit finanziellen Versprechungen zum Mitmachen animiert wurden. Es hat den Anschein, als wollte nun die Obama-Regierung auf die gleiche Masche zurückgreifen, um für zusätzliche Spannungen im Nahen Osten bis hin zum Krieg am Persischen Golf zu sorgen. Nach dem Schwindel in Bezug auf Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen bzw. Kontakten zum Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Laden wäre es zutiefst deprimierend, fiele die "internationalen Gemeinschaft" auf eine weitere solche Propagandalüge Washingtons herein.

13. Oktober 2011