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BERICHT/277: Gegenwartskapitalismus - Antithesen ... (SB)



Folgt man der Lehrmeinung der Archäologie, so markiert die sogenannte Neolithische Revolution den ersten Schritt der Menschheit von einer archaischen Lebensweise hin zu organisierten Strukturen der Arbeitsteilung und Vorratshaltung. Aus Jägern und Sammlern, die nomadisch über die Erde zogen und mit den Jahreszeiten die Orte wechselten, wurden seßhafte Landwirte, die Wildgräser zu Getreide kultivierten, Tiere domestizierten und ihren Verbrauch als Nahrungs- und Arbeitsmittel durch gezielte selektive Paarung optimierten. Sie errichteten Häuser in dauerhaften Siedlungen, aus denen Jahrhunderte später Burgen und Städte entstanden.

Doch damit war das Rad noch nicht erfunden, das die Art und Weise menschlichen Zusammenlebens durch die Potenzierung mechanischer Energie für produktive Zwecke und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Organisationsformen maßgeblich veränderte. Nicht minder einschneidend war, zumindest aus Sicht einer herrschaftskritischen Sozialgeschichte, die Einführung des Privateigentums als Grundmerkmal zivilisatorischer Entwicklung. Die innere Logik und Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, das als Besitz Beanspruchte vor anderen zu schützen und aus dem kollektiven Zusammenhang herauszulösen, führte zur Entfremdung vom Kollektiv und schuf eine Sphäre des Vorbehalts ums eigene Wohl bedachter Interessen. War mit dem Privateigentum die Basisvoraussetzung für die Entuferung sozialer Gegenseitigkeit erst einmal installiert, führte der zunehmende Verlust primärer Gestaltungsmöglichkeiten zu Intrigen, Verrat und kriegerischen Handlungen.

Abhängigkeiten zwischen den Mitgliedern eines Gemeinwesens resultierten nicht nur aus Landbesitz, sondern auch aus der Aneignung und Alimentierung von Nahrungsmitteln und Ressourcen im weitesten Sinne durch Clans und Familiensippen, was das Getriebe sozialer Verteilungskämpfe ankurbelte und Konkurrenzverhältnisse entfesselte. Die ohnehin durch Abgaben und Frondienste belasteten Besitzlosen, die außer der Kraft ihrer Arme nichts hatten und wortwörtlich arm blieben, wurden mit Hilfe der Priester ans Kreuz aus Hunger und Existenznot geschlagen. Wenn sie sich dennoch nahmen, was als Privileg von Thron und Altar durch die Regeln Gottes und seiner irdischen Stellvertreter geschützt war, oder gegen die Willkür der Fron revoltierten, standen Gewaltmittel militärischer Art bereit, Unterwerfung unter die Ordnung des Privateigentums zu erzwingen.

Auf dem Kulturweg lernte der Mensch sicherlich, aus Holz Flöten zu schnitzen, aber auch Werkzeuge aus Metall zu schmieden, deren Erzeugung tiefe Wunden ins Erdreich schlug und ganze Wälder in Rauch aufgehen ließ. Die Indienstnahme des Feuers, bis heute als Fundament zivilisatorischer Entwicklung gefeiert, bedeutete auch, daß sich der Mensch der Zerstörungskraft des Brandes bis hin zur industriellen Vervielfachung seiner zehrenden Hitze unterwarf. Mit der Konzentration und Zentralisation der Produktivkräfte schritt die Ausdifferenzierung von Hierarchien und Herrschaftsstrukturen immer weiter voran, bis wenige Menschen über Millionen herrschten, sich Reiche bildeten, die im Dominanzstreben ihrer gekrönten Häupter übereinander herfielen, und Nationalstaaten formierten, deren imperialistische Dynamik die ganze Welt in Brand setzte. So reiht sich ein Krieg an den anderen - vom Brudermord Kains, des Ackerbauern, an Abel, des von Gott bevorzugten Viehzüchters, dessen Rinder nun erst Recht die Welt zu Lasten aller Menschen eroberten, die sich gerade einmal Getreide leisten können, bis zur atomaren Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki und den entuferten Kriegen der Gegenwart, in denen das soziale Elend auf geradezu anomische Weise explodiert.

