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BERICHT/124: Ecuador offensiv - Ein Schiff für Leben und Kultur (SB)


Weltreise für Klima, Umwelt und Ressourcen

Besuch des ecuadorianischen Segelschulschiffs BAE Guayas (B 21) im Bremer Europahafen am 31. August 2012


Das Segelschulschiff Guayas mit dem Yasuní-ITT-Schriftzug im Segel - Foto: © 2012 by Schattenblick

Die BAE Guayas in Sachen Yasuni-ITT auf den Weltmeeren unterwegs
Foto: © 2012 by Schattenblick

Im Europa früherer Jahrhunderte, als sich abzuzeichnen begann, daß das Überleben der eigenen Bevölkerungen und damit die Aufrechterhaltung der Herrschaftsverhältnisse nicht ohne Zufuhren von außerhalb der eigenen Hemisphäre liegenden Nahrungs- und Verbrauchsquellen würde fortgesetzt werden können, kam der Seefahrt die unverzichtbare Funktion zu, die koloniale Ausbeutung der übrigen Kontinente sowie die Versklavung der dort lebenden Menschen zu bewerkstelligen. Wenn heute in Hansestädten wie Bremen nicht ohne Stolz auf die jahrhundertelange Tradition der "christlichen" Seefahrt zurückgeblickt wird, bleibt die Lage der Regionen, die durch die überlegene Feuerkraft der ersten Eroberern unterworfen wurden, noch immer ausgeklammert, so als hätte dieses fundamentale Ausbeutungsverhältnis nicht bis in die Gegenwart hinein seine Fortschreibung gefunden.

Die führenden westlichen Staaten hatten noch nie ein Problem damit, daß in vielen Regionen der angeblich postkolonialen Weltordnung Hunger und Elend herrschen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sterben tagtäglich 24.000 Kinder an den Folgen von Hunger und Unterernährung. Längst macht das Wort von einem "neuen Kolonialismus des 21. Jahrhunderts" die Runde. Die Eliten sind vorrangig an der Besitzstandswahrung der aus ihrer Sicht historisch verbrieften Privilegien interessiert sind, wobei Umwelt- und Klimaveränderungen nicht unberücksichtigt bleiben, da sie die Überlebensperspektiven auch des privilegierten Teils der Menschheit betreffen.

Büste mit den Unabhängigkeitskämpfern Simón Bolivar und José de San Martín - Foto: © 2012 by Schattenblick

Ein Hauch lateinamerikanischer Befreiungsgeschichte an Bord der Guayas - 1822 begegneten sich Simón Bolívar und José de San Martín
Foto: © 2012 by Schattenblick

Nun hat Ecuador mit der Yasuní-ITT-Initiative [1] ein Projekt vorgestellt, zu dem die sogenannte Internationale Gemeinschaft eigentlich nicht Nein sagen kann. Die Ölfelder Ishpingo, Tambococha und Tiputini (deshalb ITT) umfassen rund ein Fünftel der Erdölvorkommen Ecuadors. Da sie im Yasuní-Nationalpark liegen, wo eine Ölförderung die dort lebenden indigenen Gemeinschaften wie auch den Regenwald und seine extrem hohe Biodiversität schädigen und damit die ohnehin dramatische Umwelt- und Klimaentwicklung negativ beeinflussen würde, hat Ecuadors Präsident Rafael Correa im Jahr 2007 auf der UN-Vollversamlung vorschlagen, das Öl dauerhaft im Boden zu belassen, wenn die Staatengemeinschaft zur Hälfte für die Einnahmensverluste Quitos aufkäme. In Kooperation mit dem UN-Entwicklungsprogramm wurde für diese Gelder ein Treuhandfonds eingerichtet, aus dem soziale und ökologische Projekte finanziert werden sollen.

Wie S.E. Jorge Jurado, der Botschafter Ecuadors in Deutschland, am 31. August 2012 an Bord des ecuadorianischen Segelschulschiffs BAE Guayas im Bremer Europahafen gegenüber dem Schattenblick erklärte [2], erfahre sein Land zwar viel politische Unterstützung für die Yasuní-ITT-Initiative, doch an der finanziellen Umsetzung hapere es noch immer. Käme dieses Projekt in vollem Umfang zum Tragen, würde dies die internationale Position Ecuadors aufwerten, was in den westlichen Staaten, denen die Linksentwicklung Lateinamerikas ohnehin ein Dorn im Auge ist, sicherlich nicht gern gesehen werden würde. In Deutschland beispielsweise hatte es noch 2008 einen einhelligen Bundestagsbeschluß für die Yasuní-ITT-Initiative gegeben, doch mit dem Amtsantritt des jetzigen Bundesentwicklungshilfeministers Dirk Niebel (FDP) war es mit der Bereitschaft, in den UN-Treuhandsfonds einzuzahlen, vorbei. Helga Daub (FDP), Obfrau im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, führte zur Begründung an:

Wir würden einen Präzedenzfall schaffen, der in immer neuen Forderungen münden könnte. Die FDP-Bundestagsfraktion teilt ausdrücklich das Ziel der Bewahrung der Biodiversität des Yasuní-Nationalparkes, nicht jedoch das von der ecuadorianischen Regierung vorgeschlagene Instrument der Zahlung für Unterlassung. [3]
Plakat mit der Aufschrift 'Ecuador - Yasuní ITT - Erhalt der Artenvielfalt' - Foto: © 2012 by Schattenblick

Die Yasuní-ITT-Initiative wird Besuchern des Segelschulschiffs präsentiert
Foto: © 2012 by Schattenblick

