Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

USA/1347: Dick Cheney kann die Kriegstreiberei nicht lassen (SB)


Dick Cheney kann die Kriegstreiberei nicht lassen

Ex-Vizepräsident spricht sich für Angriff auf den Iran aus



Am Wochenende des 29. und 30. März lud die Republican Jewish Coalition (RJC) zu ihrem alljährlichen Frühjahrstreffen ein, das diesmal in der Nobelherberge Venetian Resort Hotel des Kasinomagnats Sheldon Adelson in Las Vegas stattfand. Zum großen republikanischen Powwow kam alles, was bei der Grand Ol' Party (GOP) Rang und Namen hat. Gleich vier Bewerber um die Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten 2016, der ehemalige Gouverneur von Florida Jeb Bush sowie die amtierenden Gouverneure von New Jersey, Wisconsin und Ohio - Chris Christie, Scott Walker und John Kasich - hielten Reden, in denen sie ihre Verbundenheit mit Israel beteuerten. Damit wollten sie vor allem Adelson beeindrucken, der zu den zehn reichsten Männern der Erde zählt, 2012 rund einhundert Millionen Dollar in die Kampagnen zuerst von Newt Gingrich und später von Mitt Romney investierte und seitdem als der mit Abstand wichtigste Wahlkampfspender bei den Republikanern gilt. Witzigerweise hat sich Christie in seiner Rede in die Nesseln gesetzt, als er von seinem ersten Besuch im Heiligen Land berichtete und vor lautem Überschwang den Begriff "besetzt" in Verbindung mit den palästinensischen Gebieten benutzte. Laut Politico.com hat sich Christie noch am selben Tag auf Anraten von Morton Klein, dem Präsidenten der Zionist Organization of America (ZOA), bei Adelson in dessen Büro im Venetian Hotel für den sprachlichen Lapsus in aller Demut entschuldigt.

Die wichtigste Rede auf der RJC-Versammlung hielt aber Dick Cheney. Dies erklärt vermutlich, warum im Gegensatz zu den Reden aller anderen Politiker der Vortrag des ehemaligen Vizepräsidenten bei der Abendgala am Samstagabend unter Ausschluß der Medien stattfand. Doch die linke US-Zeitschrift Mother Jones hat einen geheimen Mitschnitt der Rede zugespielt bekommen und am 1. April als Tondatei auf ihrer Webseite veröffentlicht und kommentiert. Die darin festgehaltenen Äußerungen Cheneys lassen erkennen, daß sich der 73jährige Elder Statesman keinerlei Fehler aus seinen acht Jahren als Stellvertreter und wichtigster Berater George W. Bushs bewußt und genau derselbe dreiste Kriegstreiber geblieben ist.

Hauptangriffsziel der Rede war natürlich Barack Obama. Cheney warf dem Anführer der demokratischen Partei vor, ein schwacher Präsident zu sein, dessen Außen- und Sicherheitspolitik mißraten sei. Cheney behauptete, daß das Ansehen der USA im Nahen Osten derzeit auf dem absoluten Tiefpunkt sei. Er führte dies darauf zurück, daß Obama die wichtigsten Verbündeten der USA in der Region - Israel, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate - im Stich gelassen hätte und sich "keiner" der "Feinde" Amerikas vor dem amtierenden amerikanischen Präsidenten fürchte. Damit brachte Cheney die Unzufriedenheit der Kriegsfalken in Israel und Saudi-Arabien sowie der Militärs am Nil zum Ausdruck, daß Obama Tel Aviv zu einem Frieden mit den Palästinenser drängt, sich letztes Jahr gegen eine Militärintervention im Syrien-Konflikt entschieden und den gewaltsamen Sturz des gewählten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi nicht gutgeheißen hat.

Unter der maßgeblichen Leitung Cheneys hat die Regierung von Bush jun. nachweislich das amerikanische Volk über die Gründe für den Einmarsch amerikanischer und britischer Truppen in den Irak 2003 belogen. Die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, von denen angeblich eine inakzeptable Bedrohung des Weltfriedens ausgingen, existierten nicht. Auch die damals von Cheney behauptete Verbindung zwischen dem irakischen Geheimdienst und den Flugzeugattentätern vom 11. September 2001 war frei erfunden. Es zeugt von einer bodenlosen Unverfrorenheit, wenn nun Cheney in seiner Rede vor der RJC behauptet, die aktuelle Kritik am NSA-Überwachungsprogramm sei "dummes Zeug", hätte der US-Nachrichtendienst diese Möglichkeit vor dem 11. September 2001 gehabt, wäre der Massenmord am New Yorker World Trade Center und am Pentagon in Arlington verhindert worden. Auf die bevorstehenden Flugzeuganschläge gab es im Vorfeld mehr als genug Hinweise - bestes Beispiel nach der Festnahme von Zacarias Moussaoui in Minnesota Mitte August 2001 -, nur hat die Bush-Regierung sie aus bis heute nicht schlüssig erklärten Gründen ignoriert.

Cheney brachte volles Verständnis für einen eventuellen Angriff der israelischen Luftwaffe auf die iranischen Kernenergieanlagen auf, wofür er vom Publikum großen Beifall bekam. Indirekt griff er den nicht anwesenden Rand Paul an, den derzeit aussichtsreichsten Bewerber um die Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten 2016. Der junge Senator aus Kentucky begeistert das republikanische Fußvolk mit seiner Forderung nach einer reduzierten Militärpräsenz der USA im Ausland. Cheney geißelte die Vorstellungen Pauls als "Isolationismus" und meinte, die Welt im allgemeinen und der Nahen Osten im besonderen bräuchten die USA. Die Ereignisse von 9/11 seien der Beweis dafür, daß es für die USA völlig verkehrt wäre, der Welt den Rücken zu kehren.

Das Gegenteil ist der Fall. Als Osama Bin Laden 1998 im Namen von Al Kaida den USA den Krieg erklärte, führte er als Gründe die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel und dessen Unterstützung durch die USA, die Präsenz von amerikanischen Streitkräften in Saudi-Arabien und das Leid der irakischen Bevölkerung infolge jahrelanger schwerer Wirtschaftssanktionen, die maßgeblich auf Betreiben Washingtons verhängt und nicht wieder aufgehoben wurden, an. Mit etwas weniger Präsenz im Nahen Osten hätten die USA wahrscheinlich nicht den Zorn von Bin Laden und dem Al-Kaida-"Netzwerk" auf sich gezogen. Darüber hinaus liefert die katastrophale Situation im Irak, wo die Menschen bis heute schwer unter den Folgen des ersten Golfkrieges, der Sanktionsjahre und der US-Besatzung von 2003 bis 2012 leiden, und Syrien, das im mörderischen Chaos eines von Cheney und dem saudischen Geheimdienstchef Prinz Bandar 2006 ausgedachten Destabilisierungsprojektes versinkt, wichtige Argumente, weshalb der Nahe Osten ohne das ständige Hegemoniestreben der USA durchaus ein friedlicherer Ort wäre.

2. April 2014