So sehr sich diese blutige Zivilisationsgeschichte aus dem Versprechen speist, daß die Vergesellschaftung des Menschen die beste aller Formen des Zusammenlebens sei, sind die sich als Spitze dieser Entwicklung feiernden Metropolengesellschaften Westeuropas und Nordamerikas nicht über die Hobbessche These hinausgelangt, daß der Mensch des Menschen Wolf und die ihm naturhaft innewohnende Bösartigkeit nur durch repressive staatliche Gewalt zu bändigen sei. Seit der vermeintlichen Widerlegung sozialistischer und kommunistischer Ansätze durch die übriggebliebene kapitalistische Staatenwelt wird das moderne Subjekt ganz nach Thomas Hobbes als unfähig propagiert, ohne übergeordnete Autorität leben zu können. Andere Möglichkeiten individuellen und kollektiven Daseins werden der staatlichen Souveränität, deren Ordnungsprinzipien sich jeder zu unterwerfen habe und die nach außen wie innen mit allen Mitteln vernichtender Gewalt durchgesetzt wird, gegenüber als nichtexistent verworfen.


Ausgegrabene Artefakte im Glaskasten - Foto: By Klaus-Peter Simon (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Exponate aus Göbekli Tepe im Museum von Sanliurfa
Foto: By Klaus-Peter Simon (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Wird nach Alternativen zu dieser Geschichte gefragt, dann fällt der Blick auch auf die Anfänge zivilisatorischer Entwicklung, wiewohl er gegen Fehldeutungen aller Art nicht gefeit sein kann, hat man es doch in der Geschichtsschreibung mit Brüchen und Verwerfungen aller Art zu tun. Eingedenk der Subjektivität dieses Blickes empfiehlt sich, zuvor die Position zu klären, von der aus er geworfen wird, etwa im Sinne dessen, daß alle Geschichte eine Geschichte der Klassenkämpfe ist. Auch die kurdische Befreiungsbewegung schaut mit herrschaftskritischer Absicht und nach vorne offen zurück. Wenn sie sich des dazu vorhandenen Materials bisweilen wie in einem Steinbruch bedient, aus dem das jeweils Passende herausgeklaubt wird, dann ist das in ihrem Fall mehr als eine bloße Metapher, kommt die von ihr beanspruchte Region aus Sicht der Archäologie doch für den Titel einer Wiege der Menschheit in Frage.

Deren These, daß Seßhaftigkeit den Beginn der Zivilisationsentwicklung markiert, wurde 1994 bei Ausgrabungen auf dem prähistorischen Siedlungshügel Göbekli Tepe bei Sanliurfa am südöstlichsten Zipfel der heutigen Türkei erschüttert. Die Erbauer dieser ältesten Kultstätte der Welt, die nach Ansicht des Chefarchäologen Klaus Schmidt (1953-2014) womöglich einen Tempel oder ein Bergheiligtum darstellt und um 9000 v. Chr. errichtet wurde, gehörten einer reinen Jäger- und Sammlergemeinschaft an. Auch weist Göbekli Tepe keine Siedlungsspuren auf. Trotz vieler Kontroversen um den sogenannten Nabelberg und seine Funktion und Verwendung wird Anatolien - und nicht Palästina oder Mesopotamien - als jener Ort gehandelt, an dem der prähistorische Mensch den Grundstein zur Geschichte menschlicher Urbanität legte.

Dabei war Göbekli Tepe schon seit 1963 als archäologische Fundstätte bekannt, aber seine tiefere Bedeutung erkannte erst Schmidt, als er unter Schutt und Geröll eine monumentale Kultanlage mit verschiedenen Rundbauten aus überlebensgroßen Steinpfeilern in T-Form und mit Tierfiguren verzierte Säulen freilegte. Sie dienten jedoch nicht zum Tragen eines Daches und demnach auch nicht als Wohnstätte. Das Areal wurde bisher nur bruchstückhaft ausgegraben, und doch versetzt Göbekli Tepe die Fachwelt in helle Aufregung. Deutet sich doch an, daß der Mensch der Altsteinzeit lange vor seiner Seßhaftwerdung Kulturleistungen vollbracht, vielleicht sogar einen Ritus bzw. eine frühe Form von Religiosität zelebriert oder andere Formen der Auseinandersetzung mit den elementaren Kräften und Fragen des Lebens favorisiert hatte. Wenn an der Schwelle zur Zivilisation keine Dorfgemeinschaft, sondern ein Tempel stand, der Jahrhunderte später zugeschüttet und nie wieder genutzt wurde, könnte dann nicht auch die sozialdarwinistische Widersprüchlichkeit ihres Hervortretens anders gelesen werden?


