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INTERVIEW/315: Avantgarde francaise - International unterlaufen ...    Dilan Baran im Gespräch (SB)


Solidarität mit den Streiks und Protesten in Frankreich

Interview in Hamburg-St. Georg am 20. Juni 2016


Dilan Baran ist Vorsitzende der Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF) Hamburg. Der Ortsverein Hamburg im ver.di-Fachbereich 08 und DIDF luden den französischen Gewerkschafter Christian Mahieux ins Gewerkschaftshaus Besenbinderhof ein, um aus erster Hand etwas über den Widerstand gegen die sogenannte Arbeitsreform in Frankreich zu erfahren [1]. Eine weitere Gelegenheit, die Frage nach der Situation in Frankreich und danach, was sich daraus für die Lohnabhängigen in der Bundesrepublik lernen läßt, bietet sich am 28. Juni an der Universität Hamburg. Nach dem Treffen mit dem Vertreter von SUD-Solidaires hatte der Schattenblick Gelegenheit, Dilan Baran einige Fragen zu stellen.


Im Gespräch - Foto: © 2016 by Schattenblick

Dilan Baran
Foto: © 2016 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Frau Baran, DIDF hat diese Veranstaltung zusammen mit dem ver.di-Ortsverein organisiert. Was interessiert Sie an den Arbeitskämpfen in Frankreich?

Dilan Baran (DB): Wir solidarisieren uns mit der Streikbewegung in Frankreich. Wie ich in meinem kurzen Beitrag schon erwähnt habe, unterscheidet die Bourgeoisie auch nicht nach Nationen, wenn sie ihre Interessen verfolgt, sondern unterstützt etwa die Regierung in Frankreich bei der Durchsetzung des geplanten Arbeitsgesetzes. Das ist ein Kampf der Arbeiter gegen das Kapital, das unterstützen wir und das muß weltweite Unterstützung finden.

SB: Können Sie sich vorstellen, daß es in Europa wieder einen Aufschwung für Internationalismus gibt, um etwas dagegen zu tun, daß die Lohnabhängigenklasse in der Standortkonkurrenz unter nationalem Vorzeichen gegeneinander ausgespielt wird?

DB: In nächster Zukunft habe ich da wenig Hoffnung, was nicht heißt, daß eine solche Entwicklung nicht grundsätzlich notwendig ist für die Arbeiterbewegung. Sollte es einen Aufschwung geben, dann muß er definitiv in diese Richtung gehen. Das gilt auch für die Situation in Frankreich, doch ohne Solidarität funktioniert es letzten Ende nicht.

SB: Gibt es in der jungen Generation noch oder wieder Interesse, sich mit dem Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit auseinanderzusetzen? Halten Sie es für möglich, daß sich die Menschen noch einmal in eine emanzipatorische linke Richtung bewegen?

DB: Ich erlebe jeden Tag, wie die Unzufriedenheit zunimmt. Diese Auseinandersetzung steht noch am Anfang und wird bei vielen bislang sehr naiv und unorganisiert betrieben, aber das Potential ist auf jeden Fall vorhanden.

SB: DIDF hat vor allem türkeistämmige Mitglieder. In der Bundesrepublik gibt es zum einen eine starke Rechtsentwicklung, zum anderen eine Solidaritätsbewegung für die Flüchtlinge. Welche Erfahrungen machen Sie mit Migranten, die schon länger hier leben? Sind sie grundsätzlich solidarischer mit Flüchtlingen?

DB: Leider gibt es es unter Migranten auch eine starke Ablehnung gegenüber Flüchtlingen. Das erleben wir sehr stark, das führt uns aber auch vor Augen, daß dieser Rechtsruck nicht so sehr daher rührt, daß unsere Gesellschaft, beziehungsweise die Menschen an sich rassistisch veranlagt sind, sondern daß die soziale Frage wesentlich für diese Entwicklung ist. Migranten, die vielleicht seit einer Generation hier leben und in irgendeinem Bereich ein wenig erfolgreicher sind, haben auch Angst vor dem Abstieg und legen deswegen die gleichen Verhaltensweisen wie die seit langem hier lebende Bevölkerung an den Tag. Oberflächlich würde man vielleicht denken, daß Solidarität unter vergleichbar von Leid und Not betroffenen Menschen geboten wäre, aber leider verhält es sich genau umgekehrt.


Gruppenfoto - Foto: © 2016 by Schattenblick

Christian Mahieux von SUD-Solidaires und Mitglieder von DIDF-Hamburg
Foto: © 2016 by Schattenblick

SB: Können Sie bestätigen, daß es in der türkeistämmigen Community in Deutschland sehr viel Unterstützung für Erdogan gibt, wie einer seiner Anhänger neulich in einer Diskussionssendung des Deutschlandfunks behauptete?

DB: Das ist leider so. So, wie in der Türkei versucht wird, die Bevölkerung zu spalten, so spiegelt sich das auch hier in Deutschland wider. Zu versuchen, dieser Spaltungsstrategie entgegenzutreten, ist genau unsere Aufgabe. Und das nicht nur, wie es vor einigen Wochen der Fall war, im Kampf gegen türkische Faschisten, sondern auch dadurch, daß man die soziale Frage zum Thema macht.

SB: Die deutsch-türkischen Beziehungen sind sehr widersprüchlich. Zum einen propagiert die Bundesregierung Menschenrechte, zum anderen hofiert sie Erdogan. Wie stehen Sie zu dieser Politik?

DB: Wir kritisieren diese Politik der Bundesregierung aufs schärfste. Die Zusammenarbeit mit einem Staatschef wie Erdogan muß sofort unterbunden werden, das ist ein Skandal.

SB: Was ist für die Veranstaltung am 28. Juni in der Universität Hamburg geplant?

DB: Dort werden ein Vertreter der Studierendengewerkschaft UNEF und ein Vertreter der DIDF-Jeune aus Frankreich anwesend sein. Ähnlich wie heute werden sie einen Input geben und sich dann Fragen stellen, damit wir mit mehr Informationen direkt vom Ort des Geschehens versorgt werden. Leider berichten die deutschen Medien herzlich wenig über die Streiks und Proteste in Frankreich.

SB: Frau Baran, vielen Dank für das Gespräch.


Flyer für Veranstaltung - Foto: 2016 by Schattenblick

"Résistance et Solidarité" am 28. Juni
Foto: 2016 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] BERICHT/238: Avantgarde francaise - Widerstand am Mahlzahn der Zwänge ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0238.html


24. Juni 2016


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