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USA/1413: Washington - fehlinformiert und kriegsbereit ... (SB)


Washington - fehlinformiert und kriegsbereit ...


Mit dem politischen Quereinsteiger Donald Trump hat der US-Sicherheitsapparat seine Schwierigkeiten. Der Bauunternehmer und Reality-Fernsehstar hat 2016 die Präsidentenwahl gegen Hillary Clinton unter anderem mit dem Versprechen gewonnen, die Beziehungen zu Rußland zu verbessern sowie die "sinnlosen Kriege" der USA im Übersee zu beenden und das eingesparte Geld in die heimische Wirtschaft zu stecken. Seit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus im Januar 2017 tun CIA, Pentagon und die allmächtige Rüstungslobby im Kongreß wirklich alles, um Trump vom möglichen Einlösen dieses Versprechens abzubringen - mit Erfolg. Dank des Märchens von der alles entscheidenden Einmischung des Kremls in den Präsidentenwahlkampf zugunsten Trumps ist das Verhältnis zwischen Moskau und Washington heute fast so zerrüttet wie während der Kuba-Krise 1962. Trumps Versuch, mit dem nordkoreanischen Staatsratspräsidenten Kim Jong-un ein Friedensabkommen zu schließen, haben Außenminister Mike Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton Ende Februar beim Gipfeltreffen in Hanoi gezielt torpediert.

Zwar verhandeln die USA seit Ende vergangenen Jahres offen mit den afghanischen Taliban, dafür hat Trump bereits 2017 Raketenangriffe gegen die Syrische Arabische Armee (SAA) angeordnet, wozu sich sein Vorgänger Barack Obama niemals hinreißen ließ, läßt regelmäßig CIA-Drohnenangriffe in Somalia und im Jemen durchführen und hat zahlreiche Wünsche von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels sowie der syrischen Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet und den Austritt aus dem Atomabkommen mit dem Iran erfüllt, sehr zum Schaden des Nahost-Friedensprozesses mit den Palästinensern. Ungeachtet aller Streitereien mit Trump haben die Kriegsfalken dessen Anordnung vom vergangenen Dezember, angesichts der Zerschlagung des Kalifats der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) in Syrien alle US-Streitkräfte von dort abzuziehen, schlicht ignoriert. Nach den letzten Angaben des Pentagons bleiben vorerst rund 1000 Soldaten im syrischen Osten, um gegen "iranische Umtriebe" vorgehen zu können.

Ein Paradebeispiel dessen, wie der "tiefe Staat" quasi an Trotzkopf Trump vorbei regiert, lieferte am 17. April die New York Times, das einstige große liberale Blatt Amerikas, das mit dem Ende des Kalten Krieges zum Sprachrohr des amerikanischen Unilateralismus mutiert ist. Der Artikel mit dem Titel "Gina Haspel Relies on Spy Skills to Connect With Trump. He Doesn't Always Listen." ist eine einzige Hagiographie der amtierenden CIA-Chefin, die an der Seite ihres Vorgängers Pompeo all ihre Erfahrung als Agentenführerin und Vernehmungsexpertin sowie ihren weiblichen Charme einsetzt, um Trump auf Kriegskurs zu halten. Eine Anekdote, wie die frühere Folterschergin, die 2002 eine "black site" der CIA in Thailand leitete, im Sinne des neokonservativen Bolton-Pompeo-Gespanns Trump regelrecht steuert, gewährt tiefe und beunruhigende Einblicke in die brandgefährlichen Machenschaften an der amerikanischen Staatsspitze. Hier wird der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, der die ausschließliche Befehlsgewalt über ein gigantisches Atomwaffenarsenal innehat, mit gezielten Desinformationen in die Irre geführt. Bei der Anekdote ging es darum, wie die USA auf den angeblichen Nervengiftanschlag auf den ehemaligen russischen Geheimdienstagenten Sergej Skripal und seine Tochter im südenglischen Salisbury am 4. März 2018 reagieren sollten. Dazu heißt im NYT-Artikel:

London drängte das Weiße Haus, Dutzende mutmaßlicher russischer Agenten auszuweisen, doch Herr Trump blieb skeptisch. Anfangs hatte er die Vergiftung als Teil üblicher Spionenspiele, unappetitlich, aber innerhalb der Grenzen der Spionage, abgetan. Einige Regierungsvertreter erklärten, sie dachten, Herr Trump, der häufig Abtrünnige als "Ratten" kritisiert, hege eine gewisse Sympathie für das Vorgehen der russischen Regierung gegen jemanden, den sie als Verräter betrachtete.