Auf dem Podium von Session II 'Jenseits des Staates: Alternativen denken und aufbauen' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Haskar Kirmizigül, Debbie Bookchin, Özlem Ekinbas und Reimar Heider
Foto: © 2017 by Schattenblick

An diesem Schnittpunkt konträrer Interpretationen setzt der Vortrag von Özlem Ekinbas auf der Konferenz "Die kapitalistische Moderne herausfordern III", die vom 14. bis 16. April an der Universität Hamburg stattfand, ein. Wegen ihrer politischen Überzeugungen saß sie zwei Jahre im E-Typ-Gefängnis von Urfa. Nach der Veröffentlichung von Abdullah Öcalans drittem Buch "Soziologie der Freiheit" befaßte sich Ekinbas mit Archäologie und arbeitete drei Jahre an den Ausgrabungen von Göbekli Tepe und zwei Jahre an der ärchologischen Stätte in Harran, nahe der Grenze zu Syrien. Auf lokaler Ebene war sie zudem für anderthalb Jahre in der Frauenpolitik tätig.

Ekinbas versteht Geschichte nicht als bloße Aneinanderreihung von Ereignissen oder Datierungen, die wie Monolithe für sich stehen. Vielmehr repräsentiert Geschichte das Selbstverständnis der Menschen, die sie aus heutiger Sicht schreiben, und bestimmt darüber auch ihre Weltsicht. All dies sei kritisch zu überprüfen, um sich freimachen zu können von aktuellen Politiken und Praxen. Denn hinter dem Kampf gegen den Kapitalismus stecke auch die Frage, wie die Menschheit zu dem wurde, was sie heute ist. Das kapitalistische System okkupiert nicht nur alle Lebensbereiche des Menschen, sondern erweckt auch den Eindruck von Alternativlosigkeit. Diese fast schon an Fatalismus grenzende Enge im Denken gelte es zu durchbrechen, denn Lösungsperspektiven seien auch eine Sache des Verantwortungsbewußtseins. Ob Systeme diktatorisch oder demokratisch sind, werde nicht zuletzt von ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung bestimmt.

Jedes historische Ereignis weise zwei Aspekte auf: Erstens die Schilderung eines Geschehens als Faktum und zweitens die Bedeutung, die ihnen die Geschichtswissenschaft zuschreibt. Ekinbas beruft sich auf Öcalan, wenn sie ausführt, daß eine lokale Geschichte nur Bedeutung im Kontext zur Gegenwart habe. Mehr noch wird der Blick zurück auf Vergangenes von Kriterien und Charakteristiken getragen, deren ideologisches Kampffeld im Heute wurzelt. Auch wenn keine Gesellschaft ohne Geschichte auskommt, besteht für die Referentin das eigentliche Ziel darin, die soziale Realität zu begreifen, und das schließe auch eine Hinterfragung der Archäologie mit ein.


Freigelegte Grabungsfläche mit Artefakten - Foto: Foto: By Teomancimit (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Das Grabungsfeld von Göbekli Tepe im Jahr 2011
Foto: By Teomancimit (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

In ihrem Vortrag widmete sich Ekinbas kurz den verschiedenen Typen des Frühmenschen. Vom Homo habilis, der aufrecht ging und Werkzeuge benutzt hat, ging sie zum Neandertaler und Homo sapiens über. Der Neandertaler mußte im Ringen mit widrigen Lebensbedingungen Tiere jagen, um zu überleben. Dazu nutzte er Werkzeuge und auch das Feuer. Mit jeder neuen Entdeckung entwickelte sich seine Intelligenz und Innovation. Die höchste Reife erlangte er mit der Realisation des Todes. In Europa und im Vorderen Orient begegneten sich Neandertaler und Homo sapiens jedoch nicht feindselig, sondern eher in unterstützender Weise.

