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ARBEIT/420: Auch in den Fußballfabriken müssen die Arbeiterinnen & Arbeiter siegen (Naturfreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 23. Juni 2010

Schöne Tore und Siege bei der Fußballweltmeisterschaft

Doch auch die Arbeiterinnen & Arbeiter in den Fußballfabriken müssen siegen


Berlin, 23. Juni 2010 - Zu den menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Näherinnen und Näher von Fußbällen erklärt der stellvertretende Vorsitzende der NaturFreunde Berlin und Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands Uwe Hiksch:


Die Weltmeisterschaft wirft ein schönes und glänzendes Licht auf den Fußballsport: Leider jedoch nur auf die Spiele - nicht aber auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Fabriken, die Fußbälle für den internationalen Markt produzieren. Denn hinter der glänzenden Fassade der Fußballwirtschaft verbergen sich Not und Armut vieler Arbeiterinnen und Arbeiter.

Die Fußbälle werden zumeist in Pakistan, Indien, China und Thailand hergestellt - in harter Handarbeit in Fabriken oder auch zuhause. Die Produzierenden müssen häufig ihre Arbeit unter unwürdigen Bedingungen durchführen. Deshalb hat das "International Labor Rights Forum" (ILRF) einen Bericht über die Arbeitsbedingungen der Näherinnen und Näher von Fußbällen vorgelegt. Die ILRF-Studie "Missed the Goal for Workers: the Reality of Soccer Ball Stitchers in Pakistan, India, China and Thailand" (www.kurzlink.de/ILRF-Studie) beschreibt die schockierende Arbeitsbedingungen der Näherinnen und Näher von Fußbällen in diesen Ländern.

Für viele Arbeiterinnen und Arbeiter gibt es nur zeitweise Arbeit, die Entlohnung ist sehr niedrig und zudem sehr unterschiedlich bei Männern und Frauen. Zudem wird deren Organisation in Gewerkschaften verhindert. Gleichzeitig ist eine angemessene gesundheitliche Versorgung für viele Arbeiterinnen und Arbeiter in der Fußballproduktion aufgrund der schlechten Löhne unbezahlbar.

In Pakistan, Indien und China wird die Produktion der Bälle häufig aus den größeren Betrieben ausgelagert und in Heimarbeit durchgeführt. Auch Kinder müssen in vielen Fällen in den Familien mitarbeiten. Gerade die Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter werden sehr oft unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn bezahlt. In den größeren Fabriken fehlen der Zugang zu sauberem Trinkwasser, eine grundlegende medizinische Versorgung und saubere Toiletten.

Die Analyse der Jahreseinkommen zeigt deutlich den Unterschied zwischen Profiteuren und Produzenten der Fußbälle am Beispiel des US-amerikanischen Sportartikelherstellers Nike:

Jahreseinkommen 2009 von Führungskräften bei Nike im Vergleich zu Arbeiterinnen und Arbeitern in der Fußballproduktion in Indien und Pakistan:
Führungskräfte Nike: US $ 3.950.000
Näher/in Pakistan: US $ 708
Näher/in Indien: US $ 600

So lag im Jahr 2008 in Pakistan der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn für ungelernte Arbeiterinnen und Arbeiter bei etwa 74 Dollar im Monat. Viele erhalten jedoch eine wesentlich geringere Entlohnung.

In Indien erhalten Arbeiterinnen und Arbeiter teilweise nur 58 Dollar pro Monat, obwohl sie bis zu 14 Stunden am Tag arbeiten müssen. Neun Prozent der Jungen und 18 Prozent der Mädchen im Alter von sechs bis 17 Jahren müssen in den Heimarbeiterfamilien ganztags für die Produktion der Fußbälle mitarbeiten. Für die Herstellung eines Balles bekommen die Kinder teilweise nur sieben Cent pro Stunde. Bei fast allen Arbeiterinnen und Arbeitern werden Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und abnehmende Sehkraft festgestellt.

In China müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter zum Teil sieben Tage in der Woche arbeiten, in der Hauptsaison bis zu 21 Stunden am Tag. In der Pearl-River-Delta-Region wurden bis zu 232 Überstunden im Monat bei Arbeiterinnen und Arbeitern festgestellt - fast sechsmal höher als gesetzlich erlaubt. Das "China Business Journal" berichtete, dass häufig Frauen und Kinder die Bälle herstellten und dafür nur 75 Cent erhielten. Obwohl der gesetzliche Mindestlohn bei 58 Dollar im Monat liegt, bekamen viele Arbeiterinnen und Arbeiter nur 35-40 Dollar Monatslohn.

Weil diese unhaltbaren Zustände sofort beendet werden müssen, fordern die NaturFreunde Deutschlands:

Alle Anbieter von Fußbällen müssen sich verpflichten, die Bezahlung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohnes sicherzustellen und die Löhne deutlich zu erhöhen, damit ein existenzsicherndes Einkommen bezahlt wird.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Zulieferbetrieben müssen das Recht erhalten, bei Löhnen unter dem Mindestlohn diese direkt bei den Vertriebsfirmen, beispielsweise Adidas oder Nike, einzufordern.
Durch intensive Kontrollen muss das Verbot von Kinderarbeit durchgesetzt werden.
Jegliche Benachteiligung von Frauen in der Produktion muss sofort abgestellt werden.
Durch eine kontinuierliche Auftragsvergabe muss die massive Mehrarbeit in der Hauptsaison reduziert und die Saisonarbeitslosigkeit vermieden werden.
Aufträge dürfen nur noch an zertifizierte Betriebe vergeben werden, die durch eine unabhängige Kontrollkommission überwacht werden.

Von der Internationale Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) erwarten die NaturFreunde, dass sie die Zusammenarbeit mit allen Sportartikelherstellern einstellt, die diese Mindestbedingungen nicht erfüllen.

Die NaturFreunde Deutschlands sind auch ein anerkannter Sportverband. In unserer Organisation werden wir aktiv dafür werben, dass unsere Sportlerinnen und Sportler genau untersuchen, ob die Lieferanten von Sportartikeln ihre Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen herstellen lassen.


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Quelle:
Presseinformation vom 23.06.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur
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Warschauer Str. 58a, 10243 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2010