Seit dem Amtsantritt Präsident Correas im Jahr 2007 weht in Ecuador ein anderer Wind. Die Erfolge dieser "Bürgerrevolution" in der Wirtschafts- und Sozialpolitik und in der Armutsbekämpfung sind nicht von der Hand zu weisen. Würden die westlichen Staaten die Yasuní-ITT-Initiative in vollem Umfang finanziell unterstützen, könnten sie weder die Kontrolle über diese Ölfelder an sich bringen noch die Regierung Correa destabilisieren. Bis heute haben nur wenige Staaten den vollmundigen Absichtserklärungen rechtlich bindende Taten folgen lassen. Neben Spanien, Kolumbien, Chile, Georgien und der Türkei hat mit Italien Ende September ein zweiter EU-Staat ein bilaterales Abkommen mit Ecuador unterzeichnet, demzufolge die italienische Regierung dem Andenstaat 35 Millionen Euro Schulden erläßt und Ecuador sich im Gegenzug verpflichtet, diesen Betrag in den Treuhandfonds einzuzahlen. "Ecuador ist dieser Hinsicht ein internationales Beispiel und seine Bevölkerung sollte sehr stolz auf dieses Vorhaben sein", erklärte Staffan de Mistura, der italienische Vize-Außenminister, anläßlich der Vertragsunterzeichnung am Rande der 67. UN-Vollversammlung in New York [4].

Es sei dahingestellt, ob die Beweggründe Italiens, die Yasuní-ITT-Initative zu unterstützen, tatsächlich in Deckung zu bringen sind mit den Zielsetzungen, die das kleine lateinamerikanische Land im eigenen wie auch im Interesse der Menschheit verfolgt. Quito beschreitet unterdessen unkonventionelle Wege, um das Projekt in den Bevölkerungen der westlichen Staaten besser bekannt zu machen. Zu diesem Zweck hat sich das Segelschulschiff der ecuadorianischen Marine, die BAS Guayas, im März dieses Jahres auf große Fahrt begeben, um verschiedene Häfen Amerikas und Europas anzulaufen und Flagge zu zeigen für die Yasuní-ITT-Initiative. Nach Stationen in Panama, Puerto Rico, New Orleans, New York, Norfolk, Baltimore und Boston erreichte die Guayas am 25. Juli Spanien.

Diavortrag zum Yasuní-Nationalpark auf Deck - Foto: © 2012 by Schattenblick

Die Guayas bringt den Yasuní-Nationalpark um die Welt
Foto: © 2012 by Schattenblick

Am 31. August 2012 ging das Segelschulschiff im Bremer Europahafen vor Anker. Das Schiff und seine 169 Menschen starke Besatzung blieben vier Tage lang als seefahrende "Botschafter" ihres Landes in der Hansestadt, um, wie es hieß, Kontakte zur Bevölkerung zu knüpfen und die Handelsbeziehungen zu vertiefen, aber auch die eigene Kultur und Gastronomie bekannt zu machen und die Yasuní-ITT-Initiative voranzubringen. Bei einem Besuch der Guayas am Tage ihrer Ankunft konnte der Schattenblick mit Botschafter Jurado [2] wie auch mit Kommandeur Amilcar Villavicencio Palacios, dem Kapitän der Guayas [5], Gespräche führen sowie die Gelegenheit nutzen, die an Bord gewonnenen Eindrücke einer maritimen Welt fotographisch festzuhalten.

Hölzerner Pirat neben der Gangway der Guayas - Foto: © 2012 by Schattenblick Hölzerner Pirat neben der Gangway der Guayas - Foto: © 2012 by Schattenblick

Störtebeker läßt grüßen - ein südamerikanischer Pirat bewacht die Guayas
Foto: © 2012 by Schattenblick

Das Segelschulschiff als Modellschiff - Foto: © 2012 by Schattenblick

Das Segelschulschiff en miniature - die Guayas als Modellschiff
Foto: © 2012 by Schattenblick

Aufschrift im Segel 'ecuador love life' - Foto: © 2012 by Schattenblick

Ein kleines Land setzt in seinem Engagement keine Grenzen
Foto: © 2012 by Schattenblick

Fußnoten:
[1] Siehe auch im Schattenblick in INFOPOOL → UMWELT → REPORT:
INTERVIEW/026: Stark in der Not - S.E. Jorge Jurado, Botschafter Ecuadors in Deutschland (SB)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0026.html
BERICHT/017: Stark in der Not - Rio+20 angeregt - Umwelt- und Wasserpolitik Ecuadors (SB)
www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0017.html

[2] Siehe im Schattenblick in INFOPOOL → POLITIK → REPORT:
INTERVIEW/134: Ecuador offensiv - Der aufrechte Gang (SB)
www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0134.html

[3] Daub: Yasuni-Fonds - Keine Zahlung für Unterlassung. Pressemitteilung der FDP-Bundestagsfraktion vom 12.10.2011
http://www.fdp-fraktion.de/?wc_c=263&wc_lkm=&id=16194&suche=Daub,%20Helga

[4] Italien unterstützt außergewöhnliche Umweltschutzinitiative Ecuadors. Von Harald Neuber, telepolis, 27.09.2012
http://www.heise.de/tp/blogs/2/152867

[5] Siehe im Schattenblick in INFOPOOL → POLITIK → REPORT:
INTERVIEW/136: Ecuador offensiv - Mastkorbhorizonte (SB)
www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0136.html

12. Oktober 2012