Das Neolithikum war geprägt von einem Anstieg der Flora und Fauna, was die Entwicklung zum Ackerbau begünstigt habe. In der Folge kommt Ekinbas auf die Sumerer zu sprechen, die das südliche Mesopotamien bevölkerten. Mesopotamien bot durch seine geographische Lage viele Vorteile. Die Flüsse Euphrat und Tigris versorgten das Gebiet mit Wasser und Schwemmland. Göbekli Tepe selbst wird als Siedlungsgebiet auf 10.000 Jahre zurückdatiert. Nur einen Tag Fußweg entfernt liegt am Nordrand der fruchtbaren mesopotamischen Ebene ein weiterer Siedlungsraum rund um Harran. Am Beispiel der Halaf-Kultur von 5900 bis 5000 v. u. Z., die sich im Norden Mesopotamiens, über Syrien, Teilen der Türkei bis an die Grenze zum Iran erstreckte, dokumentiert die Referentin die einschneidenden Veränderungen in der sozialen Struktur, als sich Clan-Gesellschaften mit einer patriarchalen Ordnung bildeten. Die Kürze des Vortrags von nur 20 Minuten läßt leider nur kurze Erläuterungen zu den bedeutsamen vorgeschichtlichen Etappen auf dem Weg zur Menschwerdung zu. Stärker geht die Referentin auf die Bedeutung von Göbekli Tepe ein. An dieser Stelle hielt sie eine Hommage auf Klaus Schmidt, ohne dessen Forschungsarbeiten vieles nicht aus dem Dunkel der Geschichte ans Tageslicht gekommen wäre.

Göbekli Tepe liegt auf einem flachen und kahlen Felsplateau und fällt über Hänge und zum Teil schroffe Kliffe steil ab. Im nördlichen Teil grenzt es an Harran, im Westen liegt der Wald von Karacadag, wo man den historischen Ursprung zum Anbau des Kulturgetreides verortet. Die monolithischen Pfeiler wurden in einer späteren Zeitepoche mit grob geschichteten Mauern zu kreisförmigen oder ovalen Anlagen verbunden. Weitere 16 Anlagen mit bis zu 200 Pfeilern werden auf dem Hügelrücken noch vermutet. Verziert sind die Monolithe mit Tierreliefs oder abstrakten Piktogrammen, die zwar keine Schrift, aber möglicherweise heilige Symbole darstellen. Die fein bearbeiteten Reliefs zeigen Raubkatzen, Stiere, Keiler, Füchse, Gazellen, Schlangen und andere Reptilien, sowie Geier, Kraniche, Ibisse und Skorpione. Neben Tierfiguren entdeckte man dort auch eine Phallusstatuette ohne Kopf.


Tiergestalten und Fabelwesen - Foto: By Teomancimit (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Relief auf Pfeiler in Göbleki Tepe
Foto: By Teomancimit (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Aus Sicht Öcalans läßt Göbekli Tepe verschiedene Interpretationen zur Menschheitsgeschichte zu. Auf jeden Fall muß es über eine lange Zeit eine Großbaustelle gewesen sein. Der Transport der Pfeiler, die 20 und mehr Tonnen wiegen, von einem nahegelegenen Steinbruch oder vom Fuß des Felsplateaus hinauf muß ungemein arbeitsintensiv gewesen sein, zumal seine Erbauer nur auf einfache Hilfsmittel wie Holzstämme und Ziehgurte zurückgreifen konnten und Metallwerkzeuge noch nicht im Gebrauch waren. Öcalan glaubt in den Symbolen auf den Steinreliefs Hinweise auf die jeweiligen Kulturen zu erkennen, die dort über einen längeren Zeitraum praktiziert wurden. Ob dabei religiöse oder spirituelle Handlungen vorgenommen wurden, läßt sich momentan nicht genau bestimmen, denn die Forschungen am Göbekli Tepe sind noch nicht abgeschlossen. In einem Raum wurde das Relief einer Frau mit seitwärts ausgestreckten Beinen gefunden, was auf einen Fruchtbarkeitsritus hindeuten könnte.

