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ARMUT/176: Simbabwe - Kleinkredite statt Grabschmuck - Sterbegeldkasse wird zur Lebenshilfe für Arme (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juni 2012

Simbabwe: Kleinkredite statt Grabschmuck - Sterbegeldkasse wird zur Lebenshilfe für Arme

von Grit Porsch



Berlin, 13. Juni (IPS) - Sterbegeldkassen sind in Armenvierteln wie der 30 Kilometer von Harare entfernten Schlafstadt Chitungwiza seit langem Tradition. Ihre Mitglieder finanzieren mit bescheidenen Beiträgen künftige, in den Familien anfallende Bestattungskosten. Doch die Kassen werden zunehmend zur Bank für kleine Leute, die zu Lebzeiten finanzielle Hilfe benötigen, um akute Notlagen zu überbrücken oder ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Homadi Chibwano, langjähriger Vorsitzender der 'Bestattungsgesellschaft Gule', ist stolz darauf, aus einer reinen Sterbegeldkasse ein Kleingewerbe aufgebaut zu haben, das profitabel wirtschaftet. Die inzwischen 105 Mitglieder zahlen Monatsbeiträge von fünf US-Dollar. Mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter gründete er eine kleine Ziegelei, die drei Mitarbeiter beschäftigt.

"Das Geld, das in Bestattungskassen gespart wird, sollte nicht länger allein den Toten zugute kommen", erklärte Chibwano. "Wir helfen selbstverständlich weiterhin, wenn es in den Familien unserer Mitglieder einen Todesfall gibt. Wir müssen aber auch versuchen, unsere Lage noch zu unseren Lebzeiten zu verbessern", betonte er. Seine Gesellschaft plant derzeit, im Haus eines Mitglieds einen kleinen Lebensmittelladen zu eröffnen.

"Unser Bankkonto wächst ständig", berichtete er gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN. "Wenn eines unserer Mitglieder einen Kredit benötigt, um eine schwierige Notlage zu überbrücken, dann berät unser Komitee über die Vergabebedingungen. Wenn wir groß genug sind, wollen wir den Gewinn regelmäßig unter unseren Mitgliedern verteilen."

In Simbabwe und der gesamten Region ist es Tradition, dass Arme in informelle Sterbekassen einzahlen, um Bestattungskosten aufbringen zu können, die in der Hauptstadt Harare bis zu 2.700 Dollar ausmachen können.

Der Wirtschaftsberater John Robertson beobachtet, wie sich die traditionelle Sterbegeldkassen den sich veränderten Gegebenheiten anzupassen versuchen. Er empfiehlt, ihr Engagement mit einer betriebswirtschaftlichen Fortbildung zu fördern.


Finanzspritze für den Notfall

Vor acht Monaten hat ebenfalls in Chitungwiza die Bestattungsgesellschaft 'Nzira Yedu' ('Unser Weg') eine Steinmetzwerkstatt für Grabsteine eröffnet, die zwei Mitarbeiter beschäftigt. Auch wenn das Kleinunternehmen noch keinen Gewinn abwirft, hat Nzira Yedu genügend Geld angespart, um ihren 85 Mitgliedern höhere Darlehen für die Bezahlung von Arzt- und Medikamentenkosten bereitstellen zu können.

"Kaum jemand kann die Krankenhauskosten aufbringen, und auch bei Unfällen springen wir mit Krediten ein", berichtete Raina Mhembere, die Nzira Yedus Finanzen verwaltet, gegenüber IRIN. "Auch die vielen HIV/Aids-Patienten unter unseren Mitgliedern benötigen regelmäßig unsere finanzielle Hilfe", betonte sie.

Waren es früher eher Ältere, die ihr Geld den Bestattungsgesellschaften anvertrauten, so entdecken inzwischen auch junge Leute die Vorteile einer Mitgliedschaft und steigen bei den Sterbegeldkassen ihrer Eltern ein. Der 20-jährige Bankbote Sylvester Chidziva ist einer dieser jungen Neuzugänge. Die 'Afterlife Burial Society' seines Vaters hatte vor drei Jahren mit einem Kredit dafür gesorgt, dass der Junge die Schule bis zum Abschluss besuchen konnte. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012