Während der Diskussion wendete sich Frau Haspel, damals Stellvertretende CIA-Direktorin, Herrn Trump zu. Mit einer leisen, aber festen Stimme umriß sie die möglichen Erwiderungen, bevor sie sich nach vorne lehnte und dem Präsidenten sagte, daß die "starke Option" die Ausweisung von 60 Diplomaten wäre.

Um Herrn Trump zu überzeugen, haben, laut Personen, die über die Unterhaltung gebrieft wurden, Regierungsvertreter, darunter Frau Haspel, versucht zu zeigen, daß Herr Skripal und seine Tochter nicht die einzigen Opfer des russischen Anschlags waren.

Frau Haspel legte Bilder, welche die britische Regierung ihr zur Verfügung gestellt hatte, von Kleinkindern vor, die wegen Kontakts mit den Nervengift Novichok im Krankenhaus behandelt wurden. Anschließend hat sie ein Foto von Enten gezeigt, von denen britische Amtsträger behauptet hätten, sie seien durch die schlampige Arbeit der russischen Agenten getötet worden.

Frau Haspel war nicht die erste Person, die emotionsgeladende Bilder benutzt hatte, um an den Präsidenten zu appellieren, doch in Verbindung mit ihrem kaltschnäuzigen Realismus erwies sich das Vorgehen als effektiv: Herr Trump starrte die Bilder der erkrankten Kinder und der toten Enten an. Am Ende der Unterredung machte er sich die starke Option zu eigen.

Das Frappante an der Geschichte ist, daß sie vollkommen erstunken und erlogen ist, entweder von der CIA oder dem britischen Auslandsgeheimdienst MI6 oder beiden. Bereits am 16. März 2018 hat Stephen Davies, ranghöchster Notfallmediziner am Krankenhaus von Salisbury, in einem Brief an die Times of London Pressemeldungen, wonach "40 Menschen" wegen des "Giftanschlags" ärztlich behandelt werden mußten, als absoluten Nonsens abgetan. Einzig die beiden Skripals und der Polizist Nick Baily, der das Haus Sergej Skripals als mutmaßlichen Tatort sicherte, sollen mit dem fraglichen Kampfstoff in Kontakt gekommen sein. Wegen der Bitte des Londoner Guardians um eine Stellungnahme zu den denkwürdigen Angaben in dem fragliche NYT-Artikel erklärte gestern Tracy Daszkiewicz, Leiterin des öffentlichen Gesundheitsamts der Grafschaft Wiltshire: "Es gab keine weiteren Opfer außer den bereits genannten. Keine Wildtiere sind durch den Vorfall in Mitleidenschaft gezogen und keine Kinder sind dem Gift ausgesetzt oder deshalb krank geworden."

Angesichts einer solch eindeutigen Feststellung sind Sorgen um die Informationspolitik der Mitarbeiter von US-Präsident Trump mehr als berechtigt. Vor wenigen Tagen hat Trump auf Drängen Netanjahus die iranische Revolutionsgarde als erste staatliche Organisation überhaupt auf die Terrorliste Washingtons gesetzt. Damit ist eine Krise am Persischen Golf aufgrund eines Zwischenfalls zwischen Schiffen der US-Kriegsmarine und Schnellbooten der iranischen Revolutionsgarde vorprogrammiert. In einer solchen Situation steht zu befürchten, daß Trump anstelle wirklichkeitstreuer Fakten manipulierte Daten vorgelegt bekommt, die ihn in Richtung Eskalation treiben. Bereits 2002 war John Bolton an dem massiven Schwindel mit den Massenvernichtungswaffen beteiligt, mittels dessen die USA einen Vorwand für einen illegalen und blutigen Einmarsch in den Irak schufen. Eine ähnliche Betrugsaktion ist dem ehemaligen UN-Botschafter George Bush juniors in Bezug auf den Iran, den er und Netanjahu seit mindestens 20 Jahren als "Hauptsponsor des internationalen Terrorismus" verteufeln, zuzutrauen.

18. April 2019


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