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FRAUEN/353: Profit statt Entwicklung an der Basis, Aktivistinnen kritisieren Weltbankprojekte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Dezember 2011

Frauen: Profit statt Entwicklung an der Basis - Aktivistinnen kritisieren Weltbankprojekte

von Kanya D'Almeida


Washington, 5. Dezember (IPS) - Die Weltbank will sich für Frauen stark machen. In ihrem Weltentwicklungsbericht 2012 hat sie sich erstmals mit der für die Weltwirtschaft unentbehrlichen Rolle der Frauen befasst. Zudem kündigte sie für das kommende Jahr eine Medienkampagne ('Think equal') zugunsten der Gleichberechtigung an. Doch erfahrene Aktivistinnen sind wenig beeindruckt und sprechen von einer reinen Imagekampagne der mächtigen internationalen Finanzinstitution.

In den Entwicklungsländern erleben Frauenrechtlerinnen immer wieder, dass bei von der Weltbank geförderten und finanziell unterstützten Millionenprojekten die Interessen der Frauen unberücksichtigt bleiben und deren wirtschaftliche Existenz vernichten.

Obwohl die Weltbank 2008 arme Entwicklungsländer davor gewarnt hatte, sich bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung hauptsächlich vom Export unverarbeiteter Rohstoffe abhängig zu machen, stecken die internationalen Finanzinstitutionen ungeachtet der oft lebensbedrohlichen Folgen besonders für die Frauen in den lokalen Gemeinden weiterhin viel Geld in die Ausbeutung von Naturressourcen.


Projekte zu Lasten der Frauen

Im ostafrikanischen Uganda, wo 95 Prozent der Bevölkerung nicht an das Stromnetz angeschlossen sind, protestieren Gemeinden seit Jahren gegen den Bau des Bujagali-Staudamms in der Nähe des Viktoriasees, den die Weltbank mit Krediten in Höhe von 360 Millionen US-Dollar unterstützt.

6.800 Anlieger, vor allem Frauen, leiden unter den Folgen des Kraftwerks, dessen Kosten nach Angaben der Nichtregierungsorganisation 'International Rivers' inzwischen auf fast 860 Millionen Dollar angestiegen sind. In dem Betrag sind noch nicht einmal die 74,7 Millionen Dollar für den Aufbau eines Stromnetzes enthalten.

"Die Investoren, zu denen auch Ugandas Regierung gehört, schenken den Entschädigungsforderungen der Kleinbäuerinnen, die in den Familien die Hauptlast der Nahrungsmittelversorgung tragen, keine Beachtung", kritisierte die ugandische Aktivistin Betty Obbo. Dabei hätte man diese Frauen an der Projektentwicklung beteiligen müssen", stellte sie fest. Stattdessen stehe die Baustelle unter strenger militärischer Bewachung.

Auch Monti Aguirre, Lateinamerikas Vertreterin von International Rivers, übte scharfe Kritik an den internationalen Finanzinstitutionen und den von ihnen finanzierten Großprojekten. "Bei den Ressourcenentwicklungsvorhaben bleiben die Interessen von Frauen praktisch immer unberücksichtigt", sagte sie IPS.

Schlimmer noch: Als die zivile Organisation 'Gender Action' kürzlich die Investitionen der Finanzinstitute in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) unter die Lupe nahm, stellte sie fest, dass diese Bergbauprojekte zu noch mehr Gewalt gegen Frauen geführt haben. "Im mineralreichen Osten des Kongo setzen bewaffnete Milizen Vergewaltigung als Waffe ein, um sich die Kontrolle über die begehrten Vorkommen an Coltan, Wolfram, Tantal, Zinn, Gold und Diamanten zu sichern", kritisierte Gender Action.

Nach Angaben von 'Pact' graben in der DRC zwei Millionen Menschen, darunter 400.000 Frauen, auf eigene Faust nach Bodenschätzen. Die Hälfte der Frauen ist noch keine 18 Jahre alt. Obwohl die elenden Arbeitsbedingungen und die Hungerlöhne dieser Frauen ungezählte Male dokumentiert wurden, sind die internationalen Finanzinstitute immer noch dabei, eigene Untersuchungen durchzuführen.

50 Millionen Dollar hat die Weltbank in ihr Projekt 'Growth with Governance in the Mineral Sector' gesteckt. Projekte zur Prävention von Gewalt gegen Frauen waren ihr 2010 gerade mal 3,2 Millionen Dollar wert.


Investitionen in Risikosektoren

Mit ihrem Zehnjahresprojekt (2003-2012) zur Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Privatsektors, in das sie 120 Millionen Dollar an Krediten und weitere 60 Millionen Dollar für ein Darlehen an die DRC investiert hat, unterstützt sie ausschließlich Sektoren mit großen Risiken und einem hohem Konfliktpotential wie Bergbau, Transport, Energie und Telekommunikation.

Nach Ansicht zahlreicher Nichtregierungsorganisationen ignoriert die Weltbank dabei nicht nur bestehende Gender-Ungleichheiten, sie zerstört mit ihren Prioritäten auch Familien und fördert Missbrauch, Prostitution und sexuelle Gewalt.

"Ich habe immer schon gesagt: Hinter jedem Eukalyptusbaum steht die Weltbank", erklärte die angesehene indische Umweltaktivistin Vandana Shiva in einem Gespräch mit IPS im Herbst in Washington anlässlich der Jahrestagungen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Ihre harsche Kritik galt den riesigen Plantagen mit dem schnell wachsenden Nutzholz Eukalyptus, die landwirtschaftliche Nutzflächen und Wälder verdrängen.

"Erst als Mitarbeiterin des Management-Instituts in Bangalore stellte ich fest, das große Flächen für Eukalyptusplantagen ausgewiesen wurden", sagte die Aktivistin. "Ich fragte mich, wer Bauern dazu bringt, Bäume anzupflanzen, die weder dem Land noch ihnen selbst nützen. Ich fand heraus, dass die Weltbank dahinter steckte. Immer wenn mich eine lokale Bewegung oder ein Frauenkollektiv um Hilfe bittet, steckt die Weltbank hinter dem Problem." (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://wwwr.worldbank.org
http://www.internationalrivers.org/
http://www.genderaction.org
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106048

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. Dezember 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2011