Wenn Göbekli Tepe ein religiöses Zentrum für die nomadischen Stämme oder Sippen in der Region war, welche Bedeutung haben dann die in einem Komplex angeordneten reliefartigen Pfeiler? Symbolisieren sie Totems, eine aus dem Stein entfesselte Subjektivität und Beziehung zur Geisterwelt? Oder die Institutionalisierung eines Kultes in den Händen eines frühen Priestertums? Für Ekinbas ist die Frage nach dem mentalen Bedürfnis zum Bau eines Heiligtums dieser Art von fundamentaler Bedeutung. Welche Auswirkungen hatte die Organisierung eines Tempels auf die Lebensstrukturen der Menschen jener Zeitepoche? Die ältesten Monumente der Menschheit könnten Hinweise darauf geben, aber ihre Sprache muß erst enträtselt werden.

Für Ekinbas weht von dem Totems aus Göbekli Tepe der Geruch einer unverkennbar patriarchalen Gesinnung bis in die Gegenwart hinüber. Anders verhält es sich aus ihrer Sicht mit den Totems in Nevali Cori, einer neolithischen Siedlung am mittleren Euphrat im hügeligen Taurusvorland in der türkischen Provinz Sanliurfa, wo die Menschen 2000 Jahre nach Göbekli Tepe seßhaft wurden. Dort sind der Referentin zufolge noch Erinnerungen an eine andere Auseinandersetzung virulent. Ekinbas verweist dabei auf ein Relief mit zwei Frauen, die nebeneinander auf dem Rücken liegen, und am oberen Abschnitt ist eine Tierfigur auf einer zerbrochenen Schale sichtbar. Ist Nevali Cori, wie auch der Religionsforscher Hubertus Mynarek vermutet, der steinzeitliche Wendepunkt in einem Geschlechterkampf gewesen, in dem die weibliche Erbfolge und damit das Matriarchat durch die Herrschaft der Männer, die sich ihren eigenen Gott schufen, niedergeworfen wurde?

Unstrittig wurde das Zusammenleben der Menschen vom Stand der technologischen Entwicklung als auch von den Klimabedingungen beeinflußt, aber Ekinbas zufolge findet sich unabhängig davon immer das gleiche Siedlungsschema. Entweder wurden hierarchische Strukturen ausgebildet oder es entstand eine egalitäre Gemeinschaft. Zwischen beiden Formationen gab es eine geschichtliche Verbindung, aber es traten auch eklatante Widersprüche auf. Die Geschichte der hierarchischen Gruppen wurde von der hegemonialen Geschichtsdeutung geschrieben, während eine egalitäre Alternative noch darauf wartet, in der Sprache der Unterdrückten verfaßt zu werden.

Jede Form von Geschichte muß für Ekinbas aus einer umfassenden Perspektive heraus analysiert werden. Archäologische Methoden untersuchen die Beziehung zwischen Raum und Zeit, aber eine freie Gesellschaft müsse erst zu einem kritischen Bewußtsein erwachen, um verstehen zu können, was auf dem Wege der Zivilisation unterdrückt und niemals zu Wort gekommen sei. Das Neolithikum dokumentiert einen alten Konflikt zwischen entgegengesetzten Gesellschaftsentwürfen. Menschen, so könnte man Ekinbas verstehen, tragen beide Anlagen in sich. Ein genetischer Code, der Herrschaft begünstigt, weil sie eine größere Überlebensfähigkeit garantiert, ist das Ergebnis eines Vulgärmaterialismus, der postuliert, was er erkennt, und erkennt, was er postuliert. Emanzipation verwirft die These von der sich wiederholenden Geschichte, weil sie Position bezieht für die Seite der Schwächeren und eine Zukunft ohne Geschlechter- wie andere Unterwerfungshierarchien.


Beiträge zur Konferenz "Die kapitalistische Moderne herausfordern III" im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT:


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24. Juni 2017


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